Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den jetzigen Verhältnissen entsprechende Organisation einzuführen: zu frühe ist
man auf halbem Wege stehen geblieben.

Bei den jüngeren Männern der gebildeten Stände ist eine glühende Vater¬
landsliebe, ein starker Grad von Ehrgeiz vorauszusetzen; diese jungen Männer
wissen, daß sie nicht nur berufen sind, ihr Baterland zu vertheidigen, sie fühlen
auch, daß sie für ihren dereinstigen Besitz, für ihre zukünftige Stellung im
Staate zu kämpfen haben, und wissen sehr wohl, daß eine nicht zu lange
Dienstzeit sie geistig und körperlich kräftigen, für ihren dereinstigen Beruf
fähiger machen wird.

Nicht nur für die Armee' selbst wäre eine solche Reform wohlthätig, indem
sie ihr mehr geistige Kräfte zuführte, eine größere Auswahl unter den zu Ober-
und Unterofsizierstellen tauglichen jungen Männern gestattete und die Regie¬
rung in die Nothwendigkeit versetzte, jüngere, kräftigere, fähigere, ihres schwie¬
rigen Berufes würdigere Männer an die Spitze der Regimenter und der
größeren Abtheilungen zu stellen, sondern auch dem ganzen Lande würde eine
solche Reform zum Nutzen und Frommen gereichen.

In der für alle gemeinsamen Schule der Armee, welche keinen Unterschied
der Stände kennt, da sie nur ein Gesetz hat, dem alle, ob Hohe oder Niedere
gleichmäßig zu gehorchen haben, verschwindet dieser Unterschied. Die jungen
Männer lernen in der Armee ihren Kriegsherren ehren, ihr Vaterland lieben,
kräftigen sich geistig und körperlich, gewöhnen sich daran zu gehorchen und zu
befehlen, nehmen Zucht und Ordnung an und fügen sich dem Gesetze unbedingt-
sie werden aus tüchtigen und ehrliebenden Soldaten selbständige, von kriege¬
rischem Geiste beseelte Männer, nicht blos Gelehrsamkeit, blinde Unterwürfig¬
keit gegen Vorgesetzte oder das Geld allein achtende Beamte und Geschäftsleute.
In der kurzen Dienstzeit verlernen die jungen Männer nicht die Kenntnisse, die
sie sich erworben und deren sie dereinst bedürfen (es kann ja darauf, wie in
der preußischen Armee Rücksicht genommen werden). Vorausgesetzt, daß alle
jungen Leute der gebildeten Stände dienen müssen, nicht nur einzelne, wie jetzt
-der Fall, lernen die jungen Männer dieser Stände nicht nur einen beschränkten,
exclusiver Kreis von Altersgenossen kennen, sondern bewegen sich in einem
größeren, aus den verschiedensten Elementen bestehenden, lernen sich selbst rich¬
tig beurtheilen, sowie sie selbst kennen gelernt und richtiger gewürdigt werden,
als dieses jetzt auf Schulen und Universitäten der Fall ist.

Sind die jungen Leute der gebildeten Stände vorzugsweise, wie bei den
Römern während der ersten Jahrhunderte der Republik die Ritter und die
römischen Bürger, wie bei den alten Germanen bis zu den Zeiten Karl des
Großen die Freien, der Dienstpflicht unterworfen, so kann ihnen dagegen eine
kürzere Dienstzeit zugestanden werden. In kürzerer Frist erlernen Recruten die¬
ser Classen das Mechanische des Dienstes, eignen sich den militärischen Geist,


den jetzigen Verhältnissen entsprechende Organisation einzuführen: zu frühe ist
man auf halbem Wege stehen geblieben.

Bei den jüngeren Männern der gebildeten Stände ist eine glühende Vater¬
landsliebe, ein starker Grad von Ehrgeiz vorauszusetzen; diese jungen Männer
wissen, daß sie nicht nur berufen sind, ihr Baterland zu vertheidigen, sie fühlen
auch, daß sie für ihren dereinstigen Besitz, für ihre zukünftige Stellung im
Staate zu kämpfen haben, und wissen sehr wohl, daß eine nicht zu lange
Dienstzeit sie geistig und körperlich kräftigen, für ihren dereinstigen Beruf
fähiger machen wird.

Nicht nur für die Armee' selbst wäre eine solche Reform wohlthätig, indem
sie ihr mehr geistige Kräfte zuführte, eine größere Auswahl unter den zu Ober-
und Unterofsizierstellen tauglichen jungen Männern gestattete und die Regie¬
rung in die Nothwendigkeit versetzte, jüngere, kräftigere, fähigere, ihres schwie¬
rigen Berufes würdigere Männer an die Spitze der Regimenter und der
größeren Abtheilungen zu stellen, sondern auch dem ganzen Lande würde eine
solche Reform zum Nutzen und Frommen gereichen.

