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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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der ersten französischen Revolution völlig aufgehört in den Regimentern zu
existiren.

Die' Subaltcrnosfiziere genießen aber auch im eigenen Lande wenig
Achtung und Ansehen, die Mehrzahl ist zu roh und zu ungebildet.

Der französische Unteroffizier ist viel seltener verheirathet als der deutsche.
Die Frauen der beförderten Sergeanten müssen eine andere Lebensweise anneh¬
men, als die gewohnte, suhlen sich nie heimisch in der Gesellschaft der anderen
Ofsizieröfrauen und wirken mithin stets deprimirend ein auf ihre Männer, de¬
ren Sold zudem nicht ausreicht, Frau und Kind der neuen Stellung gemäß zu
halten und erziehen zu lassen. Eine Ehre wohl, aber keinen Dienst hat man
dem Sergeanten erzeigt.

Das auch von anderen Militärschriststellern hervorgehobene Beispiel der
französischen Armee, in der unter Napoleon dem Ersten die Mehrzahl der aus¬
gezeichnetsten Generäle und Marschälle aus der Classe der Unteroffiziere hervor¬
gegangen, kann für unsere deutschen Armeen nicht als Grund angeführt wer¬
den, einen Theil der Offizierstellen gesetzmäßig den Unteroffizieren einzuräumen,
wenigstens nicht in Friedenszeiten. Ganz andere Verhältnisse als die gewöhn¬
lichen lagen in Frankreich vor in der langen Periode von 1792--1815. In
der Zeit des Eonvents und des Directoriums, während der ganzen Schreckens¬
zeit traten alle ehr- und srciheitlicbende junge Männer in die Armee ein,
weil sie nur dort Sicherheit, Ehre und Freiheit finden konnten; während der
Herrschaft Napoleons als Consul und als Kaiser war der Verlust an Offizieren
auf den Schlachtfeldern und in den Hospitälern so enorm, daß ein großer Theil
der Offizierstellen mit Unteroffizieren besetzt werden mußte; die Militärschulen
konnten nicht genug Zöglinge heranbilden.

In der ganzen langen Kriegsperiode der Republik und des Kaiserreichs
fanden junge fähige und ehrgeizige Männer leicht und häufig Gelegenheit, sich
auszuzeichnen und bemerklich zu machen, somit rasch von den unteren zu den
höheren Stufen sich emporzuschwingen.

Unsre Vorschläge sind folgende: In Friedenszeiten gehe das Avancement bis
zum Hauptmann oder Rittmeister auf gewohnte Weise fort, dann aber höre das
Dienstalter auf der alleinige Maßstal) zur Beförderung zu sein. Nur darauf ist
streng zu halten, daß kein Offizier aus dem Generalstabe oder der Adjutantur zum
Stabsoffizier vorrückt, der nicht wenigstens ein Jahr als Rittmeister oder Haupt¬
mann im Regimente gedient und eine große Concentration als solcher mitgemacht,
sowie ferner, daß keiner zum General ernannt werde, der nicht unter gleichen
Bedingungen ein Regiment geführt. Der General muß den Soldaten und seine
Bedürfnisse kennen, seine Untergebenen richtig beurtheilen können, wissen, was
Mann und,Pferd zu leisten vermögen, und diese Kenntnisse und Erfahrungen
erwirbt man in Friedenszeiten nur auf längeren Märschen und im Lager.


Grenzboten III. 1862. S8

der ersten französischen Revolution völlig aufgehört in den Regimentern zu
existiren.

Die' Subaltcrnosfiziere genießen aber auch im eigenen Lande wenig
Achtung und Ansehen, die Mehrzahl ist zu roh und zu ungebildet.

Der französische Unteroffizier ist viel seltener verheirathet als der deutsche.
Die Frauen der beförderten Sergeanten müssen eine andere Lebensweise anneh¬
men, als die gewohnte, suhlen sich nie heimisch in der Gesellschaft der anderen
Ofsizieröfrauen und wirken mithin stets deprimirend ein auf ihre Männer, de¬
ren Sold zudem nicht ausreicht, Frau und Kind der neuen Stellung gemäß zu
halten und erziehen zu lassen. Eine Ehre wohl, aber keinen Dienst hat man
dem Sergeanten erzeigt.

Das auch von anderen Militärschriststellern hervorgehobene Beispiel der
französischen Armee, in der unter Napoleon dem Ersten die Mehrzahl der aus¬
gezeichnetsten Generäle und Marschälle aus der Classe der Unteroffiziere hervor¬
gegangen, kann für unsere deutschen Armeen nicht als Grund angeführt wer¬
den, einen Theil der Offizierstellen gesetzmäßig den Unteroffizieren einzuräumen,
wenigstens nicht in Friedenszeiten. Ganz andere Verhältnisse als die gewöhn¬
lichen lagen in Frankreich vor in der langen Periode von 1792—1815. In
der Zeit des Eonvents und des Directoriums, während der ganzen Schreckens¬
zeit traten alle ehr- und srciheitlicbende junge Männer in die Armee ein,
weil sie nur dort Sicherheit, Ehre und Freiheit finden konnten; während der
Herrschaft Napoleons als Consul und als Kaiser war der Verlust an Offizieren
auf den Schlachtfeldern und in den Hospitälern so enorm, daß ein großer Theil
der Offizierstellen mit Unteroffizieren besetzt werden mußte; die Militärschulen
konnten nicht genug Zöglinge heranbilden.

