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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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des Wortes kann man sagen, das; sich das Fest zuletzt in allgemeines Wohl¬
gefallen auflöste.

Im Folgenden geben wir zunächst einige Nachträge, um dann den Verlauf
der Feier von dem Augenblick an, wo der große Aufzug des Montags die
Stadt verließ, bis zu Ende zu schildern.

Das Turnerparlament, welches am Sonntag im Schützenhaus berieth,
machte, von Georgii aus Eßlingen mit Geschick und Festigkeit geleitet, den
besten Eindruck. Auch der Streit, der über eine Stelle in der Turnerstatistik
Hirths auszubrechen drohte, wurde von dem Vorsitzenden glücklich beseitigt,
indem er den dort ausgesprochenen Tadel über das Benehmen der hcmauer
Turner im Jahr 1849 als zu herb bezeichnete. Im Uebrigen erfuhr man, daß
seit Zusammenstellung jener verdienstlichen Arbeit, also seit etwa einem Jahre,
nicht nur eine sehr beträchtliche Zahl neuer Turnvereine entstanden sind, son¬
dern auch die Mitglieder der alten sich bedeutend vermehrt haben. Im Jahre vor
dem ersten allgemeinen deutschen Turnfeste in Koburg gab es nur 234 Turn¬
vereine, das folgende Jahr ließ 253, das nächste 474 neue dazu treten; jetzt
zählt man nicht weniger als 1.701 Vereine, und während der Census der
deutschen Turngenossen am 1. Juli 1862 nach Hu'ess Angabe 134,307 betrug,
delciuft er sich gegenwärtig auf circa 170,000. Wir meinen, daß ein so mäch¬
tiges Anschwellen der Sache, welches vor Allem durch die Turnfeste bewirkt
wurde. Manchem nicht in die Rechnung passen wird, Allen aber zu denken gibt.

Schließlich wurde im Turntage die Frage nach dem nächsten Festorte ent¬
schieden, indem man sich für Nürnberg erklärte, wohin denn auch dem Vernehmen
nach schon die große Halle des leipziger Festplatzes verkauft worden ist, die näch¬
stens in mehren Extrazügen dahin abgehen soll.

Ueber die Reden, welche beim ersten Festmahl gehalten wurden, haben
wir dem Gesagten nichts Wesentliches hinzuzufügen, auch über die des Herrn
v. Beust nicht, obwohl wir dieselbe jetzt ihrem Wortlaut nach kennen, der, wie
hier nicht verschwiegen werden darf, beträchtlich nationaler klingt, als man nach
mündlichen Referaten annehmen mußte. Neu und unerwartet war uns nur die
Versicherung, "daß die Fürsten Deutschlands und ihre Regierungen den Auf¬
schwung, den das allgemeine deutsche Bewußtsein mehr und mehr gewonnen hat,
nicht allein erkennen und begreifen, sondern daß sie auch aufrichtig sich damit be¬
freunden, und zwar darum, weil sie in dieser Entwickelung des deutschen Gefühls
den besten Stützpunkt für ihre eignen Bestrebungen erkennen lernen." Wir halten
für diese Mittheilung zunächst nur ein emphatisches So; denn abgesehen von an¬
dern Dingen, die wenig hierzu stimmen wollten, schienen die Nachrichten, welche
die letzten Wochen aus München, Hannover und Darmstadt brachten, nicht ohne
etre sehr starke Jnterpretationsgave als Beweise sür den Schlußsatz der an¬
geführten Stelle Anwendung finden zu können. Auch schien der Ausdruck


des Wortes kann man sagen, das; sich das Fest zuletzt in allgemeines Wohl¬
gefallen auflöste.

Im Folgenden geben wir zunächst einige Nachträge, um dann den Verlauf
der Feier von dem Augenblick an, wo der große Aufzug des Montags die
Stadt verließ, bis zu Ende zu schildern.

Das Turnerparlament, welches am Sonntag im Schützenhaus berieth,
machte, von Georgii aus Eßlingen mit Geschick und Festigkeit geleitet, den
besten Eindruck. Auch der Streit, der über eine Stelle in der Turnerstatistik
Hirths auszubrechen drohte, wurde von dem Vorsitzenden glücklich beseitigt,
indem er den dort ausgesprochenen Tadel über das Benehmen der hcmauer
Turner im Jahr 1849 als zu herb bezeichnete. Im Uebrigen erfuhr man, daß
seit Zusammenstellung jener verdienstlichen Arbeit, also seit etwa einem Jahre,
nicht nur eine sehr beträchtliche Zahl neuer Turnvereine entstanden sind, son¬
dern auch die Mitglieder der alten sich bedeutend vermehrt haben. Im Jahre vor
dem ersten allgemeinen deutschen Turnfeste in Koburg gab es nur 234 Turn¬
vereine, das folgende Jahr ließ 253, das nächste 474 neue dazu treten; jetzt
zählt man nicht weniger als 1.701 Vereine, und während der Census der
deutschen Turngenossen am 1. Juli 1862 nach Hu'ess Angabe 134,307 betrug,
delciuft er sich gegenwärtig auf circa 170,000. Wir meinen, daß ein so mäch¬
tiges Anschwellen der Sache, welches vor Allem durch die Turnfeste bewirkt
wurde. Manchem nicht in die Rechnung passen wird, Allen aber zu denken gibt.

