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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Allmacht der katholischen Kirche sehr eingeschränkt, die Geistlichkeit sollte nicht
mehr einen Staat im Staat bilden, das Planet ward verschärft, das Kirchen¬
vermögen unter Aufsicht der Regierung gestellt und die Klöster zum großen
Theile eingezogen; unbeachtet verhallten die Klagen des Papstes, daß Max
Joseph die preiswürdigen Fußtapfen seiner Vorfahren verlassen, welche ihm
das gesegnete Land in schönster Blüthe des katholischin Glaubens ohne Makel
überliefert hätten.

Es konnte nicht fehlen, daß dieses gewaltsame Eingreifen sehr verschieden
beurtheilt ward, aber im Ganzen war die Stimmung der Bevölkerung der Rich¬
tung des Ministers günstig, weil es eben klar zu Tage lag. daß das Bestehende
nicht dauern konnte; in dem scheinbar so bigott katholischen Lande fand er
überall willige Werkzeuge gegen die Kirche, mit stumpfer Gleichgültigkeit sah die
Menge den Verwüstungen der Klöster zu, dies war das Ergebniß einer zwei¬
hundertjährigen unbedingten Priesterherrschaft. Eben deshalb aber war das Mont-
gelassche Regiment in Tyrol unmöglich, wo ein freier, mit seinem Loose zufriedener
Bauernstand mit Gewalt in neue widerwärtige Formen gezwängt werden sollte.
Die auswärtige Politik Bayerns liegt außerhalb der Aufgabe unsres Verfassers,
ihre unheilvolle Richtung ist nur zu klar, wenn man auch entschuldigend anführen
mag, daß es die Kurzsichtigkeit Thuguts wesentlich war, welche den Kurfürsten
in die Arme Frankreichs trieb.

Die reformatorische, oder wenn man will revolutionäre Rolle, welche
Montgelas in Bayern spielte, übernahm in Würtemberg der Souverain selbst.
Die Ausgabe war ähnlich, aber an einen sehr verschiedenen Stoff gestellt. Im
Gegensatz zum bayrischen Stamme ist der schwäbische individualisirt, in Dich¬
tung und Speculation, in Theologie und im handelnden Leben hat Schwaben
immer aufs neue bedeutende Persönlichkeiten hervorgetrieben, Schiller, Uhland,
Kerner, Hegel, Bauer, Strauß und Schelling, die beiden Moser. Schubert,
Pfizer entstammen in neuerer Zeit dem Boden, auf dem die Wiege der Hohen-
staufen und Hohenzollern stand. Der individualistischen Richtung entsprach auch
die territoriale Zersplitterung, nur die Grafen von Teck hatten ein ansehnliches
Gebiet zusammengebracht, aber ihrem Bestreben dasselbe zu erweitern, nachdem,
sie Herzoge von Würtemberg geworden, stand ein starker Adel und eine sehr selb¬
ständige Kirche gegenüber. Noch im achtzehnten Jahrhundert, der Zeit der Fürsten¬
willkür, konnte Herzog Karl es mit aller Gewaltsamkeit nicht durchsetzen, sich
als Alleinherrscher anerkannt zu sehen und mußte l7?o den Erbvergleich ab¬
schließen; erst Herzog Friedrich sollte, auf die auswärtige Macht des Rheinbun¬
des gestützt, die unbeschränkte Souverainetät durchführen. Der Eindruck, den er
von Friedrich dem Großen empfangen, wirkte in ihm nach, aber während
der König den Staat in sich verkörperte, wollte der Herzog Würtemberg
mit sich Eins sein lassen, weil er es für die Bestimmung seines Landes hielt,


Allmacht der katholischen Kirche sehr eingeschränkt, die Geistlichkeit sollte nicht
mehr einen Staat im Staat bilden, das Planet ward verschärft, das Kirchen¬
vermögen unter Aufsicht der Regierung gestellt und die Klöster zum großen
Theile eingezogen; unbeachtet verhallten die Klagen des Papstes, daß Max
Joseph die preiswürdigen Fußtapfen seiner Vorfahren verlassen, welche ihm
das gesegnete Land in schönster Blüthe des katholischin Glaubens ohne Makel
überliefert hätten.

Es konnte nicht fehlen, daß dieses gewaltsame Eingreifen sehr verschieden
beurtheilt ward, aber im Ganzen war die Stimmung der Bevölkerung der Rich¬
tung des Ministers günstig, weil es eben klar zu Tage lag. daß das Bestehende
nicht dauern konnte; in dem scheinbar so bigott katholischen Lande fand er
überall willige Werkzeuge gegen die Kirche, mit stumpfer Gleichgültigkeit sah die
Menge den Verwüstungen der Klöster zu, dies war das Ergebniß einer zwei¬
hundertjährigen unbedingten Priesterherrschaft. Eben deshalb aber war das Mont-
gelassche Regiment in Tyrol unmöglich, wo ein freier, mit seinem Loose zufriedener
Bauernstand mit Gewalt in neue widerwärtige Formen gezwängt werden sollte.
Die auswärtige Politik Bayerns liegt außerhalb der Aufgabe unsres Verfassers,
ihre unheilvolle Richtung ist nur zu klar, wenn man auch entschuldigend anführen
mag, daß es die Kurzsichtigkeit Thuguts wesentlich war, welche den Kurfürsten
in die Arme Frankreichs trieb.

Die reformatorische, oder wenn man will revolutionäre Rolle, welche
Montgelas in Bayern spielte, übernahm in Würtemberg der Souverain selbst.
Die Ausgabe war ähnlich, aber an einen sehr verschiedenen Stoff gestellt. Im
Gegensatz zum bayrischen Stamme ist der schwäbische individualisirt, in Dich¬
tung und Speculation, in Theologie und im handelnden Leben hat Schwaben
immer aufs neue bedeutende Persönlichkeiten hervorgetrieben, Schiller, Uhland,
Kerner, Hegel, Bauer, Strauß und Schelling, die beiden Moser. Schubert,
Pfizer entstammen in neuerer Zeit dem Boden, auf dem die Wiege der Hohen-
staufen und Hohenzollern stand. Der individualistischen Richtung entsprach auch
die territoriale Zersplitterung, nur die Grafen von Teck hatten ein ansehnliches
Gebiet zusammengebracht, aber ihrem Bestreben dasselbe zu erweitern, nachdem,
sie Herzoge von Würtemberg geworden, stand ein starker Adel und eine sehr selb¬
ständige Kirche gegenüber. Noch im achtzehnten Jahrhundert, der Zeit der Fürsten¬
willkür, konnte Herzog Karl es mit aller Gewaltsamkeit nicht durchsetzen, sich
als Alleinherrscher anerkannt zu sehen und mußte l7?o den Erbvergleich ab¬
schließen; erst Herzog Friedrich sollte, auf die auswärtige Macht des Rheinbun¬
des gestützt, die unbeschränkte Souverainetät durchführen. Der Eindruck, den er
von Friedrich dem Großen empfangen, wirkte in ihm nach, aber während
der König den Staat in sich verkörperte, wollte der Herzog Würtemberg
mit sich Eins sein lassen, weil er es für die Bestimmung seines Landes hielt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/520>, abgerufen am 05.02.2025.