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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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stand-vorzubeugen, daß Knaben ausschließlich zum Militär herausgebildet wer¬
den, die weder Neigung noch Beruf für ihren Stand haben, zu verhindern,
daß ganz junge Leute, fast Kinder, aus den Cadetteuhäusern entlassen werden,
um als Offiziere in die Regimenter zu treten, oder daß, wie in Frankreich, die
Berechtigung zu den Offtziersepaulets allein von dem Examen abhängig ge¬
macht wird. Nicht minder .verwerflich ist die Einrichtung in der k. k. Armee,
die Cadetten, welche keiner besonderen Protection sich erfreuen, oft sechs
Jahre und selbst längere Zeit auf eine Beförderung warten zu lassen.

Der in früheren Heften der Grenzboten gemachte Vorschlag-, "ein Drittel
der Ofsizierstellen an wohlverdiente und befähigte Unteroffiziere zu vergeben"
scheint uns bei der bisherigen Ergänzungsart unthunlich, namentlich in größe¬
ren Armeen, weil in den verschiedenen Negimentsbezirken der Unterschied an
Bildung und Gesittung zu groß ist, um gleichmäßig durchgeführt zu werden.
Der unter Napoleon dem Ersten eingeführte Gebrauch, die Regimenter aus den
verschiedenen Departements zu completiren, ist nur bei ununterbrochenen Mär¬
schen, Bivouaks und Gefechten durchzuführen. Niemand, der den Einfluß, des
provinziellen Geistes auf geschlossene Abtheilungen zu bemerken Gelegenheit ge¬
habt, der die Schwierigkeit kennt, Leute, die sich gegenseitig nicht verstehen und
sich stets' fremd bleiben, zu befehligen und zu einem Ganzen zu vereinigen,
wird die französische Einrichtung einzuführen Willens sein.

Unsere Niedersachsen gehorchen willig und gern nur den jungen Offizieren,
vor deren Wissen und Können sie Achtung haben, die ihnen mit gutem Beispiel
an Bildung und Gesittung vorangehen, nicht allein an Muth und Entschlos¬
senheit, und wird jungen Männern, deren Name eines guten, in der Pro¬
vinz bekannten Klanges und Rufes sich erfreut, die den Dialekt des Landes
sprechen können, das Befehlen unendlich erleichtert.

Sollte diese Erscheinung nicht auch bei den übrigen deutschen Stämmen
sich wiederholen?

Zu Offizieren beförderten, älteren Unteroffizieren fällt es dagegen sehr
schwer, die gehörige Autorität bei den Leuten zu behaupten, in der Regel sind
sie, um die Mannschaft für sich zu gewinnen, im inneren Dienst zu nachsichtig.

Das Beispiel, worauf man sich in jenen Aufsätzen der Grenzboten berief,
scheint uns nicht glücklich gewählt. In der französischen Armee gibt es be¬
kanntlich zwei Classen von Offizieren: I) in der Kriegsschule gebildete junge
Leute, 2) aus den Unofsizierclassen Beförderte.

Beide Classen vereinigen sich nie und verschmelzen zu keinem Ganzen, selbst
nicht in den gleichen Graden, die in Frankreich bekanntlich völlig abgeschlossen
und stets von einander getrennt leben. Einen Corpsgeist kennen die fran¬
zösischen Offiziere nicht; stets angeregter Ehrgeiz muß denselben ersetzen. Ka¬
meradschaftliches Benehmen der höheren Offiziere gegen die jüngeren hat seit


stand-vorzubeugen, daß Knaben ausschließlich zum Militär herausgebildet wer¬
den, die weder Neigung noch Beruf für ihren Stand haben, zu verhindern,
daß ganz junge Leute, fast Kinder, aus den Cadetteuhäusern entlassen werden,
um als Offiziere in die Regimenter zu treten, oder daß, wie in Frankreich, die
Berechtigung zu den Offtziersepaulets allein von dem Examen abhängig ge¬
macht wird. Nicht minder .verwerflich ist die Einrichtung in der k. k. Armee,
die Cadetten, welche keiner besonderen Protection sich erfreuen, oft sechs
Jahre und selbst längere Zeit auf eine Beförderung warten zu lassen.

Der in früheren Heften der Grenzboten gemachte Vorschlag-, „ein Drittel
der Ofsizierstellen an wohlverdiente und befähigte Unteroffiziere zu vergeben"
scheint uns bei der bisherigen Ergänzungsart unthunlich, namentlich in größe¬
ren Armeen, weil in den verschiedenen Negimentsbezirken der Unterschied an
Bildung und Gesittung zu groß ist, um gleichmäßig durchgeführt zu werden.
Der unter Napoleon dem Ersten eingeführte Gebrauch, die Regimenter aus den
verschiedenen Departements zu completiren, ist nur bei ununterbrochenen Mär¬
schen, Bivouaks und Gefechten durchzuführen. Niemand, der den Einfluß, des
provinziellen Geistes auf geschlossene Abtheilungen zu bemerken Gelegenheit ge¬
habt, der die Schwierigkeit kennt, Leute, die sich gegenseitig nicht verstehen und
sich stets' fremd bleiben, zu befehligen und zu einem Ganzen zu vereinigen,
wird die französische Einrichtung einzuführen Willens sein.

