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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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erlangte. Seitdem hieß Abyssinien, dem die Portugiesen später in seinen
Kämpfen mit dem Islam kräftig Hilfe leisteten, die in das siebzehnte Jahr¬
hundert hinein liognum ?i-L8bM!i'i ^mrimis.

Daher in unsrer Rabbinenfabel, die weder einen Legriff von Geographie
noch von asiatischer Geschichte hat. die weißen Aethiopier im Lande Prister-
Jan, daber die Lermengung Abyssiniens mit Ostasien, die Reise von Salonik
nach'Abyssinien und dann nach Kalkutta, welches bekanntlich erst um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts zu einigem Namen und Ansehen gelangte und 1630
noch gar nicht existirte.

Die weggeführten Stämme des Reichs Israel oder auch nur größere Reste
derselben sind nicht mehr zu finden. Sie haben sich aller Wahrscheinlichkeit
nach in Mesopotamien, Persien und Kurdistan zerstreut und sind in die dort
wohnenden Völker aufgegangen. Möglich ist, daß einige der in jenen Gegen¬
den aufgefundenen Sekten durch ihre Mitwirkung entstanden sind, vielleicht tru¬
gen ihre Neste auch dazu bei, daß die Schiiten sich rascher ausbreiteten und dem
orthodoxen Islam besser widerstanden. Die jetzt am Euphrat und in Persien
wohnenden Juden sind aus alle Fälle Nachkömmlinge späterer Einwanderer.

Unser Berichterstatter reist nun weiter nach Kalkutta zurück und von dort
nach dem Gebirge Chittim. hinter dem die vier Stämme Dan, Naphthali.-
Scbulon und Ascher wohnen, die ein großes Land besitzen und "in steter Fehde
mit dem König von Kusch oder Aethiopien liegen". Was er weiter von diesen
erzählt, übergehen wir, und ebenso müssen wir die seltsamen Nachrichten weg¬
lassen, die er von den Juden in Westindien mittheilt. Dagegen führen wir
noch einige Proben von den Sagen an, welche unter den.Rabbinen Jerusa¬
lems noch heute gelegentlich auftauchen und geglaubt werden.

Dem Rabbiner Joseph Schwarz erzählte ein indischer Derwisch, der als
Pilger nach Jerusalem gekommen, von einem großen jüdischen Reiche, das 120
Tagereisen von Kaschmir entfernt und rings von hohen Bergen umgeben ist,
durch welche nur ein Paß sührt. Die Hauptstadt heißt Ajulum. Sie hat
prächtige Paläste und Synagogen, und nur die Sklaven sind in ihr Nichtjuden.

Derselbe Rabbiner will folgende Geschichte gehört haben. Zu Anfang
dieses Jahrhunderts wechselte ein Derwisch in Damaskus Goldmünzen mit der
Umschrift "Unter der Regierung unsers Herrn des Königs Jizchak" aus. Ein
Jude fragte, woher er diese Münzen habe, und jener erzählte, wie,er mehre
Monate von Persien aus in südöstlicher Richtung gewandert und dann in ein
großes Reich mit einer prächtigen Hauptstadt gekommen sei. Durch seine Klei¬


versagt hatte. Nase und Ohren abschneiden und ihn aus dem Lande treiben ließ, ohne daß
ihm dies in den Augen des Volkes geschadet hätte. Im Gegentheil, dieser Kaiser wurde
später kanonisirt und ist noch jetzt ein Heiliger der avyssmischen Kirche.

erlangte. Seitdem hieß Abyssinien, dem die Portugiesen später in seinen
Kämpfen mit dem Islam kräftig Hilfe leisteten, die in das siebzehnte Jahr¬
hundert hinein liognum ?i-L8bM!i'i ^mrimis.

Daher in unsrer Rabbinenfabel, die weder einen Legriff von Geographie
noch von asiatischer Geschichte hat. die weißen Aethiopier im Lande Prister-
Jan, daber die Lermengung Abyssiniens mit Ostasien, die Reise von Salonik
nach'Abyssinien und dann nach Kalkutta, welches bekanntlich erst um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts zu einigem Namen und Ansehen gelangte und 1630
noch gar nicht existirte.

Die weggeführten Stämme des Reichs Israel oder auch nur größere Reste
derselben sind nicht mehr zu finden. Sie haben sich aller Wahrscheinlichkeit
nach in Mesopotamien, Persien und Kurdistan zerstreut und sind in die dort
wohnenden Völker aufgegangen. Möglich ist, daß einige der in jenen Gegen¬
den aufgefundenen Sekten durch ihre Mitwirkung entstanden sind, vielleicht tru¬
gen ihre Neste auch dazu bei, daß die Schiiten sich rascher ausbreiteten und dem
orthodoxen Islam besser widerstanden. Die jetzt am Euphrat und in Persien
wohnenden Juden sind aus alle Fälle Nachkömmlinge späterer Einwanderer.

Unser Berichterstatter reist nun weiter nach Kalkutta zurück und von dort
nach dem Gebirge Chittim. hinter dem die vier Stämme Dan, Naphthali.-
Scbulon und Ascher wohnen, die ein großes Land besitzen und „in steter Fehde
mit dem König von Kusch oder Aethiopien liegen". Was er weiter von diesen
erzählt, übergehen wir, und ebenso müssen wir die seltsamen Nachrichten weg¬
lassen, die er von den Juden in Westindien mittheilt. Dagegen führen wir
noch einige Proben von den Sagen an, welche unter den.Rabbinen Jerusa¬
lems noch heute gelegentlich auftauchen und geglaubt werden.

Dem Rabbiner Joseph Schwarz erzählte ein indischer Derwisch, der als
Pilger nach Jerusalem gekommen, von einem großen jüdischen Reiche, das 120
Tagereisen von Kaschmir entfernt und rings von hohen Bergen umgeben ist,
durch welche nur ein Paß sührt. Die Hauptstadt heißt Ajulum. Sie hat
prächtige Paläste und Synagogen, und nur die Sklaven sind in ihr Nichtjuden.

Derselbe Rabbiner will folgende Geschichte gehört haben. Zu Anfang
dieses Jahrhunderts wechselte ein Derwisch in Damaskus Goldmünzen mit der
Umschrift „Unter der Regierung unsers Herrn des Königs Jizchak" aus. Ein
Jude fragte, woher er diese Münzen habe, und jener erzählte, wie,er mehre
Monate von Persien aus in südöstlicher Richtung gewandert und dann in ein
großes Reich mit einer prächtigen Hauptstadt gekommen sei. Durch seine Klei¬


versagt hatte. Nase und Ohren abschneiden und ihn aus dem Lande treiben ließ, ohne daß
ihm dies in den Augen des Volkes geschadet hätte. Im Gegentheil, dieser Kaiser wurde
später kanonisirt und ist noch jetzt ein Heiliger der avyssmischen Kirche.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/80>, abgerufen am 01.09.2024.