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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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vertraut, bei dem er seine schönsten Jugendjahre verlebte. Der Biograph sagt:
"Leider wissen wir den Rainen des trefflichen Mannes nicht, wol aber er¬
innern wir uns, daß Fichte noch in seinen spätern Jahren mit Rührung und
herzlichem Danke des frommen Predigerpaars gedachte." Herr Pfarrer Beer,
den ich um Auskunft ersuchte, macht mir die dankenswerte Mittheilung: "Der
Pfarrer hieß Gotthold Leberecht Krebel, starb 1795, nachdem er 31 Jahr, von
1764 an, Pastor der Gemeinde zu Niederau gewesen. -- In meinem Garten
stehen zwei Linden und hinter demselben dicht an der Mauer noch zwei. Von
diesen sagte mir mein alter ehrwürdiger Schulmeister, den ich 1823 bei Antritt
meines Amts in Niederau fand! Diese Linden hat ein Knabe gepflanzt, der
bei dem seligen Krebel in Kost und Lehre gewesen ist; der Knabe hat Fichte
geheißen. So erzählte mein alter Hase, der übrigens weiter nichts von Fichte
und dessen Schicksalen gehört oder gelesen hatte." Nach "Sachsens Kirchen-
Galerie" 1. Band (Dresden. Schmidt 1837), S. 125 -- wo übrigens, wie ich
nachträglich finde, auch schon Pastor Krebel als derjenige genannt ist, bei dem
Fichte einen Theil seiner Knabenjahre verlebte -- war dieser Johann Georg
Haase, geb. 1764 in Würschnilz bei Radeburg, seit 1787 Lehrer in Niederau:
also erst nachdem Fichte längst weg war, wie auch die Perfect-Form der Zeit¬
wörter in seinem angeführten Berichte bestätigt. In Bezug endlich auf den
Freiherrn von Milntz, dessen Name in der Biographie auch nicht genauer be¬
zeichnet ist, bemerkt Herr Pastor Beer: "Im Jahre 1774 hat der ?. Krebel
aufgezeichnet: Am 5. März verstarb zu Pisa Herr Ernst Haubold von Miltiiz
-c. und ist zu Livorno christlich beerdigt worden. Ein Vierteljahr darauf starb
des gedachten Herrn von M. einzige Tochter im fünften Lebensjahre, und ist
auf dem Kirchhofe zu Oberau beerdigt worden -- Der genannte Herr von
M. war nur 34'/- Jahr alt geworden; zur Pflege seiner Gesundheit nach Ita¬
lien gegangen, hatte er daselbst einer langwierigen Krankheit unterliegen müs¬
sen. Dieser ist wahrscheinlich der Gönner, der sich um Fichte so verdient ge¬
macht hat." -- Nach dem Kirchenbuche zu Rammenau war ein Pathe des
1766 in der katholischen Hofkirche zu Dresden getauften Johann Centurius
von Hoffmannesegg: "der hochwohlgeborene Herr Ernst Haubold von Miltijz,
Erb-, Lehn- und Gnichtsherr zu Oberau, Niederau, Siebeneichen und Baz-
dorf, Churfürst!. Sächß. Obrist-Lieutenant und Amts-Hauptmann des Mei߬
nischen Crcyßes". Dieser kann aber wohl kaum ein und derselbe mit dem
obigen sein, sondern vielleicht der gleichnamige Vater desselben. -- Wie sehr
ihm Freunde fehlten, spricht Fichte auch in einem Briefe nach der Schweiz
Vom 8. Juni aus (I, 71); in demselben Briefe (I, 74) macht er den Buch¬
händlern ähnliche Vorwürfe wie hier. Das Werk, was er zum Drucke vor¬
bereitete, war eine Schrift über Kants Kritik der Urteilskraft, die aber nie
