Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einem Stühlchen eine elende Lithographie mit dem Bilde der Mutter Gottes
und dem Christuskindlein oder auch wohl eine bunte Puppe mit einem Licht-
stümpfchen davor aufgestellt und betteln den Vorübergehenden an um einen
dsjoeko per la Naöonna, per ig. pupg-^a; und weiter oben, an der Ecke der
Via Pinciana jene Bude der Gemüse- und Fettwaarenhändler, um den die
reizende Gruppe der Landleute in den allermalerischsten Costümen gelagert ist,
Männer, Frauen und Kinder, ist festlich geschmückt, wie alle ihres Gleichen, mit
Laubgewinden und bunten Lämpchen. Denn ist die Fastenzeit vorüber, so
verwandeln sich die Buden aller Kleinhändler in Tempelchen; in der Umgebung
von Kohlköpfen. Apfelsinen, Wurst. Käse und Schinken, das Bild, nicht des
Wurst- oder Käse-Gottes, sondern dieses oder jenes Schutzheiligen oder irgend
eine Darstellung aus dem Leiden Christi, in naivster Weise aufgefaßt. Die
Landleute, im malerischen Costüm der Abruzzen. jene schönen Weiver, stattlichen
Männer und lieblichen Kinder sind -- Modelle; das harmlose Völkchen hat in
der Nähe seine Wohnungen und treibt sich den ganzen Tag auf der Via Felice
oder auf der großen Treppe des Spanischen Platzes herum, zur Disposition für
die Bedürfnisse der Maler und Bildhauer. Schade, daß diese Gestalten, diese
Köpfe, würdig des Pinsels eines Velasquez, diese wunderbar kleidsame Tracht,
daß das alles Flitterwerk, alles unächt ist, denn nur wenige von ihnen haben
das Land gesehen, welches sie darstellen. Das italienische Volk sieht durchaus
anders aus, als wir gewohnt sind, es auf Bildern zu sehen; wer längere Zeit
in Rom gewesen, erkennt, nach Deutschland zurückgekehrt, auf den italienischen
Bildern der Ausstellung alle bekannte Gesichter heraus; in einer reizenden
Albanerin, Cervaresin. Nettuneserin :c. die Stella, die Toka, Alessandra, wie sie
alle heißen, die in Rom in der Purificazione Ur. so und so wohnen, und das
Albaner und Sabiner Gevirge, die Küsten von Nettuno nur von Rom aus
gesehen haben; aber gerade in Italien bewahrt jeder Ort seine durchaus cha¬
rakteristische Eigenthümlichkeit, die sich nicht blos in der Tracht, in der Art
und Weise, die Tovagiia zu falten, sondern im ganzen Wesen ausspricht, und
ein geübtes Auge erkennt unter den Massen des Landvolkes in Rom an dieser
oder jener Eigenthümlichkeit genau den Heimathsort eines jeden heraus. Das
Volk ist in seiner Heimath über alle Maßen schmutzig und eignet sich selten
dazu, in lieblichen Genrebildern wiedergegeben,zu werden.

Steigen wir uun von der Trinita del Monte die Königin aller Treppen
nach dem Spanischen Platze hinab, so finden wir wieder auf den Stufen male¬
lisch gruppirt die Modelle, und ist es im Herbste ihre guten Freunde die Piffe-
rari. Diese kommen im November aus den Bergen nach Rom, räuberartige Ge¬
stalten, singen vor den Madonnenbildern zum Dudelsack und zur Flöte ihre
eigenthümlichen Weisen, wie einst die Hirten des gelobten Landes zur Wiege
Christi kamen. Da steht auf einem der Treppenabsätze ein französischer Wacht-


einem Stühlchen eine elende Lithographie mit dem Bilde der Mutter Gottes
und dem Christuskindlein oder auch wohl eine bunte Puppe mit einem Licht-
stümpfchen davor aufgestellt und betteln den Vorübergehenden an um einen
dsjoeko per la Naöonna, per ig. pupg-^a; und weiter oben, an der Ecke der
Via Pinciana jene Bude der Gemüse- und Fettwaarenhändler, um den die
reizende Gruppe der Landleute in den allermalerischsten Costümen gelagert ist,
Männer, Frauen und Kinder, ist festlich geschmückt, wie alle ihres Gleichen, mit
Laubgewinden und bunten Lämpchen. Denn ist die Fastenzeit vorüber, so
verwandeln sich die Buden aller Kleinhändler in Tempelchen; in der Umgebung
von Kohlköpfen. Apfelsinen, Wurst. Käse und Schinken, das Bild, nicht des
Wurst- oder Käse-Gottes, sondern dieses oder jenes Schutzheiligen oder irgend
eine Darstellung aus dem Leiden Christi, in naivster Weise aufgefaßt. Die
Landleute, im malerischen Costüm der Abruzzen. jene schönen Weiver, stattlichen
Männer und lieblichen Kinder sind — Modelle; das harmlose Völkchen hat in
der Nähe seine Wohnungen und treibt sich den ganzen Tag auf der Via Felice
