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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Die römische Zndexcongregatwn.

Unter diesem Titel ist im Verlag der lcntnerschen Buchhandlung zu Mün¬
chen eine Schrift erschienen, welche die oft genannte Obercensurbehörde der
römischen Kirche vom Standpunkt eines freisinnigen Katholicismus, wie ihn
Herausgeber und Mitarbeiter des frohschammerschen "Athenäums" Vertreten,
historisch-kritisch beleuchtet. Da man auf Seiten der Ultramontanen gegen¬
wärtig auf jenes Institut ein besonderes Gewicht legt, andererseits aber von
dessen eigentlichem Wesen und seiner Geschichte nur wenig bekannt ist. so mei¬
nen wir mit einem Auszug aus dieser Darstellung nicht unwillkommen
zu sein.

Das in der Ueberschrift genannte Büchergericht ist modernen Datums.
Zwar kamen schon in der Urzeit der Kirche Bücherverbote vor, wie denn 325
n. Chr. das Buch "Thalia" von Arius für ketzerisch erklärt und 496 unter Papst
Gelasius dem Ersten ein Verzeichnis) verbotener Schriften aufgestellt wurde. In¬
deß ging damals das Urtheil nicht von einer kleinen Anzahl Theologen, sondern
von Kirchenversammlungen aus, und jener Index des Gelasius enthielt nicht
nur verbotene, sondern auch erlaubte Bücher.

Beim Entstehen der Buchdruckerkunst glaubte man dem Mißbrauch dersel¬
ben dadurch vorbeugen zu müssen, daß man die Druckereien der unmittelbaren
bischöflichen Aussicht unterwarf, so daß kein Buch gedruckt werden durfte ohne
ausdrückliche Genehmigung der bischöflichen Curie. Die Uebertreter dieser Ver¬
ordnungen wurden excommunicirt und mit Geldstrafen belegt; besonders die
Verleger waren von letzteren schwer getroffen. Hundert Dukaten Strafgeld,
öffentliche Verbrennung der Auflage ohne jeglichen Ersatz und endlich Sperrung
des Gewerbes auf ein ganzes Jahr waren als Strafe bestimmt.

In der Reformationszeit war es natürlich mit dieser Controle zu Ende,
und zwar um so mehr, je größer die Masse von Thesen. Briefen. Predigten.
Tractätchen, Flugschriften :c. war, die jetzt aller Orten in Umlauf gesetzt
wurden. Man verfiel darum auf ein anderes Mittel, man begann von den
verbotenen Büchern Verzeichnisse zusammenzustellen. Diese Verzeichnisse ent¬
halten meist das Decret der Inquisition, die dasselbe entworfen und in wel¬
chem die Strafen gegen dessen Verächter ausgesprochen sind; sodann die Na¬
men der Autoren, die als ketzerisch bekannt sind, und zuletzt die der Buch¬
drucker, aus deren Officin bereits Ketzerbücher hervorgegangen, und deren
künftige Publicationen, sie mögen behandeln was immer, unter die verbotenen


Die römische Zndexcongregatwn.

Unter diesem Titel ist im Verlag der lcntnerschen Buchhandlung zu Mün¬
chen eine Schrift erschienen, welche die oft genannte Obercensurbehörde der
römischen Kirche vom Standpunkt eines freisinnigen Katholicismus, wie ihn
Herausgeber und Mitarbeiter des frohschammerschen „Athenäums" Vertreten,
historisch-kritisch beleuchtet. Da man auf Seiten der Ultramontanen gegen¬
wärtig auf jenes Institut ein besonderes Gewicht legt, andererseits aber von
dessen eigentlichem Wesen und seiner Geschichte nur wenig bekannt ist. so mei¬
nen wir mit einem Auszug aus dieser Darstellung nicht unwillkommen
zu sein.

Das in der Ueberschrift genannte Büchergericht ist modernen Datums.
Zwar kamen schon in der Urzeit der Kirche Bücherverbote vor, wie denn 325
n. Chr. das Buch „Thalia" von Arius für ketzerisch erklärt und 496 unter Papst
Gelasius dem Ersten ein Verzeichnis) verbotener Schriften aufgestellt wurde. In¬
deß ging damals das Urtheil nicht von einer kleinen Anzahl Theologen, sondern
von Kirchenversammlungen aus, und jener Index des Gelasius enthielt nicht
nur verbotene, sondern auch erlaubte Bücher.

