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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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"An uns ist es, das Werk unsrer Vater zu vollenden und auf dem Bo¬
den, den ihr Heldenmuth uns neu geschenkt hat. jenes einige Reich zu gründen,
das nur als ein blasses Bild der Sehnsucht vor ihrer Seele schwebte. In unsre
Hand ist es gegeben, dem großen Geschlechte, das hier blutete, die Unsterblich¬
keit zu sichern, wenn wir uns bewahren den tapfern, treuen, vaterländischen
Geist der Väter und diesen Geist fortbilden mit der wachsenden Zeit und ihren
wachsenden Forderungen. Als die herrliche Schlacht hier tobte, da erneuten
sich Thaten, die von der Geschichte der Welt zuvor nur einmal gesehen waren,
unter den Griechen, und die seitdem als eine wundervolle Sage fortlebten von
Jahrhundert zu Jahrhundert unter den staunenden Menschen. Bei den Deut¬
schen lebte wieder auf das markerschütternde Lied, das der griechische Dichter
sang am Tage der Schlacht bei Salamis: O ihr Söhne der Hellenen, kommt,
befreit das Vaterland, befreiet Weib und Kind! Jetzt gilt es einen Kampf für
Alles! -- Laßt es nicht von uns heißen wie von dem großen Griechenvolke:
die Väter retteten alle Schätze reiner Menschenbildung vor dem fremden Er¬
oberer, die Söhne aber gingen schmachvoll zu Grunde, weil sie nicht ver¬
mochten Zucht und Recht und Frieden zu halten ans dem befreiten Boden.
Nein, diese blühende Jugend- und Männcrtruft, die sich prächtig zusammen¬
fand in unsrer gastlichen Stadt, ein erhebendes Bild von dem Adel und der
Stärke unseres Volkes, sie wird das Werk 'unsrer Väter nicht zu Schanden
machen lassen. Sie wild helfen, es zu vollenden. Die Zeit ist dahin, für
immer dahin, wo der Wille der Höfe allein die Geschicke dieses großen Lan¬
des bestimmte. Auch der Geringste unter uns ist heute berufen, mitzuwirken
an der Arbeit unsrer politische" Erziehung, auch der Geringste ladet eure
schwere Schuld auf seine Seele, wenn er dieser heiligen Pflicht sich feig
versagt."

Und wie die Stimmung, von Schwörenden kam es über die weite Ver¬
sammlung, als^der Redner schloß:

"Deutsche, geliebte Landsleute! Ihr, die ihr wohnet, wo die Thürme von
Lübeck und die weißen Felsen von Arkona dem heimwärts segelnden deutschen
Seemann dre Nähe seines Landes künden, und ihr Mannen, die ihr daheim
seid, wo die schweizer Alpen sich spiegeln in dem schwäbischen Meere, und ihr,
deren Wiege stand, wo die graue Pfalz aus dem Rheine steigt und in der
Neujahrsnacht des großen Krieges Vater Blücher den deutschen Strom über¬
brückte^), ihr Alle, weß Stammes, weß Gaues ihr seid, stimmet ein in den
Ruf: Es lebe Deutschland!"



") Politikern, welche es verdrossen hat, daß bei dieser Schlußapostrophe der deutsche"
Brüder aus Oestreich vergessen worden, wird es vielleicht zur Beruhigung gereichen, wenn wir
daran erinnern, daß der bregenzer Wald, der sich ebenfalls im schwäbischen Meere spiegelt,
zu den k. k. Staaten gehört.

„An uns ist es, das Werk unsrer Vater zu vollenden und auf dem Bo¬
den, den ihr Heldenmuth uns neu geschenkt hat. jenes einige Reich zu gründen,
das nur als ein blasses Bild der Sehnsucht vor ihrer Seele schwebte. In unsre
Hand ist es gegeben, dem großen Geschlechte, das hier blutete, die Unsterblich¬
keit zu sichern, wenn wir uns bewahren den tapfern, treuen, vaterländischen
Geist der Väter und diesen Geist fortbilden mit der wachsenden Zeit und ihren
wachsenden Forderungen. Als die herrliche Schlacht hier tobte, da erneuten
sich Thaten, die von der Geschichte der Welt zuvor nur einmal gesehen waren,
unter den Griechen, und die seitdem als eine wundervolle Sage fortlebten von
Jahrhundert zu Jahrhundert unter den staunenden Menschen. Bei den Deut¬
schen lebte wieder auf das markerschütternde Lied, das der griechische Dichter
sang am Tage der Schlacht bei Salamis: O ihr Söhne der Hellenen, kommt,
befreit das Vaterland, befreiet Weib und Kind! Jetzt gilt es einen Kampf für
Alles! — Laßt es nicht von uns heißen wie von dem großen Griechenvolke:
die Väter retteten alle Schätze reiner Menschenbildung vor dem fremden Er¬
oberer, die Söhne aber gingen schmachvoll zu Grunde, weil sie nicht ver¬
mochten Zucht und Recht und Frieden zu halten ans dem befreiten Boden.
Nein, diese blühende Jugend- und Männcrtruft, die sich prächtig zusammen¬
fand in unsrer gastlichen Stadt, ein erhebendes Bild von dem Adel und der
Stärke unseres Volkes, sie wird das Werk 'unsrer Väter nicht zu Schanden
machen lassen. Sie wild helfen, es zu vollenden. Die Zeit ist dahin, für
immer dahin, wo der Wille der Höfe allein die Geschicke dieses großen Lan¬
des bestimmte. Auch der Geringste unter uns ist heute berufen, mitzuwirken
an der Arbeit unsrer politische« Erziehung, auch der Geringste ladet eure
schwere Schuld auf seine Seele, wenn er dieser heiligen Pflicht sich feig
versagt."