In der für alle gemeinsamen Schule der Armee, welche keinen Unterschied
der Stände kennt, da sie nur ein Gesetz hat, dem alle, ob Hohe oder Niedere
gleichmäßig zu gehorchen haben, verschwindet dieser Unterschied. Die jungen
Männer lernen in der Armee ihren Kriegsherren ehren, ihr Vaterland lieben,
kräftigen sich geistig und körperlich, gewöhnen sich daran zu gehorchen und zu
befehlen, nehmen Zucht und Ordnung an und fügen sich dem Gesetze unbedingt-
sie werden aus tüchtigen und ehrliebenden Soldaten selbständige, von kriege¬
rischem Geiste beseelte Männer, nicht blos Gelehrsamkeit, blinde Unterwürfig¬
keit gegen Vorgesetzte oder das Geld allein achtende Beamte und Geschäftsleute.
In der kurzen Dienstzeit verlernen die jungen Männer nicht die Kenntnisse, die
sie sich erworben und deren sie dereinst bedürfen (es kann ja darauf, wie in
der preußischen Armee Rücksicht genommen werden). Vorausgesetzt, daß alle
jungen Leute der gebildeten Stände dienen müssen, nicht nur einzelne, wie jetzt
-der Fall, lernen die jungen Männer dieser Stände nicht nur einen beschränkten,
exclusiver Kreis von Altersgenossen kennen, sondern bewegen sich in einem
größeren, aus den verschiedensten Elementen bestehenden, lernen sich selbst rich¬
tig beurtheilen, sowie sie selbst kennen gelernt und richtiger gewürdigt werden,
als dieses jetzt auf Schulen und Universitäten der Fall ist.

