Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.meint, daß sie nicht blos zu äußerer, sondern auch zu innerer Selbständigkeit Am Nachmittag beschloß ein Kür- und Wettturnen auf dem Platze vor Der vierte Tag des Festes galt der Erinnerung an die große Siegesschlacht Selten sprach edle Leidenschaft in so edler Form. Niemals vorher hatte meint, daß sie nicht blos zu äußerer, sondern auch zu innerer Selbständigkeit Am Nachmittag beschloß ein Kür- und Wettturnen auf dem Platze vor Der vierte Tag des Festes galt der Erinnerung an die große Siegesschlacht Selten sprach edle Leidenschaft in so edler Form. Niemals vorher hatte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115670"/> <p xml:id="ID_770" prev="#ID_769"> meint, daß sie nicht blos zu äußerer, sondern auch zu innerer Selbständigkeit<lb/> erziehe, daß sie granitne Charaktere, politische Helden bilde, In Sachsen we¬<lb/> nigstens ist ihr das bis jetzt nicht gelungen, obwohl sie hier ihr Erziehertalcnt<lb/> in mehr Pereinen und seit längerer Zeit hätte zeigen können, als irgendwo<lb/> anders, und obwohl es hier mehr noth gethan hätte als in vielen der übrigen<lb/> Landschaften deutschen Bodens. Wäre sie, was der Redner sie sein ließ, so<lb/> hätte die Praxis des „praktischen Staatsmannes" schon längst Feiertage be¬<lb/> kommen oder mindestens andere Bahnen einschlagen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_771"> Am Nachmittag beschloß ein Kür- und Wettturnen auf dem Platze vor<lb/> der Halle den turnerischen Theil der Feier, wobei in Wettlauf, Steinstoßen,<lb/> Hoch- und Weitsprung wiederum Preisenswerthes geleistet wurde, und unter<lb/> Anderm einer der deutschen Athleten, Schiegel aus München, einen schweren<lb/> Stein, dem Vernehmen nach von 33 Pfunden, achtzehn Schuh weit schleu¬<lb/> derte, eine Strecke, welche die Fußkraft des Armstarken dann in mächtigem<lb/> Sprunge durchmaß. Ein Hesse, Haunstein aus Gießen, und ein Deutsch¬<lb/> böhme, Weiß aus Asch, thaten es ihm fast gleich. Sieger im Hochspringen<lb/> waren Olibock aus Aetzen in Hannover, der 62 Zoll hoch sprang, Tick aus<lb/> Eßlingen und Lücke aus Hamburg. Die drei schnellsten Läufer waren sämmt¬<lb/> lich Preußen, und zwar nahm unter ihnen Bethmann aus Merseburg, der in<lb/> 26 Secunden etwa 600 Fuß zurücklegte, den ersten Rang ein. Die beiden<lb/> andern waren Pannenberg aus Berlin und Wolkenberg ebendaher. An die<lb/> Sieger wurden Kränze vertheilt, eine schöne Sitte, die weiterer Ausbildung<lb/> fähig ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_772"> Der vierte Tag des Festes galt der Erinnerung an die große Siegesschlacht<lb/> im October des Jahres dreizehn. Wieder ordnete sich ein stolzer Zug. dem sich<lb/> diesmal auch die leipziger Gesangvereine anschlössen. Wieder lächelte die Sonne<lb/> vom blauen Himmel auf ein Boll in Feierkleidern, auf eine Stadt im herr¬<lb/> lichsten Hochzeitsschmuck. Böllerschüsse verkündeten nach Eintreffen des Zugs<lb/> auf dem Festplatz deu Beginn der Feierlichkeit. Die Musik spielte einen<lb/> Jnstrumentalsatz. Die Sängerchöre trugen die „Wacht am Rhein" und Kör¬<lb/> ners Schwerllied vor. Dann bestieg der Festredner Professor v. Treitschke<lb/> die am Steigerhaus angebrachte Tribüne. Lautlose Stille empfing ihn, un¬<lb/> ermeßliches Hochrufen erschallte, als er endigte.