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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Zuge zurück. Von so bedeutender Erscheinung, wie die zuletzt erwähnte, in Anspruch
genommen, fast geblendet, war ich eine kleine Weile nichts mehr recht bedeu¬
tend zu finden im Stande. Die Herren Studiosen mit ihrem Schlägergekiirr.
ihren Fahnen, Bändern, Schärpen -und Cereviskappen. ihren Stulpenstiefeln
und Trinkhörnern zogen fast unbeachtet vorüber. Ebenso die Vertreter der
Landgemeinden vom leipziger Schlachtfeld und die Gesangvereine mit ihren
Bannern und Fahnen. Erst die gelb und blau in die Tracht des sechszehnten
Jahrhunderts gekleideten Herolde, die dem Künstlerverein voranschritten, ver¬
mochten das gesättigte Auge wieder einigermaßen zu sesseln. Recht stattlich
traten ferner die Buchhandlungsgehilfen auf. Weniger zahlreich erschien der
Kaufmannsstand, zahlreicher wieder der kaufmännische Verein. Auch die
Schützengesellschaft lenkte, indem sie ihre Kleinodien dem Feste zu Ehren zur
Schau trug, vieler Blicke aus sich.

Massenhaft waren mehre der nun folgenden Innungen vertreten, von de¬
nen manche außer ihren Fahnen auch für andre Embleme gesorgt hatten. So
die Bäcker, die vor allen in dieser Procession kriegerischer Erinnerung mitzu¬
gehen das Recht hatten, da sie im Schwedenkriege tapfer mitgefochten, und
vor deren zerfetzter alter Kriegsfahne Herolde in braunen altdeutschen Wämm-
sern einHerzogen. So ferner die Zimmerleute, in deren Mitte das Modell
eines Hauses, soweit Axt und Säge-damit zu schaffen haben, getragen wurde,
die Buchbinder, welche auf Stäben die Titel der bekanntesten Schriften über
die Völkerschlacht mit sich führten, die langen Reihen der Buchdrucker, denen
alterthümlich mit Sammttalaren und Barets angethane Zunftgenossen voran¬
gingen. Ihnen folgten mit ihren Bannern die Fischer, diesen die Fleischer,
dann die Gärtner, die Noten- und Kupferdrucker, die Maschinenbauer, die
Schlosserund Schmiede, die Schneider, hierauf Schriftgiesser, Schuhmacher, Sei¬
ler, und so weiter das Alphabet hindurch. Ich kann das ganze Sckiffs-
verzeichniß nicht bis zu Ende verfolgen, und es mag genug sein, zu sagen,
daß -- der Würde des Tages vielleicht nicht ganz angemessen -- in¬
mitten der Tischler in Gestalt eines echten Wanderburschen der guten alten
Zeit mit gewundenem Knotenstock und handwerksgcrecht gepackten Ranzen auch
ein Stück Humor vertreten war, und daß unter den Gliedern des Festzugs
auch der Nationalverein, und zwar als solcher mit eigner Fahne, natürlich der
einfachen Trikolore, eine Stelle gefunden hatte.

Nahezu zwei Stunden währte der Vorübermarsch, und längst schon waren
die Spitzen des Zugs an Ort und Stelle angelangt, als die letzten Fahnen
noch in der Vorstadt flatterten. Die Stätte, wohin das Denkmal zu stehen
kommen soll, ist mit Geschick gewählt, und ich wüßte kaum eine besser geeignete.
Blickt man von ihr aus nach der Stadt zurück, so hat man zur Rechten Stöt-
teritz, einen der Punkte, um welchen am 18. October eine Zeit lang gestritten


Zuge zurück. Von so bedeutender Erscheinung, wie die zuletzt erwähnte, in Anspruch
genommen, fast geblendet, war ich eine kleine Weile nichts mehr recht bedeu¬
tend zu finden im Stande. Die Herren Studiosen mit ihrem Schlägergekiirr.
ihren Fahnen, Bändern, Schärpen -und Cereviskappen. ihren Stulpenstiefeln
und Trinkhörnern zogen fast unbeachtet vorüber. Ebenso die Vertreter der
Landgemeinden vom leipziger Schlachtfeld und die Gesangvereine mit ihren
Bannern und Fahnen. Erst die gelb und blau in die Tracht des sechszehnten
Jahrhunderts gekleideten Herolde, die dem Künstlerverein voranschritten, ver¬
mochten das gesättigte Auge wieder einigermaßen zu sesseln. Recht stattlich
traten ferner die Buchhandlungsgehilfen auf. Weniger zahlreich erschien der
Kaufmannsstand, zahlreicher wieder der kaufmännische Verein. Auch die
Schützengesellschaft lenkte, indem sie ihre Kleinodien dem Feste zu Ehren zur
Schau trug, vieler Blicke aus sich.

