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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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von seinen Erstlingsarbeiten. Namentlich zeigt ein Vergleich zwischen den
Satiren des ersten und des zweiten Buchs, daß sein Geschmack sich verändert
hatte, seine Sprache vornehmer, rücksichtsvoller und hofgerechter geworden war.
Jene -- man vergleiche die über Rupiiius und die über Cupiennius -- tragen
die Färbung der alten Komödie an sich, diese, mit Ausnahme der vorletzten,
wo aber der Dichter nicht selbst spricht, sondern den Sklaven Davus und zwar
mit der Narrenfreiheit der Saturnalien reden läßt, erinnern mehr an die Manie¬
ren der eorrwöäiii roof..

Ein größerer Umschwung trat in dem Dichter ein, als er sich den Jahren
näherte, wo der Römer ein Mann wurde. Um sein fünfunddreißigstes Jahr
weihte er sich der Lyrik höheren Stiles, der Ode und dem Liede, in denen
er sich durch schwungvolle und prägnante Sprache, zierliche BUder, glänzende
Gedanken und ein seines Gefühl für die Musik des Wortes allgemeine Be¬
wunderung errang. Die Mehrzahl dieser Gedichte sind Trink- und Liebeslieder,
Erinnerungen an Gelage mit funkelndem Falerner oder an Verhältnisse mit
Damen der römischen Deal-Monde, wie sie sich aus der Classe der Freigelasse¬
nen rekrutirte, und mit welcher zu verkehren damals so wenig entehrte wie
heutzutage im kaiserlichen Paris. Ein mittelalterlicher Mönch schrieb im Hin¬
blick auf den freien Ton, in welchem der Dichter seine Freude am Becher
und seine Glut sür Lydia und Pyrrha, für Glycera, Phyllis, Barine, Lalage
u. f. w. ausdrückt, an den Schluß seiner Abschrift der Gesänge des Horaz:
"Illo exiitieit äivwi I''1"cel, Venusim, viri vdiiosissimi, libickinosi, Uxieurg,<zj
volupwosiLsiwi." Es war aber sicher nicht so schlimm, wie sichs der gute
Klosterbruder vorstellte. Horaz war im Grunde eine maßvolle Natur, die dem
Wahlspruch folgte: "res sibi, iron suHunAerö rebus," und die wohl ge¬
legentlich mit guten Freunden eine kleine Orgie feierte, sich aber von grober
Ausschweifung fernhielt. Für gewöhnlich lebte er in sehr bescheidener Weise.
Seine Mahlzeit bestand aus ein paar Schüsseln Hülsenfrüchte oder Gemüse:
Erbsen, Lauch, Cichorien, Malvenkraut, dazu ein Gericht Laganum (Kuchen
von feinem Mehl mit einem Ragout), dazu einige Oliven und ein Becher
Landwein machten sein tägliches Mahl aus.

Außerdem legte er in einer Anzahl ethischer Poesien die Ergebnisse seiner
Meditationen über das Leben und die rechte Art zu leben nieder. Endlich
dichtete er politische Oden, in denen der frühere Republikaner völlig zum
Monarchisten bekehrt erscheint, der in der Alleinherrschaft der Cäsaren Roms
Heil und den Gipfel seines Glückes sieht. Ausgehend von der alten Vor¬
stellung, daß schwere Unglücksfälle die Vergeltung der auf der Nachkommen¬
schaft lastenden Schuld der Vorfahren seien, erblickt er in den Greueln der Bürger¬
kriege die Folge sür das von Rom vergossene Blut. Jetzt, da das Maß der
Rache voll, sendet Jupiter in Augustus einen Retter, der die begangne Misse-


von seinen Erstlingsarbeiten. Namentlich zeigt ein Vergleich zwischen den
Satiren des ersten und des zweiten Buchs, daß sein Geschmack sich verändert
hatte, seine Sprache vornehmer, rücksichtsvoller und hofgerechter geworden war.
Jene — man vergleiche die über Rupiiius und die über Cupiennius — tragen
die Färbung der alten Komödie an sich, diese, mit Ausnahme der vorletzten,
wo aber der Dichter nicht selbst spricht, sondern den Sklaven Davus und zwar
mit der Narrenfreiheit der Saturnalien reden läßt, erinnern mehr an die Manie¬
ren der eorrwöäiii roof..

Ein größerer Umschwung trat in dem Dichter ein, als er sich den Jahren
näherte, wo der Römer ein Mann wurde. Um sein fünfunddreißigstes Jahr
weihte er sich der Lyrik höheren Stiles, der Ode und dem Liede, in denen
er sich durch schwungvolle und prägnante Sprache, zierliche BUder, glänzende
Gedanken und ein seines Gefühl für die Musik des Wortes allgemeine Be¬
wunderung errang. Die Mehrzahl dieser Gedichte sind Trink- und Liebeslieder,
Erinnerungen an Gelage mit funkelndem Falerner oder an Verhältnisse mit
Damen der römischen Deal-Monde, wie sie sich aus der Classe der Freigelasse¬
nen rekrutirte, und mit welcher zu verkehren damals so wenig entehrte wie
heutzutage im kaiserlichen Paris. Ein mittelalterlicher Mönch schrieb im Hin¬
blick auf den freien Ton, in welchem der Dichter seine Freude am Becher
und seine Glut sür Lydia und Pyrrha, für Glycera, Phyllis, Barine, Lalage
u. f. w. ausdrückt, an den Schluß seiner Abschrift der Gesänge des Horaz:
„Illo exiitieit äivwi I''1»cel, Venusim, viri vdiiosissimi, libickinosi, Uxieurg,<zj
volupwosiLsiwi." Es war aber sicher nicht so schlimm, wie sichs der gute
Klosterbruder vorstellte. Horaz war im Grunde eine maßvolle Natur, die dem
Wahlspruch folgte: „res sibi, iron suHunAerö rebus," und die wohl ge¬
legentlich mit guten Freunden eine kleine Orgie feierte, sich aber von grober
Ausschweifung fernhielt. Für gewöhnlich lebte er in sehr bescheidener Weise.
Seine Mahlzeit bestand aus ein paar Schüsseln Hülsenfrüchte oder Gemüse:
Erbsen, Lauch, Cichorien, Malvenkraut, dazu ein Gericht Laganum (Kuchen
von feinem Mehl mit einem Ragout), dazu einige Oliven und ein Becher
Landwein machten sein tägliches Mahl aus.

Außerdem legte er in einer Anzahl ethischer Poesien die Ergebnisse seiner
Meditationen über das Leben und die rechte Art zu leben nieder. Endlich
dichtete er politische Oden, in denen der frühere Republikaner völlig zum
Monarchisten bekehrt erscheint, der in der Alleinherrschaft der Cäsaren Roms
Heil und den Gipfel seines Glückes sieht. Ausgehend von der alten Vor¬
stellung, daß schwere Unglücksfälle die Vergeltung der auf der Nachkommen¬
schaft lastenden Schuld der Vorfahren seien, erblickt er in den Greueln der Bürger¬
kriege die Folge sür das von Rom vergossene Blut. Jetzt, da das Maß der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/514>, abgerufen am 22.12.2024.