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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Leipzig, d. 20. Jun. 90.


3a.

Liebste Eltern.

Ich bin seit ö. Wochen, und drüber, in Leipzig. Wenn ich es Ihnen nicht
eher meldete, so kam es blos daher, weil ich keine Gelegenheit; und wenn Ge¬
legenheit, keine Zeit hatte.

Ich bin 7. Wochen auf der Reise gewesen: bin sehr gesund und ange¬
nehm gereißt- habe viel schönes gesehen und viel große Männer kennen ge¬
lernt. Jetzt habe ich keine bestimmten Aussichten- Hofnungen und Ver¬
sprechungen genug, aber noch nichts sicher. Sobald sich welche finden werden;
sobald ich meinen Aufenthalt verändern werde, werde ich nicht ermangeln, es
Ihnen zu melden. Lieber wäre es mir fast, wenn ich etwa ein Jahr in Leip¬
zig bleiben könnte. Könnte ich dies möglich machen, so wurde ich die vortheil¬
haftesten Anträge ausschlagen.

Mein Plan ist noch der ehemalige. Nur will ich nicht mehr zu Kindern;
sonst könnte ich längst eine Stelle haben. Ich will reisen, oder an einen Hos.

-- Sollte dies etwa Jemand nicht begreisen können - so -- wundert mich das
nicht. Wenn ich es nur begreife.

Ich bin mit höchster Ehre von Zürich abgegangen. Weise ist mehr als
je. mein Freund. 'Der Hr. von Miltitz ist gut aus mich zu sprechen. Ich
wechsele Briefe von Zürich bis Coppenhagen -- und mit großen Personen.

Ich gehe einen Weg es entweder sehr hoch zu bringen, oder ganz zu ver¬
lieren, sagt ein hiesiger Professor, der mein Freund ist. -- Er hat recht; aber
ich hoffe das erstere; und würde das letztere ertragen.

Den gewöhnlichen Weg schleichen -- mich auf eine Dorfpfarre setzen, kann
ich einmal nicht, und Gott, der mir diesen Sinn gab, weiß, daß ich es
nicht kann.

Ich bitte Sie, mich in Ihrem gütigen Andenken zu behalten, und zu glau¬
ben, daß ich unverändert bin


Ahrgehorsamer Sohn
Gottlieb.

?. 8. Es thut mir leid, daß ich diesen Brief nicht frankiren kann. Ich
fehlte ihn durch Einschluß bis Dreßden, gebe ihn also nicht hier auf die Post.

-- Aber über 1 Gr. Z. Pf. darf er nicht kosten, denn er kömmt von

Dreßden.


3b.

Meinem Bruder Gotthelf.
Lieber Bruder.

Daß ich wieder in meinem Vaterlande bin, wirst du nun wißen. -- Ich
bin gesund, -- gesünder, als ich vielleicht je war; das thut das Reisen --
muthig, voll Lust und Hofnung. Aussichten, wie ich sie wünsche, habe ich genug.


Leipzig, d. 20. Jun. 90.


3a.

Liebste Eltern.

Ich bin seit ö. Wochen, und drüber, in Leipzig. Wenn ich es Ihnen nicht
eher meldete, so kam es blos daher, weil ich keine Gelegenheit; und wenn Ge¬
legenheit, keine Zeit hatte.

Ich bin 7. Wochen auf der Reise gewesen: bin sehr gesund und ange¬
nehm gereißt- habe viel schönes gesehen und viel große Männer kennen ge¬
lernt. Jetzt habe ich keine bestimmten Aussichten- Hofnungen und Ver¬
sprechungen genug, aber noch nichts sicher. Sobald sich welche finden werden;
sobald ich meinen Aufenthalt verändern werde, werde ich nicht ermangeln, es
Ihnen zu melden. Lieber wäre es mir fast, wenn ich etwa ein Jahr in Leip¬
zig bleiben könnte. Könnte ich dies möglich machen, so wurde ich die vortheil¬
haftesten Anträge ausschlagen.

Mein Plan ist noch der ehemalige. Nur will ich nicht mehr zu Kindern;
sonst könnte ich längst eine Stelle haben. Ich will reisen, oder an einen Hos.

— Sollte dies etwa Jemand nicht begreisen können - so — wundert mich das
nicht. Wenn ich es nur begreife.

