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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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steht Pietro beschämt ein, daß er zuvor davon gewußt hatte. Er entschuldigt
sich geradezu mit seinem Stolz, der ihm einflüsterte, das allein zu tilgen, was
er verschulden half. Aber der Kaiser spricht nachdrucksvoll: "es ist nicht gut,
daß du mir das verschweigst," und die nächste Folge ist. daß er Pietro für
die Misston nach Apulien den Thaddäus von Suessa an die Seite gibt, den¬
selben, auf welchen Pietro schon früher eifersüchtig war. Der Kaiser meint
begütigend: "für eine Schulter wär die Last zu schwer! du bleibst mir doch der
einzige Pietro; wer sollte Friedrich und Pietro trennen?" Allein dieser fühlt,
daß der Riß geschehen ist. Er empfindet die Kränkung, den Undank tief, und
indem ihm nun gleichzeitig vom Papst verlockende Anerbietungen gemacht wer¬
den, lebt er sich mehr und mehr in den Gedanken ein, sich eine selbständige
Geltung zu geben. Nicht daß er den Kaiser verrathen oder diesem Papste die¬
nen möchte. Aber der Plan reizt ihn, sich als Vermittler zwischen Papst und
Kaiser zu stellen, beiden damit gleich unentbehrlich zu werden, -- "dem Ge¬
danken will ich dienen, der mich emporhebt zwischen beide und der Willkür
steuert, wo sie sei, die glaubt, es sei die Welt für sie allein geschaffen." Man
sieht, dies war ursprünglich im Charakter des Pietro angelegt. Schon zu Lyon
hatte er seine Rolle so aufgefaßt, und nur die absolute Hartnäckigkeit des Pap¬
stes hatte sie undurchführbar gemacht. Allein jetzt erst, nachdem das gegen¬
seitige Mißtrauen begonnen, wird ein förmlicher Plan daraus. Dazu kommt
nun sofort ein weiteres, höchst wirksames Moment. Pietro fühlt sich als Ita¬
liener, der durch die Absichten Friedrichs aus eine engere Verbindung von Sici-
lien mit dem Reich nicht blos in seinem Rechtsbewußtsein, sondern auch in
seinem Nationalgefühl verletzt ist. Jener Gedanke, sich selbständig zwischen
Papst und Kaiser aufzuwerfen, bestimmt sich jetzt näher zu dem überlegten
Plan, mit Hilfe des Papstes und des apulischen Adels jene vertragswidrigen
Entwürfe des Kaisers zu hintertreiben und ihn auf die Linie des Rechts zurück-
zuzwingen, er schreibt deshalb dem Papst als Antwort:--"niemals, nie¬
mals soll der Deutsche nehmen, was Italiens ist, nie Deutsch- und Wälschland.
einem Herrn gehören, und gälts, durch ganz Italien den Aufruhr zu schüren
gegen solche Kaiserpläne!"

Da ist es denn nun fast zu viel, wenn noch ein ganz persönliches Motiv
hineingeworfen wird, Pietro gegen den Kaiser zu erbittern. Er belauscht näm¬
lich Friedrich, wie dieser Julia, die Gattin des Kanzlers, im Garten wandeln
sieht und in die Worte ausbricht: "Welch stolzes Weib! fürwahr. Italien besitzt
nicht zwei, die so besiegenswertl)!--Ein schönes Vorrecht, das Pietro
blieb! -- (Als hätte er einen Gedanken niedergekämpft.) Doch nie mit meinem
Knechte möcht' ich theilen." Es ist wahr, sowohl die Augenlust, die Friedrich
beim Anblick Julia"" empfindet, als die Verachtung Pietros als seines Knechts
liegen ganz im Charakter Friedrichs. Allein in dem ernsten Stadium, in wei-


steht Pietro beschämt ein, daß er zuvor davon gewußt hatte. Er entschuldigt
sich geradezu mit seinem Stolz, der ihm einflüsterte, das allein zu tilgen, was
er verschulden half. Aber der Kaiser spricht nachdrucksvoll: „es ist nicht gut,
daß du mir das verschweigst," und die nächste Folge ist. daß er Pietro für
die Misston nach Apulien den Thaddäus von Suessa an die Seite gibt, den¬
selben, auf welchen Pietro schon früher eifersüchtig war. Der Kaiser meint
begütigend: „für eine Schulter wär die Last zu schwer! du bleibst mir doch der
einzige Pietro; wer sollte Friedrich und Pietro trennen?" Allein dieser fühlt,
daß der Riß geschehen ist. Er empfindet die Kränkung, den Undank tief, und
indem ihm nun gleichzeitig vom Papst verlockende Anerbietungen gemacht wer¬
den, lebt er sich mehr und mehr in den Gedanken ein, sich eine selbständige
Geltung zu geben. Nicht daß er den Kaiser verrathen oder diesem Papste die¬
nen möchte. Aber der Plan reizt ihn, sich als Vermittler zwischen Papst und
Kaiser zu stellen, beiden damit gleich unentbehrlich zu werden, — „dem Ge¬
danken will ich dienen, der mich emporhebt zwischen beide und der Willkür
steuert, wo sie sei, die glaubt, es sei die Welt für sie allein geschaffen." Man
sieht, dies war ursprünglich im Charakter des Pietro angelegt. Schon zu Lyon
hatte er seine Rolle so aufgefaßt, und nur die absolute Hartnäckigkeit des Pap¬
stes hatte sie undurchführbar gemacht. Allein jetzt erst, nachdem das gegen¬
seitige Mißtrauen begonnen, wird ein förmlicher Plan daraus. Dazu kommt
nun sofort ein weiteres, höchst wirksames Moment. Pietro fühlt sich als Ita¬
liener, der durch die Absichten Friedrichs aus eine engere Verbindung von Sici-
lien mit dem Reich nicht blos in seinem Rechtsbewußtsein, sondern auch in
seinem Nationalgefühl verletzt ist. Jener Gedanke, sich selbständig zwischen
Papst und Kaiser aufzuwerfen, bestimmt sich jetzt näher zu dem überlegten
Plan, mit Hilfe des Papstes und des apulischen Adels jene vertragswidrigen
Entwürfe des Kaisers zu hintertreiben und ihn auf die Linie des Rechts zurück-
zuzwingen, er schreibt deshalb dem Papst als Antwort:--„niemals, nie¬
mals soll der Deutsche nehmen, was Italiens ist, nie Deutsch- und Wälschland.
einem Herrn gehören, und gälts, durch ganz Italien den Aufruhr zu schüren
gegen solche Kaiserpläne!"

Da ist es denn nun fast zu viel, wenn noch ein ganz persönliches Motiv
hineingeworfen wird, Pietro gegen den Kaiser zu erbittern. Er belauscht näm¬
lich Friedrich, wie dieser Julia, die Gattin des Kanzlers, im Garten wandeln
sieht und in die Worte ausbricht: „Welch stolzes Weib! fürwahr. Italien besitzt
nicht zwei, die so besiegenswertl)!--Ein schönes Vorrecht, das Pietro
blieb! — (Als hätte er einen Gedanken niedergekämpft.) Doch nie mit meinem
Knechte möcht' ich theilen." Es ist wahr, sowohl die Augenlust, die Friedrich
beim Anblick Julia«» empfindet, als die Verachtung Pietros als seines Knechts
liegen ganz im Charakter Friedrichs. Allein in dem ernsten Stadium, in wei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/386>, abgerufen am 01.09.2024.