Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Posten, um zu verhindern, daß dieser srequentirte Ort, ein Centrum der elegan¬
ten Welt, nicht verunreinigt werde, und der deshalb jedes Stillestehen durch ein
herrisches "?g.8S62" verhindert. Italiener verrichten ohne Scheu auf öffentlicher
Straße, an Thüren, Mauern, Säulenhallen und auf Spaziergängen dasjenige,
wozu man bei uns abgelegene Winkel und womöglich behagliches Alleinsein hin¬
ter Schloß und Riegel aufsucht; sie lösen jene Fragen, die der Berliner Straßen¬
polizei so viel zu schaffen machen, auf eine ebenso einfache als natürliche Weise.
Ein "dieser Ort darf nicht verunreinigt werden" würde in Rom nur eine lächer¬
liche Forderung sein, wo man Kreuze und Heiligenbilder vergeblich an diejenigen
Stellen malt, die man rein zu erhalten wünscht und wo man an die Kirchen-
mauern durchaus erfolglos: üisxetwts la oass, al Sari ?ietro ^xostolo,
äella Lantissima Ng-äonng,, ceo. schreibt. Vielleicht ist das Drohen mit dem
göttlichen Zorn im alten Rom erfolgreicher gewesen; denn daß man schon damals
seine Zuflucht dazu nehmen mußte, beweist eine alte Inschrift, die man in dem
Titus-Thermen fand: "Li puis die irunxerit aut eg.eavit, iratos cleos liadoat
5vo<zu, DianÄin ete." Ein alter Krüppel ohne Beine ist die einzige Person,
die der französische Soldat dort oben neben sich duldet, der Alte, der jedem
Vorübergehenden buon siorno LiZnore oder LiMvring. zuruft und mit
seiner Bettelei ganz gute Geschäfte macht; denn er soll eine seiner Töchter
bereits durch eine Mitgift von 12,000 Scudi ausgestattet haben und jetzt an
der Mitgift für die zweite sammeln. Am Fuße der Treppe hat ein Mensch
Platz genommen, der aus dem Scheeren von Hunden ein Gewerbe macht. Vor
dem Cafe ^ Greco in der Via Condotti sind Stühle, Bänke und Tische weit in
die Straße hinausgerückt; denn es ist italienischer Mai, und man zieht den
Aufenthalt im Freien dem höhlenartigen Raum des Inneren vor; es ist
eins der vornehmsten East's, hauptsächlich von Fremden, namentlich von
deutschen Künstlern besucht. Die Augsburger Allgemeine ist ein gesuchter
Gegenstand, das einzige deutsche Journal in Rom, fast in allen Cas6s vor¬
handen ; sie ist natürlich von zwei und drei und mehr Personen schon im Voraus
mit Beschlag belegt, und so geben wir der Aufforderung eines der vielen Jungen
nach, die mit einem kleinen Apparat zum Schuh- und Kleiderreinigen herbeieilen
und erfahren, wie schmutzig wir seien. Während der Operation des Ge¬
reinigtwerdens schlürfen wir unsern Kaffee und verspeisen ein Gebäck, das man
hier nach den Wiener Gipfeln: "Zuixttö^ benennt. In dem Hause drüben
wohnt im Parterre Herr Spillmann, der berühmteste Restaurateur Roms,
nicht ein Restaurateur alter Bilder, sondern der Bereiter feiner, schmackhafter
Speisen, die derjenige genießen kann, welcher im Stande ist, für sein Couvert
an der tiMe 6'Kute einen sendo, ohne Wein, zu bezahlen. Aber die künstlerisch
arrangirte Gruppe von Wild, ein Rehbock, ein Stachelschwein aus einem Hügel
von Schnepfen, Fasanen und den verschiedensten Arten wilder Enten würden


Posten, um zu verhindern, daß dieser srequentirte Ort, ein Centrum der elegan¬
ten Welt, nicht verunreinigt werde, und der deshalb jedes Stillestehen durch ein
herrisches „?g.8S62" verhindert. Italiener verrichten ohne Scheu auf öffentlicher
Straße, an Thüren, Mauern, Säulenhallen und auf Spaziergängen dasjenige,
wozu man bei uns abgelegene Winkel und womöglich behagliches Alleinsein hin¬
ter Schloß und Riegel aufsucht; sie lösen jene Fragen, die der Berliner Straßen¬
polizei so viel zu schaffen machen, auf eine ebenso einfache als natürliche Weise.