In der ganzen langen Kriegsperiode der Republik und des Kaiserreichs
fanden junge fähige und ehrgeizige Männer leicht und häufig Gelegenheit, sich
auszuzeichnen und bemerklich zu machen, somit rasch von den unteren zu den
höheren Stufen sich emporzuschwingen.

Unsre Vorschläge sind folgende: In Friedenszeiten gehe das Avancement bis
zum Hauptmann oder Rittmeister auf gewohnte Weise fort, dann aber höre das
Dienstalter auf der alleinige Maßstal) zur Beförderung zu sein. Nur darauf ist
streng zu halten, daß kein Offizier aus dem Generalstabe oder der Adjutantur zum
Stabsoffizier vorrückt, der nicht wenigstens ein Jahr als Rittmeister oder Haupt¬
mann im Regimente gedient und eine große Concentration als solcher mitgemacht,
sowie ferner, daß keiner zum General ernannt werde, der nicht unter gleichen
Bedingungen ein Regiment geführt. Der General muß den Soldaten und seine
Bedürfnisse kennen, seine Untergebenen richtig beurtheilen können, wissen, was
Mann und,Pferd zu leisten vermögen, und diese Kenntnisse und Erfahrungen
erwirbt man in Friedenszeiten nur auf längeren Märschen und im Lager.


Grenzboten III. 1862. S8
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[0465] der ersten französischen Revolution völlig aufgehört in den Regimentern zu existiren. Die' Subaltcrnosfiziere genießen aber auch im eigenen Lande wenig Achtung und Ansehen, die Mehrzahl ist zu roh und zu ungebildet. Der französische Unteroffizier ist viel seltener verheirathet als der deutsche. Die Frauen der beförderten Sergeanten müssen eine andere Lebensweise anneh¬ men, als die gewohnte, suhlen sich nie heimisch in der Gesellschaft der anderen Ofsizieröfrauen und wirken mithin stets deprimirend ein auf ihre Männer, de¬ ren Sold zudem nicht ausreicht, Frau und Kind der neuen Stellung gemäß zu halten und erziehen zu lassen. Eine Ehre wohl, aber keinen Dienst hat man dem Sergeanten erzeigt. Das auch von anderen Militärschriststellern hervorgehobene Beispiel der französischen Armee, in der unter Napoleon dem Ersten die Mehrzahl der aus¬ gezeichnetsten Generäle und Marschälle aus der Classe der Unteroffiziere hervor¬ gegangen, kann für unsere deutschen Armeen nicht als Grund angeführt wer¬ den, einen Theil der Offizierstellen gesetzmäßig den Unteroffizieren einzuräumen, wenigstens nicht in Friedenszeiten. Ganz andere Verhältnisse als die gewöhn¬ lichen lagen in Frankreich vor in der langen Periode von 1792—1815. In der Zeit des Eonvents und des Directoriums, während der ganzen Schreckens¬ zeit traten alle ehr- und srciheitlicbende junge Männer in die Armee ein, weil sie nur dort Sicherheit, Ehre und Freiheit finden konnten; während der Herrschaft Napoleons als Consul und als Kaiser war der Verlust an Offizieren auf den Schlachtfeldern und in den Hospitälern so enorm, daß ein großer Theil der Offizierstellen mit Unteroffizieren besetzt werden mußte; die Militärschulen konnten nicht genug Zöglinge heranbilden. In der ganzen langen Kriegsperiode der Republik und des Kaiserreichs fanden junge fähige und ehrgeizige Männer leicht und häufig Gelegenheit, sich auszuzeichnen und bemerklich zu machen, somit rasch von den unteren zu den höheren Stufen sich emporzuschwingen. Unsre Vorschläge sind folgende: In Friedenszeiten gehe das Avancement bis zum Hauptmann oder Rittmeister auf gewohnte Weise fort, dann aber höre das Dienstalter auf der alleinige Maßstal) zur Beförderung zu sein. Nur darauf ist streng zu halten, daß kein Offizier aus dem Generalstabe oder der Adjutantur zum Stabsoffizier vorrückt, der nicht wenigstens ein Jahr als Rittmeister oder Haupt¬ mann im Regimente gedient und eine große Concentration als solcher mitgemacht, sowie ferner, daß keiner zum General ernannt werde, der nicht unter gleichen Bedingungen ein Regiment geführt. Der General muß den Soldaten und seine Bedürfnisse kennen, seine Untergebenen richtig beurtheilen können, wissen, was Mann und,Pferd zu leisten vermögen, und diese Kenntnisse und Erfahrungen erwirbt man in Friedenszeiten nur auf längeren Märschen und im Lager. Grenzboten III. 1862. S8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/465>, abgerufen am 28.08.2024.