Beim Entstehen der Buchdruckerkunst glaubte man dem Mißbrauch dersel¬
ben dadurch vorbeugen zu müssen, daß man die Druckereien der unmittelbaren
bischöflichen Aussicht unterwarf, so daß kein Buch gedruckt werden durfte ohne
ausdrückliche Genehmigung der bischöflichen Curie. Die Uebertreter dieser Ver¬
ordnungen wurden excommunicirt und mit Geldstrafen belegt; besonders die
Verleger waren von letzteren schwer getroffen. Hundert Dukaten Strafgeld,
öffentliche Verbrennung der Auflage ohne jeglichen Ersatz und endlich Sperrung
des Gewerbes auf ein ganzes Jahr waren als Strafe bestimmt.

In der Reformationszeit war es natürlich mit dieser Controle zu Ende,
und zwar um so mehr, je größer die Masse von Thesen. Briefen. Predigten.
Tractätchen, Flugschriften :c. war, die jetzt aller Orten in Umlauf gesetzt
wurden. Man verfiel darum auf ein anderes Mittel, man begann von den
verbotenen Büchern Verzeichnisse zusammenzustellen. Diese Verzeichnisse ent¬
halten meist das Decret der Inquisition, die dasselbe entworfen und in wel¬
chem die Strafen gegen dessen Verächter ausgesprochen sind; sodann die Na¬
men der Autoren, die als ketzerisch bekannt sind, und zuletzt die der Buch¬
drucker, aus deren Officin bereits Ketzerbücher hervorgegangen, und deren
künftige Publicationen, sie mögen behandeln was immer, unter die verbotenen


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[0147] Die römische Zndexcongregatwn. Unter diesem Titel ist im Verlag der lcntnerschen Buchhandlung zu Mün¬ chen eine Schrift erschienen, welche die oft genannte Obercensurbehörde der römischen Kirche vom Standpunkt eines freisinnigen Katholicismus, wie ihn Herausgeber und Mitarbeiter des frohschammerschen „Athenäums" Vertreten, historisch-kritisch beleuchtet. Da man auf Seiten der Ultramontanen gegen¬ wärtig auf jenes Institut ein besonderes Gewicht legt, andererseits aber von dessen eigentlichem Wesen und seiner Geschichte nur wenig bekannt ist. so mei¬ nen wir mit einem Auszug aus dieser Darstellung nicht unwillkommen zu sein. Das in der Ueberschrift genannte Büchergericht ist modernen Datums. Zwar kamen schon in der Urzeit der Kirche Bücherverbote vor, wie denn 325 n. Chr. das Buch „Thalia" von Arius für ketzerisch erklärt und 496 unter Papst Gelasius dem Ersten ein Verzeichnis) verbotener Schriften aufgestellt wurde. In¬ deß ging damals das Urtheil nicht von einer kleinen Anzahl Theologen, sondern von Kirchenversammlungen aus, und jener Index des Gelasius enthielt nicht nur verbotene, sondern auch erlaubte Bücher. Beim Entstehen der Buchdruckerkunst glaubte man dem Mißbrauch dersel¬ ben dadurch vorbeugen zu müssen, daß man die Druckereien der unmittelbaren bischöflichen Aussicht unterwarf, so daß kein Buch gedruckt werden durfte ohne ausdrückliche Genehmigung der bischöflichen Curie. Die Uebertreter dieser Ver¬ ordnungen wurden excommunicirt und mit Geldstrafen belegt; besonders die Verleger waren von letzteren schwer getroffen. Hundert Dukaten Strafgeld, öffentliche Verbrennung der Auflage ohne jeglichen Ersatz und endlich Sperrung des Gewerbes auf ein ganzes Jahr waren als Strafe bestimmt. In der Reformationszeit war es natürlich mit dieser Controle zu Ende, und zwar um so mehr, je größer die Masse von Thesen. Briefen. Predigten. Tractätchen, Flugschriften :c. war, die jetzt aller Orten in Umlauf gesetzt wurden. Man verfiel darum auf ein anderes Mittel, man begann von den verbotenen Büchern Verzeichnisse zusammenzustellen. Diese Verzeichnisse ent¬ halten meist das Decret der Inquisition, die dasselbe entworfen und in wel¬ chem die Strafen gegen dessen Verächter ausgesprochen sind; sodann die Na¬ men der Autoren, die als ketzerisch bekannt sind, und zuletzt die der Buch¬ drucker, aus deren Officin bereits Ketzerbücher hervorgegangen, und deren künftige Publicationen, sie mögen behandeln was immer, unter die verbotenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/147>, abgerufen am 15.01.2025.