oder auf der großen Treppe des Spanischen Platzes herum, zur Disposition für
die Bedürfnisse der Maler und Bildhauer. Schade, daß diese Gestalten, diese
Köpfe, würdig des Pinsels eines Velasquez, diese wunderbar kleidsame Tracht,
daß das alles Flitterwerk, alles unächt ist, denn nur wenige von ihnen haben
das Land gesehen, welches sie darstellen. Das italienische Volk sieht durchaus
anders aus, als wir gewohnt sind, es auf Bildern zu sehen; wer längere Zeit
in Rom gewesen, erkennt, nach Deutschland zurückgekehrt, auf den italienischen
Bildern der Ausstellung alle bekannte Gesichter heraus; in einer reizenden
Albanerin, Cervaresin. Nettuneserin :c. die Stella, die Toka, Alessandra, wie sie
alle heißen, die in Rom in der Purificazione Ur. so und so wohnen, und das
Albaner und Sabiner Gevirge, die Küsten von Nettuno nur von Rom aus
gesehen haben; aber gerade in Italien bewahrt jeder Ort seine durchaus cha¬
rakteristische Eigenthümlichkeit, die sich nicht blos in der Tracht, in der Art
und Weise, die Tovagiia zu falten, sondern im ganzen Wesen ausspricht, und
ein geübtes Auge erkennt unter den Massen des Landvolkes in Rom an dieser
oder jener Eigenthümlichkeit genau den Heimathsort eines jeden heraus. Das
Volk ist in seiner Heimath über alle Maßen schmutzig und eignet sich selten
dazu, in lieblichen Genrebildern wiedergegeben,zu werden.

Steigen wir uun von der Trinita del Monte die Königin aller Treppen
nach dem Spanischen Platze hinab, so finden wir wieder auf den Stufen male¬
lisch gruppirt die Modelle, und ist es im Herbste ihre guten Freunde die Piffe-
rari. Diese kommen im November aus den Bergen nach Rom, räuberartige Ge¬
stalten, singen vor den Madonnenbildern zum Dudelsack und zur Flöte ihre
eigenthümlichen Weisen, wie einst die Hirten des gelobten Landes zur Wiege
Christi kamen. Da steht auf einem der Treppenabsätze ein französischer Wacht-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114752"/>
            <p xml:id="ID_1716" prev="#ID_1715"> einem Stühlchen eine elende Lithographie mit dem Bilde der Mutter Gottes<lb/>
und dem Christuskindlein oder auch wohl eine bunte Puppe mit einem Licht-<lb/>
stümpfchen davor aufgestellt und betteln den Vorübergehenden an um einen<lb/>
dsjoeko per la Naöonna, per ig. pupg-^a; und weiter oben, an der Ecke der<lb/>
Via Pinciana jene Bude der Gemüse- und Fettwaarenhändler, um den die<lb/>
reizende Gruppe der Landleute in den allermalerischsten Costümen gelagert ist,<lb/>
Männer, Frauen und Kinder, ist festlich geschmückt, wie alle ihres Gleichen, mit<lb/>
Laubgewinden und bunten Lämpchen. Denn ist die Fastenzeit vorüber, so<lb/>
verwandeln sich die Buden aller Kleinhändler in Tempelchen; in der Umgebung<lb/>
von Kohlköpfen. Apfelsinen, Wurst. Käse und Schinken, das Bild, nicht des<lb/>
Wurst- oder Käse-Gottes, sondern dieses oder jenes Schutzheiligen oder irgend<lb/>
eine Darstellung aus dem Leiden Christi, in naivster Weise aufgefaßt. Die<lb/>
Landleute, im malerischen Costüm der Abruzzen. jene schönen Weiver, stattlichen<lb/>
Männer und lieblichen Kinder sind &#x2014; Modelle; das harmlose Völkchen hat in<lb/>
der Nähe seine Wohnungen und treibt sich den ganzen Tag auf der Via Felice<lb/>
oder auf der großen Treppe des Spanischen Platzes herum, zur Disposition für<lb/>
die Bedürfnisse der Maler und Bildhauer. Schade, daß diese Gestalten, diese<lb/>
Köpfe, würdig des Pinsels eines Velasquez, diese wunderbar kleidsame Tracht,<lb/>
daß das alles Flitterwerk, alles unächt ist, denn nur wenige von ihnen haben<lb/>
das Land gesehen, welches sie darstellen. Das italienische Volk sieht durchaus<lb/>
anders aus, als wir gewohnt sind, es auf Bildern zu sehen; wer längere Zeit<lb/>
in Rom gewesen, erkennt, nach Deutschland zurückgekehrt, auf den italienischen<lb/>
Bildern der Ausstellung alle bekannte Gesichter heraus; in einer reizenden<lb/>
Albanerin, Cervaresin. Nettuneserin :c. die Stella, die Toka, Alessandra, wie sie<lb/>
alle heißen, die in Rom in der Purificazione Ur. so und so wohnen, und das<lb/>
Albaner und Sabiner Gevirge, die Küsten von Nettuno nur von Rom aus<lb/>
gesehen haben; aber gerade in Italien bewahrt jeder Ort seine durchaus cha¬<lb/>
rakteristische Eigenthümlichkeit, die sich nicht blos in der Tracht, in der Art<lb/>
