Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.so lange kann die Flamme jeden Augenblick neu ausschlagen. Mögen wir uns Es werden also noch immerfort solche vorbereitet und trotz der immer Vor einigen Tagen stand in Inowraclaw ein Werbcofsizier, der "Mühlengnts- so lange kann die Flamme jeden Augenblick neu ausschlagen. Mögen wir uns Es werden also noch immerfort solche vorbereitet und trotz der immer Vor einigen Tagen stand in Inowraclaw ein Werbcofsizier, der „Mühlengnts- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115708"/> <p xml:id="ID_862" prev="#ID_861"> so lange kann die Flamme jeden Augenblick neu ausschlagen. Mögen wir uns<lb/> also jenes classischen Artikels der Daily News von ganzem Herzen freuen, wel¬<lb/> cher uns einen Blick in die enteilte eorciis-is der Westmächte gönnt, so dürfen<lb/> wir uns nicht verschweigen, daß die diplomatische Action jeden Augenblick durch<lb/> neue Vorgänge neuen Aufschwung erhalten kann. Ob es jetzt in Warschau<lb/> selbst zum Aufruhr kommen werde, wie hier oder da vorausgesagt wird, kann<lb/> im Boraus kein Mensch wissen, es weiß das heute kaum die Nationalregierung<lb/> selbst. Daß aber die Russen dort noch immer nicht Herren sind, hat die Er¬<lb/> mordung der Familie Wichert in einem von der Polizei bewachten Hause wieder<lb/> deutlich bewiesen. Auch Edmund von Taczanowski, dessen Umzingelung und<lb/> bevorstehende Vernichtung bereits gemeldet war, scheint sich seinen Drängern<lb/> wieder entzogen zu haben. Hätte doch dieser Mann die Energie, die er jetzt<lb/> sowohl gegen die Nüssen wie gegen seine Behörde entwickelt, in der Verwal¬<lb/> tung seines Vermögens gezeigt, er brauchte nicht ein geächtetes, flüchtiges Haupt<lb/> unter mannigfachem Drange hier und dorthin zu tragen. Jetzt steht er hart<lb/> an der Grenze, um die Zuzüge aus dem Großherzogthum leicht ausnehmen zu<lb/> können.</p><lb/> <p xml:id="ID_863"> Es werden also noch immerfort solche vorbereitet und trotz der immer<lb/> strengeren Sorgfalt unserer Garnisonen gelangen auch noch täglich Einzelne,<lb/> noch häufig ganze Trupps über die Grenze. Es sollen erst vor Kurzem sowohl<lb/> von Labischiu,. d. i. im bromberger Departement als von Santomysl im pv-<lb/> sencr aus Zuzüge glücklich ans Ziel gelangt sein. Der letztere war beritten.</p><lb/> <p xml:id="ID_864" next="#ID_865"> Vor einigen Tagen stand in Inowraclaw ein Werbcofsizier, der „Mühlengnts-<lb/> besitzerssohn" Michael Budzinsti, vor Gericht. Die Verhandlung, welche sich<lb/> um die Deutung des §. 111 unseres Strafgesetzbuches bewegte, war interessant<lb/> genug. §, 111 lautet: „Wer einen Preußen zum Militärdienste fremder Mächte<lb/> anwirbt oder den Werbern der letztern zuführt--wird mit Gefängniß von<lb/> drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch dieser Handlungen<lb/> wird mit der nämlichen Strafe belegt." Budzinski war überführt und gestän¬<lb/> dig — um es in seiner Sprache auszudrücken, den erschienenen Belastungs¬<lb/> zeugen den Weg nach Polen über Sukowy angegeben, auch ihnen mitgetheilt<lb/> zu haben, daß sie dort Kleidung, Waffen und Lohn bekommen würden. Er<lb/> bestritt aber, daß darauf der §. 111 Anwendung finde. Dies zu beweisen war<lb/> die Aufgabe des Staatsanwaltes, der namentlich die Begriffe der Werbung und<lb/> der fremden Macht zu bestimmen hatte. Er stellte nicht in Abrede, daß das Wort:<lb/> anwerben keinen so vagen Sinn habe, wie reizen, verleiten und Verwandtes; den¬<lb/> noch sei die Form der Werbung im Laufe der Zeiten eine so verschiedne gewesen,<lb/> sie habe oft in der einfachen Darreichung eines Militärdienstkleides, einer Mütze<lb/> etwa, keineswegs immer in einem ordentlichen Vertrage bestanden; selten endlich<lb/> seien so viele Neqmsite derselben, wie der Angeklagte eingeräumt, vereinigt gewesen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
