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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Von der polnischen Grenze.

Während die Schlesische Zeitung in ihrem Leitartikel vom 14. d. dem pol¬
nischen Aufstande bereits die Leichenrede hält, meldet uns das Posener Frem¬
denblatt vom 13., daß Mr. Birkbek als Reporter der Saturday ReView,
Mr. Clark von der Morning Post und Mr. Laurent für das Journal des De-
bats in Sterns Hotel an der Wilhelmsstraße Quartier genommen haben. Zu¬
nächst heiße ich diese Herren willkommen. Wir freuen uns ihres Besuches.
Wir dürfen es; denn unser Gewissen ist rein, und wer mit eigenem unbefan¬
genem Auge sehen will, der wird sich hier leicht zurecht finden, wird sich bald über¬
zeugen, aus welcher Seite das höhere Recht stehe. Dafür aber, daß diese
Gäste nicht mit dem Uebermuth eines Montalembert sich zu Lehrern Europas
aufwerfen werden, ohne auch nur mit einem deutschen Bewohner unseres Lan¬
des hier über die Dinge gesprochen zu haben, bürgt uns der Charakter der
Blätter, in deren Dienste sie hier sind. Noch weniger haben wir von ihnen
jene heillose Frivolität zu fürchten, die von Zürich aus eine halbdeutsche
Provinz, wo allerdings "die Deutschen die Städte gegründet und das Land
urbar gemacht haben," zu verschenken auräth, ein Land, das der Urheber dieses
Vorschlages -- ich meine Herrn Jacob Venedey -- nicht einmal betreten hat.
Wie gesagt: ich erwarte Besseres von jenen Fremden, als von dem Lands¬
mann, der wenige Wochen nach dem Erscheinen seines niedrigen Schriftchens die
Stirn hat, als Redner auf dem Turnfeste sich unter die Besten der Nation zu
mischen. Doch lassen wir ihn und verleihen seiner Brochüre nicht durch un¬
sere Polemik eine Bedeutung, die sie ohne selbige nicht haben würde.

Allerdings wäre es das Einfachste und Natürlichste, von denen Belehrung
zu nehmen, die hier mit arbeiten, kämpfen und leiden; da aber diese zuerst träge
schweigen, und da einmal ^das Werk des lemberger Timescorrespondenten
das. beiläufig gesagt, neben wenigen Ungenauigkeiten viel Wahres und Tref¬
fendes enthält -- mehr Beachtung findet, als dieselbe Mittheilung erlangen
würde, wenn sie aus deutscher Feder geflossen wäre, so haben wir den Blät¬
tern zu danken, welche neue Korrespondenten zu uns schickten,' und es wird die
Sache unserer Deutschen sein, für ihre Instruction zu sorgen; die Polen wer¬
den es nicht fehlen lassen. -- Jedenfalls müssen doch jene Zeitschriften die
Meinung nicht theilen, daß es im Nachbarlande bald zur Ruhe kommen werde.
Auch mir scheint diese Erwartung verfrüht. So lange der Funke noch glüht,


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Von der polnischen Grenze.

Während die Schlesische Zeitung in ihrem Leitartikel vom 14. d. dem pol¬
nischen Aufstande bereits die Leichenrede hält, meldet uns das Posener Frem¬
denblatt vom 13., daß Mr. Birkbek als Reporter der Saturday ReView,
Mr. Clark von der Morning Post und Mr. Laurent für das Journal des De-
bats in Sterns Hotel an der Wilhelmsstraße Quartier genommen haben. Zu¬
nächst heiße ich diese Herren willkommen. Wir freuen uns ihres Besuches.
Wir dürfen es; denn unser Gewissen ist rein, und wer mit eigenem unbefan¬
genem Auge sehen will, der wird sich hier leicht zurecht finden, wird sich bald über¬
zeugen, aus welcher Seite das höhere Recht stehe. Dafür aber, daß diese
Gäste nicht mit dem Uebermuth eines Montalembert sich zu Lehrern Europas
aufwerfen werden, ohne auch nur mit einem deutschen Bewohner unseres Lan¬
des hier über die Dinge gesprochen zu haben, bürgt uns der Charakter der
Blätter, in deren Dienste sie hier sind. Noch weniger haben wir von ihnen
jene heillose Frivolität zu fürchten, die von Zürich aus eine halbdeutsche
Provinz, wo allerdings „die Deutschen die Städte gegründet und das Land
urbar gemacht haben," zu verschenken auräth, ein Land, das der Urheber dieses
Vorschlages — ich meine Herrn Jacob Venedey — nicht einmal betreten hat.
Wie gesagt: ich erwarte Besseres von jenen Fremden, als von dem Lands¬
mann, der wenige Wochen nach dem Erscheinen seines niedrigen Schriftchens die
Stirn hat, als Redner auf dem Turnfeste sich unter die Besten der Nation zu
mischen. Doch lassen wir ihn und verleihen seiner Brochüre nicht durch un¬
sere Polemik eine Bedeutung, die sie ohne selbige nicht haben würde.

