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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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bringen, und von dieser Zeit an scheint der Minister .'sich besonders zu dein
Poeten hingezogen gefühlt zu haben. Vermuthlich vollzog sich jetzt auch eine
Umwandlung in den politischen Ansichten des Letzteren, die ihm um so leichter
werden mußte, als er durch Geburt nicht der Aristokratenpartei angehörte, der
er sich früher zur Vertheidigung der Republik gegen das demokratische Kcuser-
thum angeschlossen hatte. Horaz machte seinen Frieden mit letzterem, doch auf
anständige Weise, die zugleich eine kluge Weise war. Erst nach der Schlagt
bei Antium begann er das Lob der neuen Aera in dithyrambischen Liedern zu
singen, und erst viel später feierte er den Cäsar Augustus in der Manier der
Hofdichter als "Sohn der Maja" und als einen "Himmelsbewohner in mensch¬
licher Gestalt".

Gleichfalls seiner Klugheit wird zuzuschreiben sein, daß er sich von zu
naher Berührung mit der Majestät fern zu halten wußte. Das Parquet ist
schlüpfrig, und so wies Horaz das Anerbieten des Kaisers, auf vertrautem
Fuß mit ihm umzugehen und sein Cabinctsrath zu werden, auf seine Manier
von sich. Endlich wird auch darin nur eine richtige Auffassung der Verhält¬
nisse zu erkennen sein, daß er wiederholte Aufforderungen, die Thaten des
Augustus zu einem Epos zu verarbeiten, ablehnte; denn einmal war sein
Talent kein episches, und dann waren jene Thaten kein Stoff für ein Helden¬
gedicht.

Ueberdies war Horaz kein Mann von lebhaftem Ehrgeiz und hochliegen-
den Bedürfnissen. Einfluß bei Hofe zu gewinnen lag ihm ebenso fern als Be¬
gier nach Reichthum. Ein friedliches, behagliches Stillleben auf eignem Besitz,
ein Gütchen "Ohncsorgen", Umgang mit gleichgestellten feingebildeten Freun¬
den und hübschen Freundinnen, gelegentlich eine Einladung zu dem vornehmen
Freunde am Hofe, wohl mehr der Ehre als des Vergnügens wegen, genügte ihm.
Und sein Wunsch wurde erfüllt. Etwa zwei Jahre vor der Schlacht bei Antium,
nach Herausgabe des ersten Buchs seiner Satiren, schenkte ihm Mäcenas das
anmuthig gelegene Landgut Sabinum. Ein Herrenhaus sammt Zubehör, fünf
von wohlhabenden Pächtern bewohnte Bauerngüter, deren Abgaben dem Be¬
sitzer ein reichliches Einkommen lieferten, das Ganze in einem schönen Thal mit
frischgrünen Wiesen, einem schattigen Eichenwald, einem klaren Bach (der
Digentia) gelegen, kühl und still, zum Studiren wie zum Naturgenuß gleich
passend geschaffen, dazu in den Trümmern eines Tempels der Vacuna ein
Stückchen landschaftliche Romantik, was ließ sich mehr begehren für ein genüg¬
sames Gemüth! So oft die Verhältnisse es gestatteten, entfloh er dem Stadt¬
treiben, um hierzu arbeiten oder in heiterer Gesellschaft das Leben zu genießen.

Horaz wird schwerlich rasch producirt haben. Doch folgte auf das erste Buch
seiner Satiren bald ein zweites und dann nach kurzem Zwischenraum eine Samm¬
lung Epoden. Beide neue Werke unterscheiden sich im Ton nicht unwesentlich


bringen, und von dieser Zeit an scheint der Minister .'sich besonders zu dein
Poeten hingezogen gefühlt zu haben. Vermuthlich vollzog sich jetzt auch eine
Umwandlung in den politischen Ansichten des Letzteren, die ihm um so leichter
werden mußte, als er durch Geburt nicht der Aristokratenpartei angehörte, der
er sich früher zur Vertheidigung der Republik gegen das demokratische Kcuser-
thum angeschlossen hatte. Horaz machte seinen Frieden mit letzterem, doch auf
anständige Weise, die zugleich eine kluge Weise war. Erst nach der Schlagt
bei Antium begann er das Lob der neuen Aera in dithyrambischen Liedern zu
singen, und erst viel später feierte er den Cäsar Augustus in der Manier der
Hofdichter als „Sohn der Maja" und als einen „Himmelsbewohner in mensch¬
licher Gestalt".

Gleichfalls seiner Klugheit wird zuzuschreiben sein, daß er sich von zu
naher Berührung mit der Majestät fern zu halten wußte. Das Parquet ist
schlüpfrig, und so wies Horaz das Anerbieten des Kaisers, auf vertrautem
Fuß mit ihm umzugehen und sein Cabinctsrath zu werden, auf seine Manier
von sich. Endlich wird auch darin nur eine richtige Auffassung der Verhält¬
nisse zu erkennen sein, daß er wiederholte Aufforderungen, die Thaten des
Augustus zu einem Epos zu verarbeiten, ablehnte; denn einmal war sein
Talent kein episches, und dann waren jene Thaten kein Stoff für ein Helden¬
gedicht.

Ueberdies war Horaz kein Mann von lebhaftem Ehrgeiz und hochliegen-
den Bedürfnissen. Einfluß bei Hofe zu gewinnen lag ihm ebenso fern als Be¬
gier nach Reichthum. Ein friedliches, behagliches Stillleben auf eignem Besitz,
ein Gütchen „Ohncsorgen", Umgang mit gleichgestellten feingebildeten Freun¬
den und hübschen Freundinnen, gelegentlich eine Einladung zu dem vornehmen
Freunde am Hofe, wohl mehr der Ehre als des Vergnügens wegen, genügte ihm.
Und sein Wunsch wurde erfüllt. Etwa zwei Jahre vor der Schlacht bei Antium,
nach Herausgabe des ersten Buchs seiner Satiren, schenkte ihm Mäcenas das
anmuthig gelegene Landgut Sabinum. Ein Herrenhaus sammt Zubehör, fünf
von wohlhabenden Pächtern bewohnte Bauerngüter, deren Abgaben dem Be¬
sitzer ein reichliches Einkommen lieferten, das Ganze in einem schönen Thal mit
frischgrünen Wiesen, einem schattigen Eichenwald, einem klaren Bach (der
Digentia) gelegen, kühl und still, zum Studiren wie zum Naturgenuß gleich
passend geschaffen, dazu in den Trümmern eines Tempels der Vacuna ein
Stückchen landschaftliche Romantik, was ließ sich mehr begehren für ein genüg¬
sames Gemüth! So oft die Verhältnisse es gestatteten, entfloh er dem Stadt¬
treiben, um hierzu arbeiten oder in heiterer Gesellschaft das Leben zu genießen.

Horaz wird schwerlich rasch producirt haben. Doch folgte auf das erste Buch
seiner Satiren bald ein zweites und dann nach kurzem Zwischenraum eine Samm¬
lung Epoden. Beide neue Werke unterscheiden sich im Ton nicht unwesentlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/513>, abgerufen am 21.12.2024.