Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.ziger Vereins. Derselbe begab sich von seinem Sammelplatz ohne Prunk Bei dem Festmahl, welches sich diesem Schauspiel anschloß, gab es wie¬ Von den übrigen Reden erwähnen wir nur die von Dr. Schaffrath aus, Das Mitgetheilte genügt, um den "praktischen Staatsmann" zu kenn¬ ziger Vereins. Derselbe begab sich von seinem Sammelplatz ohne Prunk Bei dem Festmahl, welches sich diesem Schauspiel anschloß, gab es wie¬ Von den übrigen Reden erwähnen wir nur die von Dr. Schaffrath aus, Das Mitgetheilte genügt, um den „praktischen Staatsmann" zu kenn¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115669"/> <p xml:id="ID_766" prev="#ID_765"> ziger Vereins. Derselbe begab sich von seinem Sammelplatz ohne Prunk<lb/> und auf dem kürzesten Wege an Ort und Stelle und bewährte hier in Frei¬<lb/> übungen, Riegen- und Geräthturnen seinen alten Ruf glänzender Fertigkeit in<lb/> allen Zweigen seiner .Kunst.</p><lb/> <p xml:id="ID_767"> Bei dem Festmahl, welches sich diesem Schauspiel anschloß, gab es wie¬<lb/> der eine gute Anzahl schwungvoller Reden. Man trank auf „die reine, echte,<lb/> rechte Festfreude". Ein Rendsburger toastete auf ein „einiges, freies, mäch¬<lb/> tiges Deutschland". Lecher aus Wien forderte zu einem Hoch auf das preu¬<lb/> ßische Abgeordnetenhaus und auf das preußische Volk auf, das so treu zu sei¬<lb/> nen Vertretern stehe. Parrisius aus Brandenburg dankte dasür und ließ schlie߬<lb/> lich die Freiheit leben. Auch Jacob Venedey ließ sich mit einem Toast hören.</p><lb/> <p xml:id="ID_768"> Von den übrigen Reden erwähnen wir nur die von Dr. Schaffrath aus,<lb/> Dresden, welche die Turnerei als „Bildungsschule von Charakteren" pries,<lb/> „die unbekümmert um die Gunst von oben oder unten das einmal für recht<lb/> und wahr Erkannte auch bekennen und vertheidigen, welche ihre Meinungen<lb/> und Grundsätze nicht wie ein Kleid je nach der Witterung wechseln, wie manche<lb/> sogenannte praktische Staatsmänner, die erst die deutschen Grundrechte publi-<lb/> ciren und sie schon nach einem Jahre wieder aufheben, dann eine lange Reihe<lb/> von Jahren arge Reaction treiben und jetzt wieder die Liberalen spielen; die<lb/> den Beitritt zum deutschen Bundesstaat verheißen und zu dessen Herbeiführung<lb/> Bündnisse eingehen, bald darauf von diesen wieder zurücktreten und den letzten<lb/> Rest der deutschen Einheitsbestrebungen zu unterdrücken suchen, beim endlichen<lb/> Wiedererwachen derselben aber den Nativnalvercin für gesetzwidrig erklären und<lb/> verbieten möchten, wenn sie nur könnten" u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_769" next="#ID_770"> Das Mitgetheilte genügt, um den „praktischen Staatsmann" zu kenn¬<lb/> zeichnen, welchem der Redner hier ein Mißtrauensvotum ausstellte. Rauschen¬<lb/> der Beifall unterbrach die einzelnen Sätze seiner Charakteristik. Zwar rief eine<lb/> Stimme auch! „das gehört nicht hierher" uns ein paar „wohlgesinnte" Ano¬<lb/> nymi im Tageblatte schlössen sich dem scheltend an. Allein wenn von Politik<lb/> beim Fest zu reden ungehörig gewesen wäre, so hätte Herr v. Beust zuerst sol¬<lb/> cher Ungeherigkeit sich schuldig gemacht. Ebenso steht es mit dem ferneren<lb/> Vorwurf, nach welchem es unedel gewesen sein sollte, gegen den Abwesenden<lb/> zu eifern, während man vor dem Anwesenden geschwiegen. Dr. Schaffrath hatte<lb/> einfach nicht sofort nach der ministeriellen Sonntagöredc sprechen können,<lb/> weil ihm die Fcstordnung das Wort nicht gegeben. Eine dritte Meinung, die<lb/> dahin ging, daß man die Polemik gegen Herrn v. Beust einem bekannten ber¬<lb/> liner Pritschcnmeister hätte überlassen sollen, möchte Einiges für sich haben,<lb/> muß aber von uns, die wir keine Liebhaber von Schroffheiten sind, abgelehnt<lb/> werden. Dagegen scheint uns eine andere Ausstellung an der Rede Schaffraths<lb/> gerechtfertigt. Dieselbe denkt offenbar zu hoch von der Turncrei, wenn sie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
ziger Vereins. Derselbe begab sich von seinem Sammelplatz ohne Prunk
und auf dem kürzesten Wege an Ort und Stelle und bewährte hier in Frei¬
übungen, Riegen- und Geräthturnen seinen alten Ruf glänzender Fertigkeit in
allen Zweigen seiner .Kunst.
