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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Es wird kaum nöthig sein hier hinzuzufügen, daß der oben erwähnte
S. Michael derselbe ist. der als Ur. 318 die Gallerie des Louvre schmückt. Was
den in Rede stehenden Carton betrifft, so ist darüber nichts weiter bekannt und
derselbe wahrscheinlich verloren gegangen. Alfonzo hatte bald darauf Gelegen-
heit das Original selbst zu sehen, da er im November 1518 nach Paris ging,
um persönlich mit Franz dem Ersten wegen Wiedererlangung von Modena und
Reggio zu unterhandeln, die ihm zu Folge einer in Bologna 1516 abgeschlosse¬
nen Stipulation vom Papst zurückerstattet werden sollten, -- eine Zusage, die
nie in Erfüllung ging.

Das Bild des Erzengels scheint indessen nicht solchen Eindruck auf ihn ge¬
macht zu haben als das Porträt Johannas von Arragonien (Ur. 348 der
Gallerie des Louvre), das der damalige Legat in Frankreich, Cardinal Bibiena,
von Rafael erhalten hatte.

Der Herzog war in der That so von der Schönheit dieses Porträts frap-
pirt, daß er am 18. Dec. 1518 seinem Secretär in Ferrara, Obizzo Remo, den
Auftrag gab, an Costabili zu schreiben, damit dieser Rafael um den Carton
zu dem Porträt der Vicekönigin von Neapel ersuche.

Am 19. Februar 1519 antwortet der Bischof'von Adria, indem er den
verlangten Carton sendet, daß Rafael denselben nicht allein bereitwillig her¬
gegeben, sondern (was wohl so viel bedeuten soll, als daß das vom Herzog
bestellte Bild immer noch nicht angefangen war) auch hinzugefügt habe, daß
er, wenn Se. Excellenz es wünsche,,die Zeichnung gern in Oel malen wolle.
Während des ganzen Jahres 1519 und trotz Rafaels gefälliger Abtretung des
Cartons, drängt der Herzog auf Ausführung seines Bildes. Ein Brief Costabilis
vom 17. Februar 1619 enthält eine abermalige Ausrede des Meisters, die diesmal
dahin lautet, daß er zu sehr mit perspectivischen Studien beschäftigt sei, womit
er wahrscheinlich die architektonischen Arbeiten für Papst Leo den Zehnten meinte.

Inzwischen erkrankte Costabili und zwar so heftig, daß er schon im folgen¬
den Juni starb. Im April schreibt ihm der Herzog: "Da wir in Erfahrung
gebracht haben, daß Ew. Hockwürden Rafael nicht mehr an das gegebene Ver¬
sprechen mahnen können, und da es Euch ungelegen sein würde, denselben in
dieser Absicht zu besuchen, so haben wir deshalb an Pauluzzo geschrieben, daß
er diese Sache in die Hand nehme, weil er augenblicklich besser dazu geeignet
ist, häufige Besuche zu machen." Dieser Pauluzzo war, wie der Marquis
Campori berichtet, einer der herzoglichen Secretäre, der als Attache dem Bischof
von Adria beigegeben war und dessen zeitweiser Nachfolger wurde. Die erwähn¬
ten Documente bringen mit großer Ausführlichkeit die Jnstructionen zur Kennt¬
niß, die der neue Bevollmächtigte erhielt, um Rafael des Gemäldes wegen zu
bearbeiten und namentlich auch indirecte Mittel z. B. den Einfluß Monsignore
Cibos, eines Freundes Rafaels, auf letzteren anzuwenden.


Es wird kaum nöthig sein hier hinzuzufügen, daß der oben erwähnte
S. Michael derselbe ist. der als Ur. 318 die Gallerie des Louvre schmückt. Was
den in Rede stehenden Carton betrifft, so ist darüber nichts weiter bekannt und
derselbe wahrscheinlich verloren gegangen. Alfonzo hatte bald darauf Gelegen-
heit das Original selbst zu sehen, da er im November 1518 nach Paris ging,
um persönlich mit Franz dem Ersten wegen Wiedererlangung von Modena und
Reggio zu unterhandeln, die ihm zu Folge einer in Bologna 1516 abgeschlosse¬
nen Stipulation vom Papst zurückerstattet werden sollten, — eine Zusage, die
nie in Erfüllung ging.

Das Bild des Erzengels scheint indessen nicht solchen Eindruck auf ihn ge¬
macht zu haben als das Porträt Johannas von Arragonien (Ur. 348 der
Gallerie des Louvre), das der damalige Legat in Frankreich, Cardinal Bibiena,
von Rafael erhalten hatte.

Der Herzog war in der That so von der Schönheit dieses Porträts frap-
pirt, daß er am 18. Dec. 1518 seinem Secretär in Ferrara, Obizzo Remo, den
Auftrag gab, an Costabili zu schreiben, damit dieser Rafael um den Carton
zu dem Porträt der Vicekönigin von Neapel ersuche.

Am 19. Februar 1519 antwortet der Bischof'von Adria, indem er den
verlangten Carton sendet, daß Rafael denselben nicht allein bereitwillig her¬
gegeben, sondern (was wohl so viel bedeuten soll, als daß das vom Herzog
bestellte Bild immer noch nicht angefangen war) auch hinzugefügt habe, daß
er, wenn Se. Excellenz es wünsche,,die Zeichnung gern in Oel malen wolle.
Während des ganzen Jahres 1519 und trotz Rafaels gefälliger Abtretung des
Cartons, drängt der Herzog auf Ausführung seines Bildes. Ein Brief Costabilis
vom 17. Februar 1619 enthält eine abermalige Ausrede des Meisters, die diesmal
dahin lautet, daß er zu sehr mit perspectivischen Studien beschäftigt sei, womit
er wahrscheinlich die architektonischen Arbeiten für Papst Leo den Zehnten meinte.

Inzwischen erkrankte Costabili und zwar so heftig, daß er schon im folgen¬
den Juni starb. Im April schreibt ihm der Herzog: „Da wir in Erfahrung
gebracht haben, daß Ew. Hockwürden Rafael nicht mehr an das gegebene Ver¬
sprechen mahnen können, und da es Euch ungelegen sein würde, denselben in
dieser Absicht zu besuchen, so haben wir deshalb an Pauluzzo geschrieben, daß
er diese Sache in die Hand nehme, weil er augenblicklich besser dazu geeignet
ist, häufige Besuche zu machen." Dieser Pauluzzo war, wie der Marquis
Campori berichtet, einer der herzoglichen Secretäre, der als Attache dem Bischof
von Adria beigegeben war und dessen zeitweiser Nachfolger wurde. Die erwähn¬
ten Documente bringen mit großer Ausführlichkeit die Jnstructionen zur Kennt¬
niß, die der neue Bevollmächtigte erhielt, um Rafael des Gemäldes wegen zu
bearbeiten und namentlich auch indirecte Mittel z. B. den Einfluß Monsignore
Cibos, eines Freundes Rafaels, auf letzteren anzuwenden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/32>, abgerufen am 22.12.2024.