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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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seiner persönlichen Willkür zu folgen,. Jede Hemmung schien ihm Auflehnung.
Rechte anerkannte er sich gegenüber nicht, der zähe Widerstand des Bestehenden
trieb ihn zu Heftigkeit und Starrsinn, der Grund seines Charakters war nach
der Aeußerung eines Zeitgenossen grauenvoller Despotismus, den man noch
nie in dieser Gestalt auf deutscher Erde gesehen. Diese fürstliche Machtvoll¬
kommenheit suchte er vor allem im Aeußern darzuthun, indem er sich mit.einem
ebenso glänzenden als entsittlichten Hofe und feierlichem Ceremoniell umgab.
Dem Adel ward bei Verlust des vierten Theils seiner Einkünfte geboten, jährlich
drei Monate in Stuttgart sich aufzuhalten, prächtige Bauten, Parks, Jagden und
Feste verherrlichten den Erwerb der Königskrone von Napoleons Gnaden; wenn
der König nach Heilbronn oder Friedrichshafen fuhr, mußten die Stuttgarter
Zeitungen melden, er sei in die nördlichen oder südlichen Provinzen seiner
Staaten verreist. In den neuen Erwerbungen, den verkümmerten Reichsstädten
und erstarrten reichssreiherrlichen und gräflichen Parcellen fand der Eigenwille
Friedrichs wenig Widerstand, aber Altwürtemberg war im Kampfe mit seinen
Herzögen um das Landesrecht groß gewachsen und ließ sich dasselbe auch nicht
leichten Kaufes nehmen, und Herzog Friedrich hatte gleich beim Regierungs¬
antritt feierlich die althergebrachten Rechte beschworen. Aber gleich darauf
begann er seine Uebergriffe und suchte beim Reichshofrath Hülfe, die derselbe
blind gewährte; der landständische Ausschuß hielt sich tapfer in seinem Wider¬
stande und wurde erst überwunden, als der Herzog von Oestreich zu Napoleon
überging, am Reichsfeinde fand Friedrich die Stütze, welche ihm erlaubte, die
Landstände aufzulösen, die beschworne Verfassung ward als "eine nicht in die
itzige Zeit passende Einrichtung" aufgehoben. Alles ward nunmehr nach fran¬
zösischem Vorbilde zugeschnitten, das neue Königreich ward in 12 Departements
getheilt, Tabacksregie und Conscription eingeführt, eine gefügige Bureaukratie
geschaffen, die bis in die untersten Kreise des Lebens reichte. Von 1806--1814
wurden 2342 Rescripte, Decrete, Manifeste und Verordnungen erlassen, welche
bald zum Heil bald zum Uebel des Landes Altes zerstörten und Neues ein¬
führten. Die beste Seite des neuen Staatsmechanismus waren die Finanzen,
der König häufte nicht wie Montgelas Schulden auf Schulden, er wußte strenge
Ordnung durchzuführen und erreichte es durch harte Auflagen, daß die Kassen
niemals leer waren. Der Sultanismus, der alle Institutionen auf weltlichem
Gebiete brach, konnte auch eine selbständige Landeskirche nicht dulden. Alt¬
würtemberg war ein ebenso entschieden protestantischer Staat wie Altbayern
katholisch war; König Friedrich nahm durch ein Rescript der Kirche ihr ge-
säumtes Vermögen von 30 Millionen Gulden und hob den Kirchenrath auf,
die Universität Tübingen und das gesammte Unterrichtswesen kam unter die
Staatsverwaltung.

