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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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des Zeus, und waren je nach der Zahl der zugleich auftretenden Wettstreiter
mit gleichen Buchstaben bezeichnet, so daß z. B. beim Wettlaufe vier mit A>,
vier mit B. u. s. w. bezeichnete Loose vorhanden waren. Die Sieger aus
den einzelnen Abtheilungen hatten schließlich noch einmal mit einander zu
kämpfen, und beim Lause entschied sich hier der Sieg; bei den Ringern und
Faustkämpfern aber wiederholte sich natürlich das Loosen und der Zweikampf
so oft, bis nur ein einziges Paar über den endlichen Sieg zu kämpfen hatte.
Zuweilen war aber auch die Zahl der Loosenden ungleich, und ein Einzelner
blieb mit seinem Buchstaben isolirt. Dieses Loos erachtete man für ein Glück;
denn man hatte dann zu warten, bis alle Paare durchgekämpft hatten und
nahm es erst mit dem letzten Kämpfer auf, dem man seine noch vollen Kräfte
entgegensetzte. Freilich ist dabei zu bedenken, daß der aus mehren Kämpfen
bereits siegreich hervorgegangene Athlet voraussichtlich ein tüchtiger Kämpe war
und mit gesteigertem Muthe dem frischen Gegner sich stellte. Indem der Agonist
das Loos zog, rief er Zeus um Beistand an; dann hielt ihm aber ein daneben
stehender Peitschcnträger von der den Heilanvdcken zu Gebote stehenden Polizei
die Hand, damit er nicht eher seinen Buchstaben ansehen konnte, als bis alle
Uebrigen gezogen hatten. Der Wettlauf bestand zunächst in dem einsanken Durch¬
messen der Bahn von den Schranken bis zu dem halbrunden Endpunkte. Hier kam
es bei der verhältnißmäßigen Kürze des Wegs weniger auf die Ausdauer, als aus
die Schnelligkeit an. Deshalb sieht man auch auf Basenbildern die Wettläufer
mit weit ausgreifenden, schwebenden Füßen und gleichmäßig dazu die Luft durch¬
rudernden Armen dahin eilen. Man bemaß ferner die Tüchtigkeit des Läufers
nach den leichteren oder tieferen Eindrücken der Fußtapfen im Sande. Das Sta¬
dium liefen seit der siebenunddreißigstcn Olympiade auch Knaben, deren Sieger auf
den Inschriften stets den eigentlichen Stadioniken, nach denen die Olympiaden
gezählt wurden, vorangehen. In der vierzehnten Olympiade kam der Doppel¬
lauf hinzu, bei welchem die Läufer die Länge des Stadiums zweimal zurück¬
zulegen halten, indem sie von den Schranken bis zu dem Halbkreise und von
da bis zum Absprungspuntte zurückliefen. Zu diesem Zwecke standen der Länge
nach mitten im Stadium drei Spitzsäulen, die eine dem Anfange, die andere
dem Ende der Bahn zunächst, die dritte in der Mitte. Die erste trug die In¬
schrift: "Sei wacker!" die mittlere: "Beeile dich!" die dritte: "Wende um!"
Kam es bei dieser Gattung des Wettlaufs schon mehr darauf an, seine Kräfte
zu sparen und nicht zu rasch zu vergeuden, so war dies noch mehr der Fall
beim Langlauf, einem wirtlichen Dauerlauf, dem verschiedene Angaben eine
Länge von 7--24 Stadien zumessen. Im letzten Falle betrug der zu durch¬
laufende Raum mehr als eine halbe deutsche Meile, und man glaubt es gern
daß, wie Lukian sagt, viel Kraft und Athem dazu gehörte, diese Schwierigkeit
zu überwinden, weshalb auch das Wort "Langlauf" geradezu sprichwörtlich für


des Zeus, und waren je nach der Zahl der zugleich auftretenden Wettstreiter
mit gleichen Buchstaben bezeichnet, so daß z. B. beim Wettlaufe vier mit A>,
vier mit B. u. s. w. bezeichnete Loose vorhanden waren. Die Sieger aus
den einzelnen Abtheilungen hatten schließlich noch einmal mit einander zu
kämpfen, und beim Lause entschied sich hier der Sieg; bei den Ringern und
Faustkämpfern aber wiederholte sich natürlich das Loosen und der Zweikampf
so oft, bis nur ein einziges Paar über den endlichen Sieg zu kämpfen hatte.
Zuweilen war aber auch die Zahl der Loosenden ungleich, und ein Einzelner
blieb mit seinem Buchstaben isolirt. Dieses Loos erachtete man für ein Glück;
denn man hatte dann zu warten, bis alle Paare durchgekämpft hatten und
nahm es erst mit dem letzten Kämpfer auf, dem man seine noch vollen Kräfte
entgegensetzte. Freilich ist dabei zu bedenken, daß der aus mehren Kämpfen
bereits siegreich hervorgegangene Athlet voraussichtlich ein tüchtiger Kämpe war
und mit gesteigertem Muthe dem frischen Gegner sich stellte. Indem der Agonist
das Loos zog, rief er Zeus um Beistand an; dann hielt ihm aber ein daneben
stehender Peitschcnträger von der den Heilanvdcken zu Gebote stehenden Polizei
die Hand, damit er nicht eher seinen Buchstaben ansehen konnte, als bis alle
Uebrigen gezogen hatten. Der Wettlauf bestand zunächst in dem einsanken Durch¬
messen der Bahn von den Schranken bis zu dem halbrunden Endpunkte. Hier kam
es bei der verhältnißmäßigen Kürze des Wegs weniger auf die Ausdauer, als aus
die Schnelligkeit an. Deshalb sieht man auch auf Basenbildern die Wettläufer
mit weit ausgreifenden, schwebenden Füßen und gleichmäßig dazu die Luft durch¬
rudernden Armen dahin eilen. Man bemaß ferner die Tüchtigkeit des Läufers
nach den leichteren oder tieferen Eindrücken der Fußtapfen im Sande. Das Sta¬
dium liefen seit der siebenunddreißigstcn Olympiade auch Knaben, deren Sieger auf
den Inschriften stets den eigentlichen Stadioniken, nach denen die Olympiaden
gezählt wurden, vorangehen. In der vierzehnten Olympiade kam der Doppel¬
lauf hinzu, bei welchem die Läufer die Länge des Stadiums zweimal zurück¬
zulegen halten, indem sie von den Schranken bis zu dem Halbkreise und von
da bis zum Absprungspuntte zurückliefen. Zu diesem Zwecke standen der Länge
nach mitten im Stadium drei Spitzsäulen, die eine dem Anfange, die andere
dem Ende der Bahn zunächst, die dritte in der Mitte. Die erste trug die In¬
schrift: „Sei wacker!" die mittlere: „Beeile dich!" die dritte: „Wende um!"
Kam es bei dieser Gattung des Wettlaufs schon mehr darauf an, seine Kräfte
zu sparen und nicht zu rasch zu vergeuden, so war dies noch mehr der Fall
beim Langlauf, einem wirtlichen Dauerlauf, dem verschiedene Angaben eine
Länge von 7—24 Stadien zumessen. Im letzten Falle betrug der zu durch¬
laufende Raum mehr als eine halbe deutsche Meile, und man glaubt es gern
daß, wie Lukian sagt, viel Kraft und Athem dazu gehörte, diese Schwierigkeit
zu überwinden, weshalb auch das Wort „Langlauf" geradezu sprichwörtlich für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/96>, abgerufen am 28.07.2024.