Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.heißt, er wurde Secretär im Finanzministerium. Vor Armuth -- so nämlich Die ersten dichterischen Versuche unseres Finanzsecretärs machten Glück, ein¬ Etwa ein Jahr nach dem ersten Bekanntwerden mit Mäcenas begleitete heißt, er wurde Secretär im Finanzministerium. Vor Armuth — so nämlich Die ersten dichterischen Versuche unseres Finanzsecretärs machten Glück, ein¬ Etwa ein Jahr nach dem ersten Bekanntwerden mit Mäcenas begleitete <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115904"/> <p xml:id="ID_1567" prev="#ID_1566"> heißt, er wurde Secretär im Finanzministerium. Vor Armuth — so nämlich<lb/> ist die ironisch aufzufassende Stelle NsM. II., 2. 49 ff. abzukürzen — begann<lb/> e> zugleich Verse zu machen, nicht um des Brotes willen, auch nicht um sich<lb/> reiche Gönner zu erwerben; denn diese seine ersten lateinischen Poesien (in<lb/> griechischen hatte er sich schon in Athen versucht) waren Spottgedichte, die<lb/> theils Gebrechen der Zeit, theils einzelne Personen geißelten. An Stoff dazu<lb/> konnte es in diesen bösen Zeitläuften nicht fehlen. Die Bürgerkriege hatten<lb/> die römische Welt tief verdorben. Sie wimmelte von Glückspilzen, Geldprotzen,<lb/> Glücksrittern, Speichelleckern, Erbschleichern, Giftmischern und anderem vornehmen<lb/> und niedrigen Lumpenvolk. Treue und Redlichkeit waren. wo nicht zum Spott,<lb/> zur Seltenheit geworden, Geldhunger die Triebfeder alles Thuns, zügelloser<lb/> Luxus an der Tagesordnung. Da gewahrte man ein Individuum, welches<lb/> vor wenigen Jahre» noch den Skiavcnrock getragen hatte und jetzt als Oberst<lb/> im weiten Staatslleide die heilige Straße hinabstolzirte oder mit seinen Schim¬<lb/> meln sich auf der Via Appia bewundern ließ. Anderwärts begegnete man,<lb/> umgeben von einem Dienerschwarm, einem windigen Hofsänger, der sich mit<lb/> seinen Trillern Schätze ersungen, wie sie rechtschaffne Arbeit niemals zu ge¬<lb/> winnen hoffen durfte. Wieder anderswo traf der Blick auf einen Philosophen,<lb/> der die Kunst, sich aus feine Weise den Magen zu füllen als Wissenschaft<lb/> donirte, oder auf eine» andern von der Zunft, der sich, nachdem er sein Hab<lb/> und Gut mit Thorheiten verbracht, das saure Gesicht und den schmutzigen<lb/> Mantel des Stoikers angeschafft hatte, um als Sittenprediger die Welt zu<lb/> bessern. Wo man nur die Augen aufhob, überall hatte die bewegte Zeit<lb/> Schmutz und Hefe aufgewühlt, überall drängte sich in der Weltstadt die<lb/> gemeine Gier, das garstige Laster aus der ganzen damaligen Welt zu¬<lb/> sammen, um Kuppclsold zu gebe» oder zu verdienen. Selbst die Kunst, die<lb/> Wissenschaft, die Religion wurde zu solchen Zwecken in Anspruch genommen<lb/> und die letztere nicht am wenigsten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1568"> Die ersten dichterischen Versuche unseres Finanzsecretärs machten Glück, ein¬<lb/> zelne seiner Verse liefen in der ganzen Stadt um. Horaz gewann einen Namen<lb/> und die Bekanntschaft des Virgil und des Varius, die ihn ihrem Gönner, dem<lb/> Minister Mäcenas empfahlen. Dieser ließ ihn zu sich bescheiden, fand Gefallen<lb/> an ihm und nahm ihn infolge dessen im Frühling des Jahres 38 „in ami-<lb/> corum numeruln", das heißt, unter die Tafelrunde geistreicher Leute auf, die<lb/> er um sich versammelt hatte, eine Gesellschaft, die nicht nur der Neigung des<lb/> Ministers entsprach, sondern ohne Zweifel auch auf den Wunsch und im Sinne<lb/> Octavians zusammentrat, schrieb und dichtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1569" next="#ID_1570"> Etwa ein Jahr nach dem ersten Bekanntwerden mit Mäcenas begleitete<lb/> Horaz diesen mit Virgil und andern Herren jenes Kreises nach Brundusium,<lb/> eine Reise, die den Zweck hatte, eine Versöhnung mit Antonius zu Stande zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