Allerdings wäre es das Einfachste und Natürlichste, von denen Belehrung
zu nehmen, die hier mit arbeiten, kämpfen und leiden; da aber diese zuerst träge
schweigen, und da einmal ^das Werk des lemberger Timescorrespondenten
das. beiläufig gesagt, neben wenigen Ungenauigkeiten viel Wahres und Tref¬
fendes enthält — mehr Beachtung findet, als dieselbe Mittheilung erlangen
würde, wenn sie aus deutscher Feder geflossen wäre, so haben wir den Blät¬
tern zu danken, welche neue Korrespondenten zu uns schickten,' und es wird die
Sache unserer Deutschen sein, für ihre Instruction zu sorgen; die Polen wer¬
den es nicht fehlen lassen. — Jedenfalls müssen doch jene Zeitschriften die
Meinung nicht theilen, daß es im Nachbarlande bald zur Ruhe kommen werde.
Auch mir scheint diese Erwartung verfrüht. So lange der Funke noch glüht,


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[0315] Von der polnischen Grenze. Während die Schlesische Zeitung in ihrem Leitartikel vom 14. d. dem pol¬ nischen Aufstande bereits die Leichenrede hält, meldet uns das Posener Frem¬ denblatt vom 13., daß Mr. Birkbek als Reporter der Saturday ReView, Mr. Clark von der Morning Post und Mr. Laurent für das Journal des De- bats in Sterns Hotel an der Wilhelmsstraße Quartier genommen haben. Zu¬ nächst heiße ich diese Herren willkommen. Wir freuen uns ihres Besuches. Wir dürfen es; denn unser Gewissen ist rein, und wer mit eigenem unbefan¬ genem Auge sehen will, der wird sich hier leicht zurecht finden, wird sich bald über¬ zeugen, aus welcher Seite das höhere Recht stehe. Dafür aber, daß diese Gäste nicht mit dem Uebermuth eines Montalembert sich zu Lehrern Europas aufwerfen werden, ohne auch nur mit einem deutschen Bewohner unseres Lan¬ des hier über die Dinge gesprochen zu haben, bürgt uns der Charakter der Blätter, in deren Dienste sie hier sind. Noch weniger haben wir von ihnen jene heillose Frivolität zu fürchten, die von Zürich aus eine halbdeutsche Provinz, wo allerdings „die Deutschen die Städte gegründet und das Land urbar gemacht haben," zu verschenken auräth, ein Land, das der Urheber dieses Vorschlages — ich meine Herrn Jacob Venedey — nicht einmal betreten hat. Wie gesagt: ich erwarte Besseres von jenen Fremden, als von dem Lands¬ mann, der wenige Wochen nach dem Erscheinen seines niedrigen Schriftchens die Stirn hat, als Redner auf dem Turnfeste sich unter die Besten der Nation zu mischen. Doch lassen wir ihn und verleihen seiner Brochüre nicht durch un¬ sere Polemik eine Bedeutung, die sie ohne selbige nicht haben würde. Allerdings wäre es das Einfachste und Natürlichste, von denen Belehrung zu nehmen, die hier mit arbeiten, kämpfen und leiden; da aber diese zuerst träge schweigen, und da einmal ^das Werk des lemberger Timescorrespondenten das. beiläufig gesagt, neben wenigen Ungenauigkeiten viel Wahres und Tref¬ fendes enthält — mehr Beachtung findet, als dieselbe Mittheilung erlangen würde, wenn sie aus deutscher Feder geflossen wäre, so haben wir den Blät¬ tern zu danken, welche neue Korrespondenten zu uns schickten,' und es wird die Sache unserer Deutschen sein, für ihre Instruction zu sorgen; die Polen wer¬ den es nicht fehlen lassen. — Jedenfalls müssen doch jene Zeitschriften die Meinung nicht theilen, daß es im Nachbarlande bald zur Ruhe kommen werde. Auch mir scheint diese Erwartung verfrüht. So lange der Funke noch glüht, 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/315>, abgerufen am 22.12.2024.