gedruckt ward (I, 96. f. 99. f. 105. f. 108 f. 111 ff.), deren Ausarbeitung


vertraut, bei dem er seine schönsten Jugendjahre verlebte. Der Biograph sagt:
„Leider wissen wir den Rainen des trefflichen Mannes nicht, wol aber er¬
innern wir uns, daß Fichte noch in seinen spätern Jahren mit Rührung und
herzlichem Danke des frommen Predigerpaars gedachte." Herr Pfarrer Beer,
den ich um Auskunft ersuchte, macht mir die dankenswerte Mittheilung: „Der
Pfarrer hieß Gotthold Leberecht Krebel, starb 1795, nachdem er 31 Jahr, von
1764 an, Pastor der Gemeinde zu Niederau gewesen. — In meinem Garten
stehen zwei Linden und hinter demselben dicht an der Mauer noch zwei. Von
diesen sagte mir mein alter ehrwürdiger Schulmeister, den ich 1823 bei Antritt
meines Amts in Niederau fand! Diese Linden hat ein Knabe gepflanzt, der
bei dem seligen Krebel in Kost und Lehre gewesen ist; der Knabe hat Fichte
geheißen. So erzählte mein alter Hase, der übrigens weiter nichts von Fichte
und dessen Schicksalen gehört oder gelesen hatte." Nach „Sachsens Kirchen-
Galerie" 1. Band (Dresden. Schmidt 1837), S. 125 — wo übrigens, wie ich
nachträglich finde, auch schon Pastor Krebel als derjenige genannt ist, bei dem
Fichte einen Theil seiner Knabenjahre verlebte — war dieser Johann Georg
Haase, geb. 1764 in Würschnilz bei Radeburg, seit 1787 Lehrer in Niederau:
also erst nachdem Fichte längst weg war, wie auch die Perfect-Form der Zeit¬
wörter in seinem angeführten Berichte bestätigt. In Bezug endlich auf den
Freiherrn von Milntz, dessen Name in der Biographie auch nicht genauer be¬
zeichnet ist, bemerkt Herr Pastor Beer: „Im Jahre 1774 hat der ?. Krebel
aufgezeichnet: Am 5. März verstarb zu Pisa Herr Ernst Haubold von Miltiiz
-c. und ist zu Livorno christlich beerdigt worden. Ein Vierteljahr darauf starb
des gedachten Herrn von M. einzige Tochter im fünften Lebensjahre, und ist
auf dem Kirchhofe zu Oberau beerdigt worden — Der genannte Herr von
M. war nur 34'/- Jahr alt geworden; zur Pflege seiner Gesundheit nach Ita¬
lien gegangen, hatte er daselbst einer langwierigen Krankheit unterliegen müs¬
sen. Dieser ist wahrscheinlich der Gönner, der sich um Fichte so verdient ge¬
macht hat." — Nach dem Kirchenbuche zu Rammenau war ein Pathe des
1766 in der katholischen Hofkirche zu Dresden getauften Johann Centurius
von Hoffmannesegg: „der hochwohlgeborene Herr Ernst Haubold von Miltijz,
Erb-, Lehn- und Gnichtsherr zu Oberau, Niederau, Siebeneichen und Baz-
dorf, Churfürst!. Sächß. Obrist-Lieutenant und Amts-Hauptmann des Mei߬
nischen Crcyßes". Dieser kann aber wohl kaum ein und derselbe mit dem
obigen sein, sondern vielleicht der gleichnamige Vater desselben. — Wie sehr
ihm Freunde fehlten, spricht Fichte auch in einem Briefe nach der Schweiz
Vom 8. Juni aus (I, 71); in demselben Briefe (I, 74) macht er den Buch¬
händlern ähnliche Vorwürfe wie hier. Das Werk, was er zum Drucke vor¬
bereitete, war eine Schrift über Kants Kritik der Urteilskraft, die aber nie
gedruckt ward (I, 96. f. 99. f. 105. f. 108 f. 111 ff.), deren Ausarbeitung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/96>, abgerufen am 29.06.2024.