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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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auszukommen. Mit jedem Tage mehrten sich die Festgaben. Ende Juli waren
deren schon 136 eingelangt, darunter manche werthvolle, und noch glänzendere
standen in Aussicht. Schon dachte der Landeshauptschießstand daran, auch die
Oestreicher und die Bayern einzuladen. und die DroKuug der bozcner Schützen,
zum Schlehen gar nicht zu erscheinen, wenn man die Einladung nicht auf alle
Deutschen ausdehne, drängte die Innsbrucker zur Erweiterung ihrer Ansichten.
Mit der Trauer in Sack und Asche war es vorüber, es konnte nur noch dem
Herbeiströmen der "fremden" Elemente und allzugroßem Zudrang der einheimi¬
schen zu wehren gellen, wenn die Feier nicht ein wirkliches Nationalfest werden
sollte. Diesem mochte eine geschickte Vertheilung. ein eigenes Fest in jeder ein¬
zelnen Gemeinde, wie es der Landesausschuß vorschlug, vorbeugen, und die from¬
men Geistlichen waren gewiß nicht abgeneigt, in und außer der Kirche gute Dienste
zu leisten. Die T"irvler Stimmen" ließen sich darüber in folgender Weise Verneh-
men. "Tirol ist eine Insel mitten im Meere, umwogt von der Gewalt und Lüge des
Zeitgeistes, man nehme diesem Volke nicht sein Palladium. wenn man nicht will,
daß es der Zerfahrenheit der Begriffe, der Grnndsatzlosigl'eit und Gedankenlosigkeit
zum Opfer falle. Wenn aber diese glorreichen Erinnerungen. und sprechen wir es
aus, wenn auch ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft, welche die freie Selbst¬
bestimmung Tirols in seinen eigenartigen Verhältnissen im Schooße birgt, das
Wesen unseres Festes sind, so weist uns dieses unzweideutig darauf hin, wie
wir das Fest begehen sollen und werden. Es muß, und wir verlangen es,
das fünfhundcrtjährige Jubelfest des Tirvlervolkes muß durch und durch, in
allen seinen Theilen ein specifisch tirolisches sein. -- Das Tirolervolk wird
"sein." Jubelfest in der Kirche und auf dem Schießstande feiern, in diesen beiden
Orten findet es sich mit Liebe ein, da ist jeder Tiroler zu Hause; da fühlt er
sich heimisch und wohl, da soll er und Niemand anders den Ton angeben;
alles Fremdländische, alles Moderne, das nicht im Volke seinen Halt hat. soll
von den Festplätzen wegbleiben, damit das Fest ein tirolisches und nicht eine
Allerweltsfeier, damit es nicht ein charakter- und farbloses werde."

Selbst dem den Klerikalen sonst treu ergebenen ..Tiroler Boten" schien
dies zu weit zu gehen, vielleicht kam ihm auch eine Erleuchtung von oben zu. kurz
er wagte es alles Ernstes, der Einladung östreichischer und deutscher Schützen
das Wort zu reden. Die Verwarnung des klerikalen Journals folgte dieser
unziemlichen Auflehnung auf dem Fuße, die "Tiroler Stimmen" bedeuteten
dem amtlichen Blatte, es habe sich "von dem Feste richtigere Begriffe anzu¬
eignen, dieses nicht mit einem Gassenspectatel zu verwechseln, noch weniger
aber den Schießstand gefüllt mit Tirolerschützen für eine Art von Menagerie
anzusehen."

Dies klang, als ob man sich des Sieges schon sicher fühlte. Gleichwohl
ließ sich die Vorstehung des Landeshauptschießstandes in ihren Beschlüssen nicht


auszukommen. Mit jedem Tage mehrten sich die Festgaben. Ende Juli waren
deren schon 136 eingelangt, darunter manche werthvolle, und noch glänzendere
standen in Aussicht. Schon dachte der Landeshauptschießstand daran, auch die
Oestreicher und die Bayern einzuladen. und die DroKuug der bozcner Schützen,
zum Schlehen gar nicht zu erscheinen, wenn man die Einladung nicht auf alle
Deutschen ausdehne, drängte die Innsbrucker zur Erweiterung ihrer Ansichten.
Mit der Trauer in Sack und Asche war es vorüber, es konnte nur noch dem
Herbeiströmen der „fremden" Elemente und allzugroßem Zudrang der einheimi¬
schen zu wehren gellen, wenn die Feier nicht ein wirkliches Nationalfest werden
sollte. Diesem mochte eine geschickte Vertheilung. ein eigenes Fest in jeder ein¬
zelnen Gemeinde, wie es der Landesausschuß vorschlug, vorbeugen, und die from¬
men Geistlichen waren gewiß nicht abgeneigt, in und außer der Kirche gute Dienste
zu leisten. Die T„irvler Stimmen" ließen sich darüber in folgender Weise Verneh-
men. „Tirol ist eine Insel mitten im Meere, umwogt von der Gewalt und Lüge des
Zeitgeistes, man nehme diesem Volke nicht sein Palladium. wenn man nicht will,
daß es der Zerfahrenheit der Begriffe, der Grnndsatzlosigl'eit und Gedankenlosigkeit
zum Opfer falle. Wenn aber diese glorreichen Erinnerungen. und sprechen wir es
aus, wenn auch ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft, welche die freie Selbst¬
bestimmung Tirols in seinen eigenartigen Verhältnissen im Schooße birgt, das
Wesen unseres Festes sind, so weist uns dieses unzweideutig darauf hin, wie
wir das Fest begehen sollen und werden. Es muß, und wir verlangen es,
das fünfhundcrtjährige Jubelfest des Tirvlervolkes muß durch und durch, in
allen seinen Theilen ein specifisch tirolisches sein. — Das Tirolervolk wird
„sein." Jubelfest in der Kirche und auf dem Schießstande feiern, in diesen beiden
Orten findet es sich mit Liebe ein, da ist jeder Tiroler zu Hause; da fühlt er
sich heimisch und wohl, da soll er und Niemand anders den Ton angeben;
alles Fremdländische, alles Moderne, das nicht im Volke seinen Halt hat. soll
von den Festplätzen wegbleiben, damit das Fest ein tirolisches und nicht eine
Allerweltsfeier, damit es nicht ein charakter- und farbloses werde."

Selbst dem den Klerikalen sonst treu ergebenen ..Tiroler Boten" schien
dies zu weit zu gehen, vielleicht kam ihm auch eine Erleuchtung von oben zu. kurz
er wagte es alles Ernstes, der Einladung östreichischer und deutscher Schützen
das Wort zu reden. Die Verwarnung des klerikalen Journals folgte dieser
unziemlichen Auflehnung auf dem Fuße, die „Tiroler Stimmen" bedeuteten
dem amtlichen Blatte, es habe sich „von dem Feste richtigere Begriffe anzu¬
eignen, dieses nicht mit einem Gassenspectatel zu verwechseln, noch weniger
aber den Schießstand gefüllt mit Tirolerschützen für eine Art von Menagerie
anzusehen."

Dies klang, als ob man sich des Sieges schon sicher fühlte. Gleichwohl
ließ sich die Vorstehung des Landeshauptschießstandes in ihren Beschlüssen nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/183>, abgerufen am 15.01.2025.