Wir schließen hier unsern Rechenschaftsbericht und wünschen, daß er dem


Grenzboten III. MK2. 65

seiner persönlichen Willkür zu folgen,. Jede Hemmung schien ihm Auflehnung.
Rechte anerkannte er sich gegenüber nicht, der zähe Widerstand des Bestehenden
trieb ihn zu Heftigkeit und Starrsinn, der Grund seines Charakters war nach
der Aeußerung eines Zeitgenossen grauenvoller Despotismus, den man noch
nie in dieser Gestalt auf deutscher Erde gesehen. Diese fürstliche Machtvoll¬
kommenheit suchte er vor allem im Aeußern darzuthun, indem er sich mit.einem
ebenso glänzenden als entsittlichten Hofe und feierlichem Ceremoniell umgab.
Dem Adel ward bei Verlust des vierten Theils seiner Einkünfte geboten, jährlich
drei Monate in Stuttgart sich aufzuhalten, prächtige Bauten, Parks, Jagden und
Feste verherrlichten den Erwerb der Königskrone von Napoleons Gnaden; wenn
der König nach Heilbronn oder Friedrichshafen fuhr, mußten die Stuttgarter
Zeitungen melden, er sei in die nördlichen oder südlichen Provinzen seiner
Staaten verreist. In den neuen Erwerbungen, den verkümmerten Reichsstädten
und erstarrten reichssreiherrlichen und gräflichen Parcellen fand der Eigenwille
Friedrichs wenig Widerstand, aber Altwürtemberg war im Kampfe mit seinen
Herzögen um das Landesrecht groß gewachsen und ließ sich dasselbe auch nicht
leichten Kaufes nehmen, und Herzog Friedrich hatte gleich beim Regierungs¬
antritt feierlich die althergebrachten Rechte beschworen. Aber gleich darauf
begann er seine Uebergriffe und suchte beim Reichshofrath Hülfe, die derselbe
blind gewährte; der landständische Ausschuß hielt sich tapfer in seinem Wider¬
stande und wurde erst überwunden, als der Herzog von Oestreich zu Napoleon
überging, am Reichsfeinde fand Friedrich die Stütze, welche ihm erlaubte, die
Landstände aufzulösen, die beschworne Verfassung ward als „eine nicht in die
itzige Zeit passende Einrichtung" aufgehoben. Alles ward nunmehr nach fran¬
zösischem Vorbilde zugeschnitten, das neue Königreich ward in 12 Departements
getheilt, Tabacksregie und Conscription eingeführt, eine gefügige Bureaukratie
geschaffen, die bis in die untersten Kreise des Lebens reichte. Von 1806—1814
wurden 2342 Rescripte, Decrete, Manifeste und Verordnungen erlassen, welche
bald zum Heil bald zum Uebel des Landes Altes zerstörten und Neues ein¬
führten. Die beste Seite des neuen Staatsmechanismus waren die Finanzen,
der König häufte nicht wie Montgelas Schulden auf Schulden, er wußte strenge
Ordnung durchzuführen und erreichte es durch harte Auflagen, daß die Kassen
niemals leer waren. Der Sultanismus, der alle Institutionen auf weltlichem
Gebiete brach, konnte auch eine selbständige Landeskirche nicht dulden. Alt¬
würtemberg war ein ebenso entschieden protestantischer Staat wie Altbayern
katholisch war; König Friedrich nahm durch ein Rescript der Kirche ihr ge-
säumtes Vermögen von 30 Millionen Gulden und hob den Kirchenrath auf,
die Universität Tübingen und das gesammte Unterrichtswesen kam unter die
Staatsverwaltung.

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[0521] seiner persönlichen Willkür zu folgen,. Jede Hemmung schien ihm Auflehnung. Rechte anerkannte er sich gegenüber nicht, der zähe Widerstand des Bestehenden trieb ihn zu Heftigkeit und Starrsinn, der Grund seines Charakters war nach der Aeußerung eines Zeitgenossen grauenvoller Despotismus, den man noch nie in dieser Gestalt auf deutscher Erde gesehen. Diese fürstliche Machtvoll¬ kommenheit suchte er vor allem im Aeußern darzuthun, indem er sich mit.einem ebenso glänzenden als entsittlichten Hofe und feierlichem Ceremoniell umgab. Dem Adel ward bei Verlust des vierten Theils seiner Einkünfte geboten, jährlich drei Monate in Stuttgart sich aufzuhalten, prächtige Bauten, Parks, Jagden und Feste verherrlichten den Erwerb der Königskrone von Napoleons Gnaden; wenn der König nach Heilbronn oder Friedrichshafen fuhr, mußten die Stuttgarter Zeitungen melden, er sei in die nördlichen oder südlichen Provinzen seiner Staaten verreist. In den neuen Erwerbungen, den verkümmerten Reichsstädten und erstarrten reichssreiherrlichen und gräflichen Parcellen fand der Eigenwille Friedrichs wenig Widerstand, aber Altwürtemberg war im Kampfe mit seinen Herzögen um das Landesrecht groß gewachsen und ließ sich dasselbe auch nicht leichten Kaufes nehmen, und Herzog Friedrich hatte gleich beim Regierungs¬ antritt feierlich die althergebrachten Rechte beschworen. Aber gleich darauf begann er seine Uebergriffe und suchte beim Reichshofrath Hülfe, die derselbe blind gewährte; der landständische Ausschuß hielt sich tapfer in seinem Wider¬ stande und wurde erst überwunden, als der Herzog von Oestreich zu Napoleon überging, am Reichsfeinde fand Friedrich die Stütze, welche ihm erlaubte, die Landstände aufzulösen, die beschworne Verfassung ward als „eine nicht in die itzige Zeit passende Einrichtung" aufgehoben. Alles ward nunmehr nach fran¬ zösischem Vorbilde zugeschnitten, das neue Königreich ward in 12 Departements getheilt, Tabacksregie und Conscription eingeführt, eine gefügige Bureaukratie geschaffen, die bis in die untersten Kreise des Lebens reichte. Von 1806—1814 wurden 2342 Rescripte, Decrete, Manifeste und Verordnungen erlassen, welche bald zum Heil bald zum Uebel des Landes Altes zerstörten und Neues ein¬ führten. Die beste Seite des neuen Staatsmechanismus waren die Finanzen, der König häufte nicht wie Montgelas Schulden auf Schulden, er wußte strenge Ordnung durchzuführen und erreichte es durch harte Auflagen, daß die Kassen niemals leer waren. Der Sultanismus, der alle Institutionen auf weltlichem Gebiete brach, konnte auch eine selbständige Landeskirche nicht dulden. Alt¬ würtemberg war ein ebenso entschieden protestantischer Staat wie Altbayern katholisch war; König Friedrich nahm durch ein Rescript der Kirche ihr ge- säumtes Vermögen von 30 Millionen Gulden und hob den Kirchenrath auf, die Universität Tübingen und das gesammte Unterrichtswesen kam unter die Staatsverwaltung. Wir schließen hier unsern Rechenschaftsbericht und wünschen, daß er dem Grenzboten III. MK2. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/521>, abgerufen am 05.02.2025.