so lange kann die Flamme jeden Augenblick neu ausschlagen. Mögen wir uns
also jenes classischen Artikels der Daily News von ganzem Herzen freuen, wel¬
cher uns einen Blick in die enteilte eorciis-is der Westmächte gönnt, so dürfen
wir uns nicht verschweigen, daß die diplomatische Action jeden Augenblick durch
neue Vorgänge neuen Aufschwung erhalten kann. Ob es jetzt in Warschau
selbst zum Aufruhr kommen werde, wie hier oder da vorausgesagt wird, kann
im Boraus kein Mensch wissen, es weiß das heute kaum die Nationalregierung
selbst. Daß aber die Russen dort noch immer nicht Herren sind, hat die Er¬
mordung der Familie Wichert in einem von der Polizei bewachten Hause wieder
deutlich bewiesen. Auch Edmund von Taczanowski, dessen Umzingelung und
bevorstehende Vernichtung bereits gemeldet war, scheint sich seinen Drängern
wieder entzogen zu haben. Hätte doch dieser Mann die Energie, die er jetzt
sowohl gegen die Nüssen wie gegen seine Behörde entwickelt, in der Verwal¬
tung seines Vermögens gezeigt, er brauchte nicht ein geächtetes, flüchtiges Haupt
unter mannigfachem Drange hier und dorthin zu tragen. Jetzt steht er hart
an der Grenze, um die Zuzüge aus dem Großherzogthum leicht ausnehmen zu
können.
Es werden also noch immerfort solche vorbereitet und trotz der immer
strengeren Sorgfalt unserer Garnisonen gelangen auch noch täglich Einzelne,
noch häufig ganze Trupps über die Grenze. Es sollen erst vor Kurzem sowohl
von Labischiu,. d. i. im bromberger Departement als von Santomysl im pv-
sencr aus Zuzüge glücklich ans Ziel gelangt sein. Der letztere war beritten.
Vor einigen Tagen stand in Inowraclaw ein Werbcofsizier, der „Mühlengnts-
besitzerssohn" Michael Budzinsti, vor Gericht. Die Verhandlung, welche sich
um die Deutung des §. 111 unseres Strafgesetzbuches bewegte, war interessant
genug. §, 111 lautet: „Wer einen Preußen zum Militärdienste fremder Mächte
anwirbt oder den Werbern der letztern zuführt--wird mit Gefängniß von
drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch dieser Handlungen
wird mit der nämlichen Strafe belegt." Budzinski war überführt und gestän¬
dig — um es in seiner Sprache auszudrücken, den erschienenen Belastungs¬
zeugen den Weg nach Polen über Sukowy angegeben, auch ihnen mitgetheilt
zu haben, daß sie dort Kleidung, Waffen und Lohn bekommen würden. Er
bestritt aber, daß darauf der §. 111 Anwendung finde. Dies zu beweisen war
die Aufgabe des Staatsanwaltes, der namentlich die Begriffe der Werbung und
der fremden Macht zu bestimmen hatte. Er stellte nicht in Abrede, daß das Wort:
anwerben keinen so vagen Sinn habe, wie reizen, verleiten und Verwandtes; den¬
noch sei die Form der Werbung im Laufe der Zeiten eine so verschiedne gewesen,
sie habe oft in der einfachen Darreichung eines Militärdienstkleides, einer Mütze
etwa, keineswegs immer in einem ordentlichen Vertrage bestanden; selten endlich
seien so viele Neqmsite derselben, wie der Angeklagte eingeräumt, vereinigt gewesen.
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