</p><lb/> <p xml:id="ID_773"> Selten sprach edle Leidenschaft in so edler Form. Niemals vorher hatte<lb/> man im alten Leipzig so gedankenreiche, so wahrheitsgewaitige, so tief in die<lb/> innersten Gründe der Seele einschlagende Rede vernommen. Nie krönte ein<lb/> schönes Fest ein schönerer Schluß. Wie Sonnenschein ergoß es sich über die<lb/> Zuhörer, wenn der Redner den Siegesgang der Bäter pries, wie fröhliches<lb/> Frühlingswehcn ging es über die Menge, wenn er das wachsende Deutschland<lb/> rühmte, wie Gewittersturm wirkte sein Wort, wenn er ausrief:</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
meint, daß sie nicht blos zu äußerer, sondern auch zu innerer Selbständigkeit
erziehe, daß sie granitne Charaktere, politische Helden bilde, In Sachsen we¬
nigstens ist ihr das bis jetzt nicht gelungen, obwohl sie hier ihr Erziehertalcnt
in mehr Pereinen und seit längerer Zeit hätte zeigen können, als irgendwo
anders, und obwohl es hier mehr noth gethan hätte als in vielen der übrigen
Landschaften deutschen Bodens. Wäre sie, was der Redner sie sein ließ, so
hätte die Praxis des „praktischen Staatsmannes" schon längst Feiertage be¬
kommen oder mindestens andere Bahnen einschlagen müssen.
Am Nachmittag beschloß ein Kür- und Wettturnen auf dem Platze vor
der Halle den turnerischen Theil der Feier, wobei in Wettlauf, Steinstoßen,
Hoch- und Weitsprung wiederum Preisenswerthes geleistet wurde, und unter
Anderm einer der deutschen Athleten, Schiegel aus München, einen schweren
Stein, dem Vernehmen nach von 33 Pfunden, achtzehn Schuh weit schleu¬
derte, eine Strecke, welche die Fußkraft des Armstarken dann in mächtigem
Sprunge durchmaß. Ein Hesse, Haunstein aus Gießen, und ein Deutsch¬
böhme, Weiß aus Asch, thaten es ihm fast gleich. Sieger im Hochspringen
waren Olibock aus Aetzen in Hannover, der 62 Zoll hoch sprang, Tick aus
Eßlingen und Lücke aus Hamburg. Die drei schnellsten Läufer waren sämmt¬
lich Preußen, und zwar nahm unter ihnen Bethmann aus Merseburg, der in
26 Secunden etwa 600 Fuß zurücklegte, den ersten Rang ein. Die beiden
andern waren Pannenberg aus Berlin und Wolkenberg ebendaher. An die
Sieger wurden Kränze vertheilt, eine schöne Sitte, die weiterer Ausbildung
fähig ist.
Der vierte Tag des Festes galt der Erinnerung an die große Siegesschlacht
im October des Jahres dreizehn. Wieder ordnete sich ein stolzer Zug. dem sich
diesmal auch die leipziger Gesangvereine anschlössen. Wieder lächelte die Sonne
vom blauen Himmel auf ein Boll in Feierkleidern, auf eine Stadt im herr¬
lichsten Hochzeitsschmuck. Böllerschüsse verkündeten nach Eintreffen des Zugs
auf dem Festplatz deu Beginn der Feierlichkeit. Die Musik spielte einen
Jnstrumentalsatz. Die Sängerchöre trugen die „Wacht am Rhein" und Kör¬
ners Schwerllied vor. Dann bestieg der Festredner Professor v. Treitschke
die am Steigerhaus angebrachte Tribüne. Lautlose Stille empfing ihn, un¬
ermeßliches Hochrufen erschallte, als er endigte.
Selten sprach edle Leidenschaft in so edler Form. Niemals vorher hatte
man im alten Leipzig so gedankenreiche, so wahrheitsgewaitige, so tief in die
innersten Gründe der Seele einschlagende Rede vernommen. Nie krönte ein
schönes Fest ein schönerer Schluß. Wie Sonnenschein ergoß es sich über die
Zuhörer, wenn der Redner den Siegesgang der Bäter pries, wie fröhliches
Frühlingswehcn ging es über die Menge, wenn er das wachsende Deutschland
rühmte, wie Gewittersturm wirkte sein Wort, wenn er ausrief:
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