Bei dem Festmahl, welches sich diesem Schauspiel anschloß, gab es wie¬
der eine gute Anzahl schwungvoller Reden. Man trank auf „die reine, echte,
rechte Festfreude". Ein Rendsburger toastete auf ein „einiges, freies, mäch¬
tiges Deutschland". Lecher aus Wien forderte zu einem Hoch auf das preu¬
ßische Abgeordnetenhaus und auf das preußische Volk auf, das so treu zu sei¬
nen Vertretern stehe. Parrisius aus Brandenburg dankte dasür und ließ schlie߬
lich die Freiheit leben. Auch Jacob Venedey ließ sich mit einem Toast hören.
Von den übrigen Reden erwähnen wir nur die von Dr. Schaffrath aus,
Dresden, welche die Turnerei als „Bildungsschule von Charakteren" pries,
„die unbekümmert um die Gunst von oben oder unten das einmal für recht
und wahr Erkannte auch bekennen und vertheidigen, welche ihre Meinungen
und Grundsätze nicht wie ein Kleid je nach der Witterung wechseln, wie manche
sogenannte praktische Staatsmänner, die erst die deutschen Grundrechte publi-
ciren und sie schon nach einem Jahre wieder aufheben, dann eine lange Reihe
von Jahren arge Reaction treiben und jetzt wieder die Liberalen spielen; die
den Beitritt zum deutschen Bundesstaat verheißen und zu dessen Herbeiführung
Bündnisse eingehen, bald darauf von diesen wieder zurücktreten und den letzten
Rest der deutschen Einheitsbestrebungen zu unterdrücken suchen, beim endlichen
Wiedererwachen derselben aber den Nativnalvercin für gesetzwidrig erklären und
verbieten möchten, wenn sie nur könnten" u. s. w.
Das Mitgetheilte genügt, um den „praktischen Staatsmann" zu kenn¬
zeichnen, welchem der Redner hier ein Mißtrauensvotum ausstellte. Rauschen¬
der Beifall unterbrach die einzelnen Sätze seiner Charakteristik. Zwar rief eine
Stimme auch! „das gehört nicht hierher" uns ein paar „wohlgesinnte" Ano¬
nymi im Tageblatte schlössen sich dem scheltend an. Allein wenn von Politik
beim Fest zu reden ungehörig gewesen wäre, so hätte Herr v. Beust zuerst sol¬
cher Ungeherigkeit sich schuldig gemacht. Ebenso steht es mit dem ferneren
Vorwurf, nach welchem es unedel gewesen sein sollte, gegen den Abwesenden
zu eifern, während man vor dem Anwesenden geschwiegen. Dr. Schaffrath hatte
einfach nicht sofort nach der ministeriellen Sonntagöredc sprechen können,
weil ihm die Fcstordnung das Wort nicht gegeben. Eine dritte Meinung, die
dahin ging, daß man die Polemik gegen Herrn v. Beust einem bekannten ber¬
liner Pritschcnmeister hätte überlassen sollen, möchte Einiges für sich haben,
muß aber von uns, die wir keine Liebhaber von Schroffheiten sind, abgelehnt
werden. Dagegen scheint uns eine andere Ausstellung an der Rede Schaffraths
gerechtfertigt. Dieselbe denkt offenbar zu hoch von der Turncrei, wenn sie
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