Schließlich wurde im Turntage die Frage nach dem nächsten Festorte ent¬
schieden, indem man sich für Nürnberg erklärte, wohin denn auch dem Vernehmen
nach schon die große Halle des leipziger Festplatzes verkauft worden ist, die näch¬
stens in mehren Extrazügen dahin abgehen soll.

Ueber die Reden, welche beim ersten Festmahl gehalten wurden, haben
wir dem Gesagten nichts Wesentliches hinzuzufügen, auch über die des Herrn
v. Beust nicht, obwohl wir dieselbe jetzt ihrem Wortlaut nach kennen, der, wie
hier nicht verschwiegen werden darf, beträchtlich nationaler klingt, als man nach
mündlichen Referaten annehmen mußte. Neu und unerwartet war uns nur die
Versicherung, „daß die Fürsten Deutschlands und ihre Regierungen den Auf¬
schwung, den das allgemeine deutsche Bewußtsein mehr und mehr gewonnen hat,
nicht allein erkennen und begreifen, sondern daß sie auch aufrichtig sich damit be¬
freunden, und zwar darum, weil sie in dieser Entwickelung des deutschen Gefühls
den besten Stützpunkt für ihre eignen Bestrebungen erkennen lernen." Wir halten
für diese Mittheilung zunächst nur ein emphatisches So; denn abgesehen von an¬
dern Dingen, die wenig hierzu stimmen wollten, schienen die Nachrichten, welche
die letzten Wochen aus München, Hannover und Darmstadt brachten, nicht ohne
etre sehr starke Jnterpretationsgave als Beweise sür den Schlußsatz der an¬
geführten Stelle Anwendung finden zu können. Auch schien der Ausdruck


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[0274] des Wortes kann man sagen, das; sich das Fest zuletzt in allgemeines Wohl¬ gefallen auflöste. Im Folgenden geben wir zunächst einige Nachträge, um dann den Verlauf der Feier von dem Augenblick an, wo der große Aufzug des Montags die Stadt verließ, bis zu Ende zu schildern. Das Turnerparlament, welches am Sonntag im Schützenhaus berieth, machte, von Georgii aus Eßlingen mit Geschick und Festigkeit geleitet, den besten Eindruck. Auch der Streit, der über eine Stelle in der Turnerstatistik Hirths auszubrechen drohte, wurde von dem Vorsitzenden glücklich beseitigt, indem er den dort ausgesprochenen Tadel über das Benehmen der hcmauer Turner im Jahr 1849 als zu herb bezeichnete. Im Uebrigen erfuhr man, daß seit Zusammenstellung jener verdienstlichen Arbeit, also seit etwa einem Jahre, nicht nur eine sehr beträchtliche Zahl neuer Turnvereine entstanden sind, son¬ dern auch die Mitglieder der alten sich bedeutend vermehrt haben. Im Jahre vor dem ersten allgemeinen deutschen Turnfeste in Koburg gab es nur 234 Turn¬ vereine, das folgende Jahr ließ 253, das nächste 474 neue dazu treten; jetzt zählt man nicht weniger als 1.701 Vereine, und während der Census der deutschen Turngenossen am 1. Juli 1862 nach Hu'ess Angabe 134,307 betrug, delciuft er sich gegenwärtig auf circa 170,000. Wir meinen, daß ein so mäch¬ tiges Anschwellen der Sache, welches vor Allem durch die Turnfeste bewirkt wurde. Manchem nicht in die Rechnung passen wird, Allen aber zu denken gibt. Schließlich wurde im Turntage die Frage nach dem nächsten Festorte ent¬ schieden, indem man sich für Nürnberg erklärte, wohin denn auch dem Vernehmen nach schon die große Halle des leipziger Festplatzes verkauft worden ist, die näch¬ stens in mehren Extrazügen dahin abgehen soll. Ueber die Reden, welche beim ersten Festmahl gehalten wurden, haben wir dem Gesagten nichts Wesentliches hinzuzufügen, auch über die des Herrn v. Beust nicht, obwohl wir dieselbe jetzt ihrem Wortlaut nach kennen, der, wie hier nicht verschwiegen werden darf, beträchtlich nationaler klingt, als man nach mündlichen Referaten annehmen mußte. Neu und unerwartet war uns nur die Versicherung, „daß die Fürsten Deutschlands und ihre Regierungen den Auf¬ schwung, den das allgemeine deutsche Bewußtsein mehr und mehr gewonnen hat, nicht allein erkennen und begreifen, sondern daß sie auch aufrichtig sich damit be¬ freunden, und zwar darum, weil sie in dieser Entwickelung des deutschen Gefühls den besten Stützpunkt für ihre eignen Bestrebungen erkennen lernen." Wir halten für diese Mittheilung zunächst nur ein emphatisches So; denn abgesehen von an¬ dern Dingen, die wenig hierzu stimmen wollten, schienen die Nachrichten, welche die letzten Wochen aus München, Hannover und Darmstadt brachten, nicht ohne etre sehr starke Jnterpretationsgave als Beweise sür den Schlußsatz der an¬ geführten Stelle Anwendung finden zu können. Auch schien der Ausdruck

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/274>, abgerufen am 28.07.2024.