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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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dung ausgefallen, sei er hier vor den König geführt worden, der ihn in persischer
Sprache gefragt habe, woher er komme und ob in seiner Heimath Juden woh¬
nen. Als er letzteres bejaht und dann übel von den Juden gesprochen, habe
er bemerkt, daß die Miene des Königs sich verfinstert, worauf er eingelenkt
habe und zu Lobsprüchen auf die Tugend und Frömmigkeit der vorher Ge¬
tadelten übergegangen sei. Darauf habe ihn der König gnädig verabschiedet
und ihm als Reisegeld ein paar hundert Goldstücke reichen lassen. Der Be¬
richterstatter des Rabbi Schwarz hatte einige von den letzteren selbst gesehen.
Sie waren vom feinsten Golde und etwa zwei Dukaten schwer.

Einem andern jerusalemer Juden, der meist nach Kalkutta reiste, wurde dort
Von einem Glaubensgenossen ein merkwürdiges Erlebnis; mitgetheilt. Derselbe
war als Kaufmann nach Birmah gereist. Dort vor einer Stadt angelangt,
durfte er. da Fremden der Eintritt nicht gestattet war, seine Waaren nur vor
den Thoren feilbieten. Da drängte sich ein Dieb an ihn, der ihn berauben
wollte. Der Kaufmann bemerkte dies und schlug nach ihm, und jener sank
todt zu Boden. Sofort wurde der Todtschläger von Bewaffneten ergriffen und
in die Stadt gebracht, wo ihn das Gericht zur Enthauptung verurtheilte. Schon
stand er auf dem Platze vor dem königlichen Schlosse auf dem Schaffet, als
der König, der zugesehen, ihn durch einen Wink begnadigte und ihm sogar ge¬
stattete, seine Waaren innerhalb der Stadt zu verkaufen. Bald erfuhr er den
Grund dieser glücklichen Wendung seines Geschicks. Das Land war einem
benachbarten Judenkönig tributpflichtig, und als der Kaufmann auf dem Schaffst
entkleidet worden, hatte der König der Stadt bemerkt, daß der arme Sünder
gleich den Kriegern seines mächtigen Nachbarn Schaufädcn an den Kleidern
trug. Er erkannte ihn sofort als Juden, und aus Furcht, seine Glaubens¬
genossen möchten seinen Tod räche", schenkte er ihm das Leben.

Sind alle diese Erzählungen von indischen und birmanischen Juden Fa¬
beln von nicht viel besserem Charakter als jene Phantasien von den goldreichen
Kindern Israel an dem frommen Wunderstrom Samvalion und der Reise dahin,
die von Salonik über Abyssinien nach "Kalkutta in China" ging, so liegt den
folgenden Berichten über Juden in Arabien offenbar ein Korn Wahrheit zu
Grunde, wenn auch eben nur ein Korn Wahrheit.

Zu Anfang unsres Jahrhunderts wurde von der Gemeinde Zcfat ein
Sendbote nach Uemen geschickt, um Almosen zu sammeln. In der Synagoge
von Zanaa lernte er einen fremden Mann kennen, der ihm durch seine edle
Gestalt und Gesichtsbildung sowie durch seine Kleidung auffiel. Er trug einen
weiten Mantel und auf dem Gürtel, der sein Untergewand zusammenhielt, las
man in hebräischer Schrift die Weissagung Jakobs: "Dan wird eine Schlange
werden auf dem Wege und eine Otter auf dem Steige." Man begegnete ihm mit
großer Ehrfurcht; denn es hieß, daß er ein Seher sei und geheime Zwiesprache


Grenzboten III. 1SS3. - 10

dung ausgefallen, sei er hier vor den König geführt worden, der ihn in persischer
Sprache gefragt habe, woher er komme und ob in seiner Heimath Juden woh¬
nen. Als er letzteres bejaht und dann übel von den Juden gesprochen, habe
er bemerkt, daß die Miene des Königs sich verfinstert, worauf er eingelenkt
habe und zu Lobsprüchen auf die Tugend und Frömmigkeit der vorher Ge¬
tadelten übergegangen sei. Darauf habe ihn der König gnädig verabschiedet
und ihm als Reisegeld ein paar hundert Goldstücke reichen lassen. Der Be¬
richterstatter des Rabbi Schwarz hatte einige von den letzteren selbst gesehen.
Sie waren vom feinsten Golde und etwa zwei Dukaten schwer.

Einem andern jerusalemer Juden, der meist nach Kalkutta reiste, wurde dort
Von einem Glaubensgenossen ein merkwürdiges Erlebnis; mitgetheilt. Derselbe
war als Kaufmann nach Birmah gereist. Dort vor einer Stadt angelangt,
durfte er. da Fremden der Eintritt nicht gestattet war, seine Waaren nur vor
den Thoren feilbieten. Da drängte sich ein Dieb an ihn, der ihn berauben
wollte. Der Kaufmann bemerkte dies und schlug nach ihm, und jener sank
todt zu Boden. Sofort wurde der Todtschläger von Bewaffneten ergriffen und
in die Stadt gebracht, wo ihn das Gericht zur Enthauptung verurtheilte. Schon
stand er auf dem Platze vor dem königlichen Schlosse auf dem Schaffet, als
der König, der zugesehen, ihn durch einen Wink begnadigte und ihm sogar ge¬
stattete, seine Waaren innerhalb der Stadt zu verkaufen. Bald erfuhr er den
Grund dieser glücklichen Wendung seines Geschicks. Das Land war einem
benachbarten Judenkönig tributpflichtig, und als der Kaufmann auf dem Schaffst
entkleidet worden, hatte der König der Stadt bemerkt, daß der arme Sünder
gleich den Kriegern seines mächtigen Nachbarn Schaufädcn an den Kleidern
trug. Er erkannte ihn sofort als Juden, und aus Furcht, seine Glaubens¬
genossen möchten seinen Tod räche», schenkte er ihm das Leben.

Sind alle diese Erzählungen von indischen und birmanischen Juden Fa¬
beln von nicht viel besserem Charakter als jene Phantasien von den goldreichen
Kindern Israel an dem frommen Wunderstrom Samvalion und der Reise dahin,
die von Salonik über Abyssinien nach „Kalkutta in China" ging, so liegt den
folgenden Berichten über Juden in Arabien offenbar ein Korn Wahrheit zu
Grunde, wenn auch eben nur ein Korn Wahrheit.

Zu Anfang unsres Jahrhunderts wurde von der Gemeinde Zcfat ein
Sendbote nach Uemen geschickt, um Almosen zu sammeln. In der Synagoge
von Zanaa lernte er einen fremden Mann kennen, der ihm durch seine edle
Gestalt und Gesichtsbildung sowie durch seine Kleidung auffiel. Er trug einen
weiten Mantel und auf dem Gürtel, der sein Untergewand zusammenhielt, las
man in hebräischer Schrift die Weissagung Jakobs: „Dan wird eine Schlange
werden auf dem Wege und eine Otter auf dem Steige." Man begegnete ihm mit
großer Ehrfurcht; denn es hieß, daß er ein Seher sei und geheime Zwiesprache


Grenzboten III. 1SS3. - 10
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/81>, abgerufen am 22.12.2024.