Ich bin mit höchster Ehre von Zürich abgegangen. Weise ist mehr als
je. mein Freund. 'Der Hr. von Miltitz ist gut aus mich zu sprechen. Ich
wechsele Briefe von Zürich bis Coppenhagen — und mit großen Personen.

Ich gehe einen Weg es entweder sehr hoch zu bringen, oder ganz zu ver¬
lieren, sagt ein hiesiger Professor, der mein Freund ist. — Er hat recht; aber
ich hoffe das erstere; und würde das letztere ertragen.

Den gewöhnlichen Weg schleichen — mich auf eine Dorfpfarre setzen, kann
ich einmal nicht, und Gott, der mir diesen Sinn gab, weiß, daß ich es
nicht kann.

Ich bitte Sie, mich in Ihrem gütigen Andenken zu behalten, und zu glau¬
ben, daß ich unverändert bin


Ahrgehorsamer Sohn
Gottlieb.

?. 8. Es thut mir leid, daß ich diesen Brief nicht frankiren kann. Ich
fehlte ihn durch Einschluß bis Dreßden, gebe ihn also nicht hier auf die Post.

— Aber über 1 Gr. Z. Pf. darf er nicht kosten, denn er kömmt von

Dreßden.


3b.

Meinem Bruder Gotthelf.
Lieber Bruder.

Daß ich wieder in meinem Vaterlande bin, wirst du nun wißen. — Ich
bin gesund, — gesünder, als ich vielleicht je war; das thut das Reisen —
muthig, voll Lust und Hofnung. Aussichten, wie ich sie wünsche, habe ich genug.


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[0094] Leipzig, d. 20. Jun. 90. 3a. Liebste Eltern. Ich bin seit ö. Wochen, und drüber, in Leipzig. Wenn ich es Ihnen nicht eher meldete, so kam es blos daher, weil ich keine Gelegenheit; und wenn Ge¬ legenheit, keine Zeit hatte. Ich bin 7. Wochen auf der Reise gewesen: bin sehr gesund und ange¬ nehm gereißt- habe viel schönes gesehen und viel große Männer kennen ge¬ lernt. Jetzt habe ich keine bestimmten Aussichten- Hofnungen und Ver¬ sprechungen genug, aber noch nichts sicher. Sobald sich welche finden werden; sobald ich meinen Aufenthalt verändern werde, werde ich nicht ermangeln, es Ihnen zu melden. Lieber wäre es mir fast, wenn ich etwa ein Jahr in Leip¬ zig bleiben könnte. Könnte ich dies möglich machen, so wurde ich die vortheil¬ haftesten Anträge ausschlagen. Mein Plan ist noch der ehemalige. Nur will ich nicht mehr zu Kindern; sonst könnte ich längst eine Stelle haben. Ich will reisen, oder an einen Hos. — Sollte dies etwa Jemand nicht begreisen können - so — wundert mich das nicht. Wenn ich es nur begreife. Ich bin mit höchster Ehre von Zürich abgegangen. Weise ist mehr als je. mein Freund. 'Der Hr. von Miltitz ist gut aus mich zu sprechen. Ich wechsele Briefe von Zürich bis Coppenhagen — und mit großen Personen. Ich gehe einen Weg es entweder sehr hoch zu bringen, oder ganz zu ver¬ lieren, sagt ein hiesiger Professor, der mein Freund ist. — Er hat recht; aber ich hoffe das erstere; und würde das letztere ertragen. Den gewöhnlichen Weg schleichen — mich auf eine Dorfpfarre setzen, kann ich einmal nicht, und Gott, der mir diesen Sinn gab, weiß, daß ich es nicht kann. Ich bitte Sie, mich in Ihrem gütigen Andenken zu behalten, und zu glau¬ ben, daß ich unverändert bin Ahrgehorsamer Sohn Gottlieb. ?. 8. Es thut mir leid, daß ich diesen Brief nicht frankiren kann. Ich fehlte ihn durch Einschluß bis Dreßden, gebe ihn also nicht hier auf die Post. — Aber über 1 Gr. Z. Pf. darf er nicht kosten, denn er kömmt von Dreßden. 3b. Meinem Bruder Gotthelf. Lieber Bruder. Daß ich wieder in meinem Vaterlande bin, wirst du nun wißen. — Ich bin gesund, — gesünder, als ich vielleicht je war; das thut das Reisen — muthig, voll Lust und Hofnung. Aussichten, wie ich sie wünsche, habe ich genug.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/94>, abgerufen am 03.07.2024.