Unsere Niedersachsen gehorchen willig und gern nur den jungen Offizieren,
vor deren Wissen und Können sie Achtung haben, die ihnen mit gutem Beispiel
an Bildung und Gesittung vorangehen, nicht allein an Muth und Entschlos¬
senheit, und wird jungen Männern, deren Name eines guten, in der Pro¬
vinz bekannten Klanges und Rufes sich erfreut, die den Dialekt des Landes
sprechen können, das Befehlen unendlich erleichtert.

Sollte diese Erscheinung nicht auch bei den übrigen deutschen Stämmen
sich wiederholen?

Zu Offizieren beförderten, älteren Unteroffizieren fällt es dagegen sehr
schwer, die gehörige Autorität bei den Leuten zu behaupten, in der Regel sind
sie, um die Mannschaft für sich zu gewinnen, im inneren Dienst zu nachsichtig.

Das Beispiel, worauf man sich in jenen Aufsätzen der Grenzboten berief,
scheint uns nicht glücklich gewählt. In der französischen Armee gibt es be¬
kanntlich zwei Classen von Offizieren: I) in der Kriegsschule gebildete junge
Leute, 2) aus den Unofsizierclassen Beförderte.

Beide Classen vereinigen sich nie und verschmelzen zu keinem Ganzen, selbst
nicht in den gleichen Graden, die in Frankreich bekanntlich völlig abgeschlossen
und stets von einander getrennt leben. Einen Corpsgeist kennen die fran¬
zösischen Offiziere nicht; stets angeregter Ehrgeiz muß denselben ersetzen. Ka¬
meradschaftliches Benehmen der höheren Offiziere gegen die jüngeren hat seit


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[0464] stand-vorzubeugen, daß Knaben ausschließlich zum Militär herausgebildet wer¬ den, die weder Neigung noch Beruf für ihren Stand haben, zu verhindern, daß ganz junge Leute, fast Kinder, aus den Cadetteuhäusern entlassen werden, um als Offiziere in die Regimenter zu treten, oder daß, wie in Frankreich, die Berechtigung zu den Offtziersepaulets allein von dem Examen abhängig ge¬ macht wird. Nicht minder .verwerflich ist die Einrichtung in der k. k. Armee, die Cadetten, welche keiner besonderen Protection sich erfreuen, oft sechs Jahre und selbst längere Zeit auf eine Beförderung warten zu lassen. Der in früheren Heften der Grenzboten gemachte Vorschlag-, „ein Drittel der Ofsizierstellen an wohlverdiente und befähigte Unteroffiziere zu vergeben" scheint uns bei der bisherigen Ergänzungsart unthunlich, namentlich in größe¬ ren Armeen, weil in den verschiedenen Negimentsbezirken der Unterschied an Bildung und Gesittung zu groß ist, um gleichmäßig durchgeführt zu werden. Der unter Napoleon dem Ersten eingeführte Gebrauch, die Regimenter aus den verschiedenen Departements zu completiren, ist nur bei ununterbrochenen Mär¬ schen, Bivouaks und Gefechten durchzuführen. Niemand, der den Einfluß, des provinziellen Geistes auf geschlossene Abtheilungen zu bemerken Gelegenheit ge¬ habt, der die Schwierigkeit kennt, Leute, die sich gegenseitig nicht verstehen und sich stets' fremd bleiben, zu befehligen und zu einem Ganzen zu vereinigen, wird die französische Einrichtung einzuführen Willens sein. Unsere Niedersachsen gehorchen willig und gern nur den jungen Offizieren, vor deren Wissen und Können sie Achtung haben, die ihnen mit gutem Beispiel an Bildung und Gesittung vorangehen, nicht allein an Muth und Entschlos¬ senheit, und wird jungen Männern, deren Name eines guten, in der Pro¬ vinz bekannten Klanges und Rufes sich erfreut, die den Dialekt des Landes sprechen können, das Befehlen unendlich erleichtert. Sollte diese Erscheinung nicht auch bei den übrigen deutschen Stämmen sich wiederholen? Zu Offizieren beförderten, älteren Unteroffizieren fällt es dagegen sehr schwer, die gehörige Autorität bei den Leuten zu behaupten, in der Regel sind sie, um die Mannschaft für sich zu gewinnen, im inneren Dienst zu nachsichtig. Das Beispiel, worauf man sich in jenen Aufsätzen der Grenzboten berief, scheint uns nicht glücklich gewählt. In der französischen Armee gibt es be¬ kanntlich zwei Classen von Offizieren: I) in der Kriegsschule gebildete junge Leute, 2) aus den Unofsizierclassen Beförderte. Beide Classen vereinigen sich nie und verschmelzen zu keinem Ganzen, selbst nicht in den gleichen Graden, die in Frankreich bekanntlich völlig abgeschlossen und stets von einander getrennt leben. Einen Corpsgeist kennen die fran¬ zösischen Offiziere nicht; stets angeregter Ehrgeiz muß denselben ersetzen. Ka¬ meradschaftliches Benehmen der höheren Offiziere gegen die jüngeren hat seit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/464>, abgerufen am 28.08.2024.