Massenhaft waren mehre der nun folgenden Innungen vertreten, von de¬
nen manche außer ihren Fahnen auch für andre Embleme gesorgt hatten. So
die Bäcker, die vor allen in dieser Procession kriegerischer Erinnerung mitzu¬
gehen das Recht hatten, da sie im Schwedenkriege tapfer mitgefochten, und
vor deren zerfetzter alter Kriegsfahne Herolde in braunen altdeutschen Wämm-
sern einHerzogen. So ferner die Zimmerleute, in deren Mitte das Modell
eines Hauses, soweit Axt und Säge-damit zu schaffen haben, getragen wurde,
die Buchbinder, welche auf Stäben die Titel der bekanntesten Schriften über
die Völkerschlacht mit sich führten, die langen Reihen der Buchdrucker, denen
alterthümlich mit Sammttalaren und Barets angethane Zunftgenossen voran¬
gingen. Ihnen folgten mit ihren Bannern die Fischer, diesen die Fleischer,
dann die Gärtner, die Noten- und Kupferdrucker, die Maschinenbauer, die
Schlosserund Schmiede, die Schneider, hierauf Schriftgiesser, Schuhmacher, Sei¬
ler, und so weiter das Alphabet hindurch. Ich kann das ganze Sckiffs-
verzeichniß nicht bis zu Ende verfolgen, und es mag genug sein, zu sagen,
daß — der Würde des Tages vielleicht nicht ganz angemessen — in¬
mitten der Tischler in Gestalt eines echten Wanderburschen der guten alten
Zeit mit gewundenem Knotenstock und handwerksgcrecht gepackten Ranzen auch
ein Stück Humor vertreten war, und daß unter den Gliedern des Festzugs
auch der Nationalverein, und zwar als solcher mit eigner Fahne, natürlich der
einfachen Trikolore, eine Stelle gefunden hatte.

Nahezu zwei Stunden währte der Vorübermarsch, und längst schon waren
die Spitzen des Zugs an Ort und Stelle angelangt, als die letzten Fahnen
noch in der Vorstadt flatterten. Die Stätte, wohin das Denkmal zu stehen
kommen soll, ist mit Geschick gewählt, und ich wüßte kaum eine besser geeignete.
Blickt man von ihr aus nach der Stadt zurück, so hat man zur Rechten Stöt-
teritz, einen der Punkte, um welchen am 18. October eine Zeit lang gestritten


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[0178] Zuge zurück. Von so bedeutender Erscheinung, wie die zuletzt erwähnte, in Anspruch genommen, fast geblendet, war ich eine kleine Weile nichts mehr recht bedeu¬ tend zu finden im Stande. Die Herren Studiosen mit ihrem Schlägergekiirr. ihren Fahnen, Bändern, Schärpen -und Cereviskappen. ihren Stulpenstiefeln und Trinkhörnern zogen fast unbeachtet vorüber. Ebenso die Vertreter der Landgemeinden vom leipziger Schlachtfeld und die Gesangvereine mit ihren Bannern und Fahnen. Erst die gelb und blau in die Tracht des sechszehnten Jahrhunderts gekleideten Herolde, die dem Künstlerverein voranschritten, ver¬ mochten das gesättigte Auge wieder einigermaßen zu sesseln. Recht stattlich traten ferner die Buchhandlungsgehilfen auf. Weniger zahlreich erschien der Kaufmannsstand, zahlreicher wieder der kaufmännische Verein. Auch die Schützengesellschaft lenkte, indem sie ihre Kleinodien dem Feste zu Ehren zur Schau trug, vieler Blicke aus sich. Massenhaft waren mehre der nun folgenden Innungen vertreten, von de¬ nen manche außer ihren Fahnen auch für andre Embleme gesorgt hatten. So die Bäcker, die vor allen in dieser Procession kriegerischer Erinnerung mitzu¬ gehen das Recht hatten, da sie im Schwedenkriege tapfer mitgefochten, und vor deren zerfetzter alter Kriegsfahne Herolde in braunen altdeutschen Wämm- sern einHerzogen. So ferner die Zimmerleute, in deren Mitte das Modell eines Hauses, soweit Axt und Säge-damit zu schaffen haben, getragen wurde, die Buchbinder, welche auf Stäben die Titel der bekanntesten Schriften über die Völkerschlacht mit sich führten, die langen Reihen der Buchdrucker, denen alterthümlich mit Sammttalaren und Barets angethane Zunftgenossen voran¬ gingen. Ihnen folgten mit ihren Bannern die Fischer, diesen die Fleischer, dann die Gärtner, die Noten- und Kupferdrucker, die Maschinenbauer, die Schlosserund Schmiede, die Schneider, hierauf Schriftgiesser, Schuhmacher, Sei¬ ler, und so weiter das Alphabet hindurch. Ich kann das ganze Sckiffs- verzeichniß nicht bis zu Ende verfolgen, und es mag genug sein, zu sagen, daß — der Würde des Tages vielleicht nicht ganz angemessen — in¬ mitten der Tischler in Gestalt eines echten Wanderburschen der guten alten Zeit mit gewundenem Knotenstock und handwerksgcrecht gepackten Ranzen auch ein Stück Humor vertreten war, und daß unter den Gliedern des Festzugs auch der Nationalverein, und zwar als solcher mit eigner Fahne, natürlich der einfachen Trikolore, eine Stelle gefunden hatte. Nahezu zwei Stunden währte der Vorübermarsch, und längst schon waren die Spitzen des Zugs an Ort und Stelle angelangt, als die letzten Fahnen noch in der Vorstadt flatterten. Die Stätte, wohin das Denkmal zu stehen kommen soll, ist mit Geschick gewählt, und ich wüßte kaum eine besser geeignete. Blickt man von ihr aus nach der Stadt zurück, so hat man zur Rechten Stöt- teritz, einen der Punkte, um welchen am 18. October eine Zeit lang gestritten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/178>, abgerufen am 15.01.2025.