Und wie die Stimmung, von Schwörenden kam es über die weite Ver¬
sammlung, als^der Redner schloß:

„Deutsche, geliebte Landsleute! Ihr, die ihr wohnet, wo die Thürme von
Lübeck und die weißen Felsen von Arkona dem heimwärts segelnden deutschen
Seemann dre Nähe seines Landes künden, und ihr Mannen, die ihr daheim
seid, wo die schweizer Alpen sich spiegeln in dem schwäbischen Meere, und ihr,
deren Wiege stand, wo die graue Pfalz aus dem Rheine steigt und in der
Neujahrsnacht des großen Krieges Vater Blücher den deutschen Strom über¬
brückte^), ihr Alle, weß Stammes, weß Gaues ihr seid, stimmet ein in den
Ruf: Es lebe Deutschland!"



") Politikern, welche es verdrossen hat, daß bei dieser Schlußapostrophe der deutsche»
Brüder aus Oestreich vergessen worden, wird es vielleicht zur Beruhigung gereichen, wenn wir
daran erinnern, daß der bregenzer Wald, der sich ebenfalls im schwäbischen Meere spiegelt,
zu den k. k. Staaten gehört.
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[0279] „An uns ist es, das Werk unsrer Vater zu vollenden und auf dem Bo¬ den, den ihr Heldenmuth uns neu geschenkt hat. jenes einige Reich zu gründen, das nur als ein blasses Bild der Sehnsucht vor ihrer Seele schwebte. In unsre Hand ist es gegeben, dem großen Geschlechte, das hier blutete, die Unsterblich¬ keit zu sichern, wenn wir uns bewahren den tapfern, treuen, vaterländischen Geist der Väter und diesen Geist fortbilden mit der wachsenden Zeit und ihren wachsenden Forderungen. Als die herrliche Schlacht hier tobte, da erneuten sich Thaten, die von der Geschichte der Welt zuvor nur einmal gesehen waren, unter den Griechen, und die seitdem als eine wundervolle Sage fortlebten von Jahrhundert zu Jahrhundert unter den staunenden Menschen. Bei den Deut¬ schen lebte wieder auf das markerschütternde Lied, das der griechische Dichter sang am Tage der Schlacht bei Salamis: O ihr Söhne der Hellenen, kommt, befreit das Vaterland, befreiet Weib und Kind! Jetzt gilt es einen Kampf für Alles! — Laßt es nicht von uns heißen wie von dem großen Griechenvolke: die Väter retteten alle Schätze reiner Menschenbildung vor dem fremden Er¬ oberer, die Söhne aber gingen schmachvoll zu Grunde, weil sie nicht ver¬ mochten Zucht und Recht und Frieden zu halten ans dem befreiten Boden. Nein, diese blühende Jugend- und Männcrtruft, die sich prächtig zusammen¬ fand in unsrer gastlichen Stadt, ein erhebendes Bild von dem Adel und der Stärke unseres Volkes, sie wird das Werk 'unsrer Väter nicht zu Schanden machen lassen. Sie wild helfen, es zu vollenden. Die Zeit ist dahin, für immer dahin, wo der Wille der Höfe allein die Geschicke dieses großen Lan¬ des bestimmte. Auch der Geringste unter uns ist heute berufen, mitzuwirken an der Arbeit unsrer politische« Erziehung, auch der Geringste ladet eure schwere Schuld auf seine Seele, wenn er dieser heiligen Pflicht sich feig versagt." Und wie die Stimmung, von Schwörenden kam es über die weite Ver¬ sammlung, als^der Redner schloß: „Deutsche, geliebte Landsleute! Ihr, die ihr wohnet, wo die Thürme von Lübeck und die weißen Felsen von Arkona dem heimwärts segelnden deutschen Seemann dre Nähe seines Landes künden, und ihr Mannen, die ihr daheim seid, wo die schweizer Alpen sich spiegeln in dem schwäbischen Meere, und ihr, deren Wiege stand, wo die graue Pfalz aus dem Rheine steigt und in der Neujahrsnacht des großen Krieges Vater Blücher den deutschen Strom über¬ brückte^), ihr Alle, weß Stammes, weß Gaues ihr seid, stimmet ein in den Ruf: Es lebe Deutschland!" ") Politikern, welche es verdrossen hat, daß bei dieser Schlußapostrophe der deutsche» Brüder aus Oestreich vergessen worden, wird es vielleicht zur Beruhigung gereichen, wenn wir daran erinnern, daß der bregenzer Wald, der sich ebenfalls im schwäbischen Meere spiegelt, zu den k. k. Staaten gehört.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/279>, abgerufen am 01.09.2024.