und Weise, die Tovagiia zu falten, sondern im ganzen Wesen ausspricht, und<lb/>
ein geübtes Auge erkennt unter den Massen des Landvolkes in Rom an dieser<lb/>
oder jener Eigenthümlichkeit genau den Heimathsort eines jeden heraus. Das<lb/>
Volk ist in seiner Heimath über alle Maßen schmutzig und eignet sich selten<lb/>
dazu, in lieblichen Genrebildern wiedergegeben,zu werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1717" next="#ID_1718"> Steigen wir uun von der Trinita del Monte die Königin aller Treppen<lb/>
nach dem Spanischen Platze hinab, so finden wir wieder auf den Stufen male¬<lb/>
lisch gruppirt die Modelle, und ist es im Herbste ihre guten Freunde die Piffe-<lb/>
rari. Diese kommen im November aus den Bergen nach Rom, räuberartige Ge¬<lb/>
stalten, singen vor den Madonnenbildern zum Dudelsack und zur Flöte ihre<lb/>
eigenthümlichen Weisen, wie einst die Hirten des gelobten Landes zur Wiege<lb/>
Christi kamen. Da steht auf einem der Treppenabsätze ein französischer Wacht-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0438] einem Stühlchen eine elende Lithographie mit dem Bilde der Mutter Gottes und dem Christuskindlein oder auch wohl eine bunte Puppe mit einem Licht- stümpfchen davor aufgestellt und betteln den Vorübergehenden an um einen dsjoeko per la Naöonna, per ig. pupg-^a; und weiter oben, an der Ecke der Via Pinciana jene Bude der Gemüse- und Fettwaarenhändler, um den die reizende Gruppe der Landleute in den allermalerischsten Costümen gelagert ist, Männer, Frauen und Kinder, ist festlich geschmückt, wie alle ihres Gleichen, mit Laubgewinden und bunten Lämpchen. Denn ist die Fastenzeit vorüber, so verwandeln sich die Buden aller Kleinhändler in Tempelchen; in der Umgebung von Kohlköpfen. Apfelsinen, Wurst. Käse und Schinken, das Bild, nicht des Wurst- oder Käse-Gottes, sondern dieses oder jenes Schutzheiligen oder irgend eine Darstellung aus dem Leiden Christi, in naivster Weise aufgefaßt. Die Landleute, im malerischen Costüm der Abruzzen. jene schönen Weiver, stattlichen Männer und lieblichen Kinder sind — Modelle; das harmlose Völkchen hat in der Nähe seine Wohnungen und treibt sich den ganzen Tag auf der Via Felice oder auf der großen Treppe des Spanischen Platzes herum, zur Disposition für die Bedürfnisse der Maler und Bildhauer. Schade, daß diese Gestalten, diese Köpfe, würdig des Pinsels eines Velasquez, diese wunderbar kleidsame Tracht, daß das alles Flitterwerk, alles unächt ist, denn nur wenige von ihnen haben das Land gesehen, welches sie darstellen. Das italienische Volk sieht durchaus anders aus, als wir gewohnt sind, es auf Bildern zu sehen; wer längere Zeit in Rom gewesen, erkennt, nach Deutschland zurückgekehrt, auf den italienischen Bildern der Ausstellung alle bekannte Gesichter heraus; in einer reizenden Albanerin, Cervaresin. Nettuneserin :c. die Stella, die Toka, Alessandra, wie sie alle heißen, die in Rom in der Purificazione Ur. so und so wohnen, und das Albaner und Sabiner Gevirge, die Küsten von Nettuno nur von Rom aus gesehen haben; aber gerade in Italien bewahrt jeder Ort seine durchaus cha¬ rakteristische Eigenthümlichkeit, die sich nicht blos in der Tracht, in der Art und Weise, die Tovagiia zu falten, sondern im ganzen Wesen ausspricht, und ein geübtes Auge erkennt unter den Massen des Landvolkes in Rom an dieser oder jener Eigenthümlichkeit genau den Heimathsort eines jeden heraus. Das Volk ist in seiner Heimath über alle Maßen schmutzig und eignet sich selten dazu, in lieblichen Genrebildern wiedergegeben,zu werden. Steigen wir uun von der Trinita del Monte die Königin aller Treppen nach dem Spanischen Platze hinab, so finden wir wieder auf den Stufen male¬ lisch gruppirt die Modelle, und ist es im Herbste ihre guten Freunde die Piffe- rari. Diese kommen im November aus den Bergen nach Rom, räuberartige Ge¬ stalten, singen vor den Madonnenbildern zum Dudelsack und zur Flöte ihre eigenthümlichen Weisen, wie einst die Hirten des gelobten Landes zur Wiege Christi kamen. Da steht auf einem der Treppenabsätze ein französischer Wacht-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/438
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/438>, abgerufen am 26.08.2024.