heißt, er wurde Secretär im Finanzministerium. Vor Armuth — so nämlich
ist die ironisch aufzufassende Stelle NsM. II., 2. 49 ff. abzukürzen — begann
e> zugleich Verse zu machen, nicht um des Brotes willen, auch nicht um sich
reiche Gönner zu erwerben; denn diese seine ersten lateinischen Poesien (in
griechischen hatte er sich schon in Athen versucht) waren Spottgedichte, die
theils Gebrechen der Zeit, theils einzelne Personen geißelten. An Stoff dazu
konnte es in diesen bösen Zeitläuften nicht fehlen. Die Bürgerkriege hatten
die römische Welt tief verdorben. Sie wimmelte von Glückspilzen, Geldprotzen,
Glücksrittern, Speichelleckern, Erbschleichern, Giftmischern und anderem vornehmen
und niedrigen Lumpenvolk. Treue und Redlichkeit waren. wo nicht zum Spott,
zur Seltenheit geworden, Geldhunger die Triebfeder alles Thuns, zügelloser
Luxus an der Tagesordnung. Da gewahrte man ein Individuum, welches
vor wenigen Jahre» noch den Skiavcnrock getragen hatte und jetzt als Oberst
im weiten Staatslleide die heilige Straße hinabstolzirte oder mit seinen Schim¬
meln sich auf der Via Appia bewundern ließ. Anderwärts begegnete man,
umgeben von einem Dienerschwarm, einem windigen Hofsänger, der sich mit
seinen Trillern Schätze ersungen, wie sie rechtschaffne Arbeit niemals zu ge¬
winnen hoffen durfte. Wieder anderswo traf der Blick auf einen Philosophen,
der die Kunst, sich aus feine Weise den Magen zu füllen als Wissenschaft
donirte, oder auf eine» andern von der Zunft, der sich, nachdem er sein Hab
und Gut mit Thorheiten verbracht, das saure Gesicht und den schmutzigen
Mantel des Stoikers angeschafft hatte, um als Sittenprediger die Welt zu
bessern. Wo man nur die Augen aufhob, überall hatte die bewegte Zeit
Schmutz und Hefe aufgewühlt, überall drängte sich in der Weltstadt die
gemeine Gier, das garstige Laster aus der ganzen damaligen Welt zu¬
sammen, um Kuppclsold zu gebe» oder zu verdienen. Selbst die Kunst, die
Wissenschaft, die Religion wurde zu solchen Zwecken in Anspruch genommen
und die letztere nicht am wenigsten.
Die ersten dichterischen Versuche unseres Finanzsecretärs machten Glück, ein¬
zelne seiner Verse liefen in der ganzen Stadt um. Horaz gewann einen Namen
und die Bekanntschaft des Virgil und des Varius, die ihn ihrem Gönner, dem
Minister Mäcenas empfahlen. Dieser ließ ihn zu sich bescheiden, fand Gefallen
an ihm und nahm ihn infolge dessen im Frühling des Jahres 38 „in ami-
corum numeruln", das heißt, unter die Tafelrunde geistreicher Leute auf, die
er um sich versammelt hatte, eine Gesellschaft, die nicht nur der Neigung des
Ministers entsprach, sondern ohne Zweifel auch auf den Wunsch und im Sinne
Octavians zusammentrat, schrieb und dichtete.
Etwa ein Jahr nach dem ersten Bekanntwerden mit Mäcenas begleitete
Horaz diesen mit Virgil und andern Herren jenes Kreises nach Brundusium,
eine Reise, die den Zweck hatte, eine Versöhnung mit Antonius zu Stande zu
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |