Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.eigenen Augen gesehen hat, und wenn die Maßregeln, welche- die preußische Leipzig und die Turner. 2. Das Fest ist beendigt. Wie -die Blume, nachdem sie alle ihre Reize ent¬ Unsre Gäste haben uns größtentheils verlassen, und nur hier und da schlen¬ Grenzboten. III. 1863. . 34
eigenen Augen gesehen hat, und wenn die Maßregeln, welche- die preußische Leipzig und die Turner. 2. Das Fest ist beendigt. Wie -die Blume, nachdem sie alle ihre Reize ent¬ Unsre Gäste haben uns größtentheils verlassen, und nur hier und da schlen¬ Grenzboten. III. 1863. . 34
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115665"/> <p xml:id="ID_750" prev="#ID_749"> eigenen Augen gesehen hat, und wenn die Maßregeln, welche- die preußische<lb/> Regierung zum Schutze ihrer Interessen an den östlichen Grenzen ergriffen<lb/> hat, in Berlin und am Rhein Anstoß erregen, wo die Leute in Sicherheit hin¬<lb/> ter dem grünen Tische rechnen, so werden sie dort dankbar anerkannt, wo das<lb/> Damoklesschwert über den Häuptern schwebt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Leipzig und die Turner.</head><lb/> <div n="2"> <head> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_751"> Das Fest ist beendigt. Wie -die Blume, nachdem sie alle ihre Reize ent¬<lb/> faltet hat, allmälig welkt und eines ihrer Blätter nach dem andern verliert,<lb/> so entkleidet sich die Stadt allmälig ihrer Fahnen, und eine gewisse Müdigkeit,<lb/> ein herbstliches Wesen tritt an die Stelle der mächtigen Anspannung aller Or¬<lb/> gane geistigen und körperlichen Arbeitens und Genießens, welche die Feier in<lb/> Anspruch genommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_752" next="#ID_753"> Unsre Gäste haben uns größtentheils verlassen, und nur hier und da schlen¬<lb/> dert noch eine schlanke Graujacke durch die Gassen. Die treuverdienten, bis<lb/> tief in die Nächte hinein beschäftigt gewesenen Mitglieder der Ausschüsse legen<lb/> Frack und Schärpe ad und gedenken einen langen Schlaf zu thun. Der Mit¬<lb/> telmann bezieht wieder seine gute Stube, der Arme braucht nicht mehr in der<lb/> Küche zu schlafen. Der Speculant überzahlt vergnügt seinen Gewinn. Die<lb/> Kinderwelt verlernt nach und nach das „Gut Heil!" das sie grüßenden Tur¬<lb/> nern abgehört. Der Himmel darf wieder Wolken sammeln und Regen er¬<lb/> gießen. Während man in den Festtagen nur Augen und Worte für die großen<lb/> Züge der Feier hatte, erzählt man sich jetzt auch die zahlreichen kleinen. Die<lb/> alltägliche Arbeit tritt wieder in ihre Rechte, auch die Kritik; aber ihr Urtheil<lb/> lautet nach wie vor: Ueber alle Erwartung wohlgerathen, kein Mißton in der<lb/> Harmonie der Kräfte, die hier ohne andern Zügel als den der Selbstbeherr¬<lb/> schung auf engem Raum und bei vielfacher Gelegenheit gegen einander zu<lb/> prallen, sich in hoher Erregung tummelten. Wie die scheidenden Gäste die<lb/> Straßenecken und Seite auf Seite des Tageblattes mit Danksagungen bedecken,<lb/> so wissen ihre Gastgeber nur Gutes von ihnen zu berichten. Im besten Sinne</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. III. 1863. . 34</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
eigenen Augen gesehen hat, und wenn die Maßregeln, welche- die preußische
Regierung zum Schutze ihrer Interessen an den östlichen Grenzen ergriffen
hat, in Berlin und am Rhein Anstoß erregen, wo die Leute in Sicherheit hin¬
ter dem grünen Tische rechnen, so werden sie dort dankbar anerkannt, wo das
Damoklesschwert über den Häuptern schwebt.
Leipzig und die Turner.
2.
Das Fest ist beendigt. Wie -die Blume, nachdem sie alle ihre Reize ent¬
faltet hat, allmälig welkt und eines ihrer Blätter nach dem andern verliert,
so entkleidet sich die Stadt allmälig ihrer Fahnen, und eine gewisse Müdigkeit,
ein herbstliches Wesen tritt an die Stelle der mächtigen Anspannung aller Or¬
gane geistigen und körperlichen Arbeitens und Genießens, welche die Feier in
Anspruch genommen.
Unsre Gäste haben uns größtentheils verlassen, und nur hier und da schlen¬
dert noch eine schlanke Graujacke durch die Gassen. Die treuverdienten, bis
tief in die Nächte hinein beschäftigt gewesenen Mitglieder der Ausschüsse legen
Frack und Schärpe ad und gedenken einen langen Schlaf zu thun. Der Mit¬
telmann bezieht wieder seine gute Stube, der Arme braucht nicht mehr in der
Küche zu schlafen. Der Speculant überzahlt vergnügt seinen Gewinn. Die
Kinderwelt verlernt nach und nach das „Gut Heil!" das sie grüßenden Tur¬
nern abgehört. Der Himmel darf wieder Wolken sammeln und Regen er¬
gießen. Während man in den Festtagen nur Augen und Worte für die großen
Züge der Feier hatte, erzählt man sich jetzt auch die zahlreichen kleinen. Die
alltägliche Arbeit tritt wieder in ihre Rechte, auch die Kritik; aber ihr Urtheil
lautet nach wie vor: Ueber alle Erwartung wohlgerathen, kein Mißton in der
Harmonie der Kräfte, die hier ohne andern Zügel als den der Selbstbeherr¬
schung auf engem Raum und bei vielfacher Gelegenheit gegen einander zu
prallen, sich in hoher Erregung tummelten. Wie die scheidenden Gäste die
Straßenecken und Seite auf Seite des Tageblattes mit Danksagungen bedecken,
so wissen ihre Gastgeber nur Gutes von ihnen zu berichten. Im besten Sinne
Grenzboten. III. 1863. . 34
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