Sind die jungen Leute der gebildeten Stände vorzugsweise, wie bei den
Römern während der ersten Jahrhunderte der Republik die Ritter und die
römischen Bürger, wie bei den alten Germanen bis zu den Zeiten Karl des
Großen die Freien, der Dienstpflicht unterworfen, so kann ihnen dagegen eine
kürzere Dienstzeit zugestanden werden. In kürzerer Frist erlernen Recruten die¬
ser Classen das Mechanische des Dienstes, eignen sich den militärischen Geist,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114774"/>
          <p xml:id="ID_1789" prev="#ID_1788"> den jetzigen Verhältnissen entsprechende Organisation einzuführen: zu frühe ist<lb/>
man auf halbem Wege stehen geblieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1790"> Bei den jüngeren Männern der gebildeten Stände ist eine glühende Vater¬<lb/>
landsliebe, ein starker Grad von Ehrgeiz vorauszusetzen; diese jungen Männer<lb/>
wissen, daß sie nicht nur berufen sind, ihr Baterland zu vertheidigen, sie fühlen<lb/>
auch, daß sie für ihren dereinstigen Besitz, für ihre zukünftige Stellung im<lb/>
Staate zu kämpfen haben, und wissen sehr wohl, daß eine nicht zu lange<lb/>
Dienstzeit sie geistig und körperlich kräftigen, für ihren dereinstigen Beruf<lb/>
fähiger machen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1791"> Nicht nur für die Armee' selbst wäre eine solche Reform wohlthätig, indem<lb/>
sie ihr mehr geistige Kräfte zuführte, eine größere Auswahl unter den zu Ober-<lb/>
und Unterofsizierstellen tauglichen jungen Männern gestattete und die Regie¬<lb/>
rung in die Nothwendigkeit versetzte, jüngere, kräftigere, fähigere, ihres schwie¬<lb/>
rigen Berufes würdigere Männer an die Spitze der Regimenter und der<lb/>
größeren Abtheilungen zu stellen, sondern auch dem ganzen Lande würde eine<lb/>
solche Reform zum Nutzen und Frommen gereichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1792"> In der für alle gemeinsamen Schule der Armee, welche keinen Unterschied<lb/>
der Stände kennt, da sie nur ein Gesetz hat, dem alle, ob Hohe oder Niedere<lb/>
gleichmäßig zu gehorchen haben, verschwindet dieser Unterschied. Die jungen<lb/>
Männer lernen in der Armee ihren Kriegsherren ehren, ihr Vaterland lieben,<lb/>
kräftigen sich geistig und körperlich, gewöhnen sich daran zu gehorchen und zu<lb/>
befehlen, nehmen Zucht und Ordnung an und fügen sich dem Gesetze unbedingt-<lb/>
sie werden aus tüchtigen und ehrliebenden Soldaten selbständige, von kriege¬<lb/>
rischem Geiste beseelte Männer, nicht blos Gelehrsamkeit, blinde Unterwürfig¬<lb/>
keit gegen Vorgesetzte oder das Geld allein achtende Beamte und Geschäftsleute.<lb/>
In der kurzen Dienstzeit verlernen die jungen Männer nicht die Kenntnisse, die<lb/>
sie sich erworben und deren sie dereinst bedürfen (es kann ja darauf, wie in<lb/>
der preußischen Armee Rücksicht genommen werden). Vorausgesetzt, daß alle<lb/>
jungen Leute der gebildeten Stände dienen müssen, nicht nur einzelne, wie jetzt<lb/>
-der Fall, lernen die jungen Männer dieser Stände nicht nur einen beschränkten,<lb/>
exclusiver Kreis von Altersgenossen kennen, sondern bewegen sich in einem<lb/>
größeren, aus den verschiedensten Elementen bestehenden, lernen sich selbst rich¬<lb/>
tig beurtheilen, sowie sie selbst kennen gelernt und richtiger gewürdigt werden,<lb/>
als dieses jetzt auf Schulen und Universitäten der Fall ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1793" next="#ID_1794"> Sind die jungen Leute der gebildeten Stände vorzugsweise, wie bei den<lb/>
Römern während der ersten Jahrhunderte der Republik die Ritter und die<lb/>
römischen Bürger, wie bei den alten Germanen bis zu den Zeiten Karl des<lb/>
Großen die Freien, der Dienstpflicht unterworfen, so kann ihnen dagegen eine<lb/>
kürzere Dienstzeit zugestanden werden. In kürzerer Frist erlernen Recruten die¬<lb/>
ser Classen das Mechanische des Dienstes, eignen sich den militärischen Geist,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] den jetzigen Verhältnissen entsprechende Organisation einzuführen: zu frühe ist man auf halbem Wege stehen geblieben. Bei den jüngeren Männern der gebildeten Stände ist eine glühende Vater¬ landsliebe, ein starker Grad von Ehrgeiz vorauszusetzen; diese jungen Männer wissen, daß sie nicht nur berufen sind, ihr Baterland zu vertheidigen, sie fühlen auch, daß sie für ihren dereinstigen Besitz, für ihre zukünftige Stellung im Staate zu kämpfen haben, und wissen sehr wohl, daß eine nicht zu lange Dienstzeit sie geistig und körperlich kräftigen, für ihren dereinstigen Beruf fähiger machen wird. Nicht nur für die Armee' selbst wäre eine solche Reform wohlthätig, indem sie ihr mehr geistige Kräfte zuführte, eine größere Auswahl unter den zu Ober- und Unterofsizierstellen tauglichen jungen Männern gestattete und die Regie¬ rung in die Nothwendigkeit versetzte, jüngere, kräftigere, fähigere, ihres schwie¬ rigen Berufes würdigere Männer an die Spitze der Regimenter und der größeren Abtheilungen zu stellen, sondern auch dem ganzen Lande würde eine solche Reform zum Nutzen und Frommen gereichen. In der für alle gemeinsamen Schule der Armee, welche keinen Unterschied der Stände kennt, da sie nur ein Gesetz hat, dem alle, ob Hohe oder Niedere gleichmäßig zu gehorchen haben, verschwindet dieser Unterschied. Die jungen Männer lernen in der Armee ihren Kriegsherren ehren, ihr Vaterland lieben, kräftigen sich geistig und körperlich, gewöhnen sich daran zu gehorchen und zu befehlen, nehmen Zucht und Ordnung an und fügen sich dem Gesetze unbedingt- sie werden aus tüchtigen und ehrliebenden Soldaten selbständige, von kriege¬ rischem Geiste beseelte Männer, nicht blos Gelehrsamkeit, blinde Unterwürfig¬ keit gegen Vorgesetzte oder das Geld allein achtende Beamte und Geschäftsleute. In der kurzen Dienstzeit verlernen die jungen Männer nicht die Kenntnisse, die sie sich erworben und deren sie dereinst bedürfen (es kann ja darauf, wie in der preußischen Armee Rücksicht genommen werden). Vorausgesetzt, daß alle jungen Leute der gebildeten Stände dienen müssen, nicht nur einzelne, wie jetzt -der Fall, lernen die jungen Männer dieser Stände nicht nur einen beschränkten, exclusiver Kreis von Altersgenossen kennen, sondern bewegen sich in einem größeren, aus den verschiedensten Elementen bestehenden, lernen sich selbst rich¬ tig beurtheilen, sowie sie selbst kennen gelernt und richtiger gewürdigt werden, als dieses jetzt auf Schulen und Universitäten der Fall ist. Sind die jungen Leute der gebildeten Stände vorzugsweise, wie bei den Römern während der ersten Jahrhunderte der Republik die Ritter und die römischen Bürger, wie bei den alten Germanen bis zu den Zeiten Karl des Großen die Freien, der Dienstpflicht unterworfen, so kann ihnen dagegen eine kürzere Dienstzeit zugestanden werden. In kürzerer Frist erlernen Recruten die¬ ser Classen das Mechanische des Dienstes, eignen sich den militärischen Geist,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/460>, abgerufen am 28.08.2024.