Ein „dieser Ort darf nicht verunreinigt werden" würde in Rom nur eine lächer¬
liche Forderung sein, wo man Kreuze und Heiligenbilder vergeblich an diejenigen
Stellen malt, die man rein zu erhalten wünscht und wo man an die Kirchen-
mauern durchaus erfolglos: üisxetwts la oass, al Sari ?ietro ^xostolo,
äella Lantissima Ng-äonng,, ceo. schreibt. Vielleicht ist das Drohen mit dem
göttlichen Zorn im alten Rom erfolgreicher gewesen; denn daß man schon damals
seine Zuflucht dazu nehmen mußte, beweist eine alte Inschrift, die man in dem
Titus-Thermen fand: „Li puis die irunxerit aut eg.eavit, iratos cleos liadoat
5vo<zu, DianÄin ete." Ein alter Krüppel ohne Beine ist die einzige Person,
die der französische Soldat dort oben neben sich duldet, der Alte, der jedem
Vorübergehenden buon siorno LiZnore oder LiMvring. zuruft und mit
seiner Bettelei ganz gute Geschäfte macht; denn er soll eine seiner Töchter
bereits durch eine Mitgift von 12,000 Scudi ausgestattet haben und jetzt an
der Mitgift für die zweite sammeln. Am Fuße der Treppe hat ein Mensch
Platz genommen, der aus dem Scheeren von Hunden ein Gewerbe macht. Vor
dem Cafe ^ Greco in der Via Condotti sind Stühle, Bänke und Tische weit in
die Straße hinausgerückt; denn es ist italienischer Mai, und man zieht den
Aufenthalt im Freien dem höhlenartigen Raum des Inneren vor; es ist
eins der vornehmsten East's, hauptsächlich von Fremden, namentlich von
deutschen Künstlern besucht. Die Augsburger Allgemeine ist ein gesuchter
Gegenstand, das einzige deutsche Journal in Rom, fast in allen Cas6s vor¬
handen ; sie ist natürlich von zwei und drei und mehr Personen schon im Voraus
mit Beschlag belegt, und so geben wir der Aufforderung eines der vielen Jungen
nach, die mit einem kleinen Apparat zum Schuh- und Kleiderreinigen herbeieilen
und erfahren, wie schmutzig wir seien. Während der Operation des Ge¬
reinigtwerdens schlürfen wir unsern Kaffee und verspeisen ein Gebäck, das man
hier nach den Wiener Gipfeln: „Zuixttö^ benennt. In dem Hause drüben
wohnt im Parterre Herr Spillmann, der berühmteste Restaurateur Roms,
nicht ein Restaurateur alter Bilder, sondern der Bereiter feiner, schmackhafter
Speisen, die derjenige genießen kann, welcher im Stande ist, für sein Couvert
an der tiMe 6'Kute einen sendo, ohne Wein, zu bezahlen. Aber die künstlerisch
arrangirte Gruppe von Wild, ein Rehbock, ein Stachelschwein aus einem Hügel
von Schnepfen, Fasanen und den verschiedensten Arten wilder Enten würden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114753"/>
            <p xml:id="ID_1718" prev="#ID_1717" next="#ID_1719"> Posten, um zu verhindern, daß dieser srequentirte Ort, ein Centrum der elegan¬<lb/>
ten Welt, nicht verunreinigt werde, und der deshalb jedes Stillestehen durch ein<lb/>
herrisches &#x201E;?g.8S62" verhindert. Italiener verrichten ohne Scheu auf öffentlicher<lb/>
Straße, an Thüren, Mauern, Säulenhallen und auf Spaziergängen dasjenige,<lb/>
wozu man bei uns abgelegene Winkel und womöglich behagliches Alleinsein hin¬<lb/>
ter Schloß und Riegel aufsucht; sie lösen jene Fragen, die der Berliner Straßen¬<lb/>
polizei so viel zu schaffen machen, auf eine ebenso einfache als natürliche Weise.<lb/>
Ein &#x201E;dieser Ort darf nicht verunreinigt werden" würde in Rom nur eine lächer¬<lb/>
liche Forderung sein, wo man Kreuze und Heiligenbilder vergeblich an diejenigen<lb/>
Stellen malt, die man rein zu erhalten wünscht und wo man an die Kirchen-<lb/>
mauern durchaus erfolglos: üisxetwts la oass, al Sari ?ietro ^xostolo,<lb/>
äella Lantissima Ng-äonng,, ceo. schreibt.  Vielleicht ist das Drohen mit dem<lb/>
göttlichen Zorn im alten Rom erfolgreicher gewesen; denn daß man schon damals<lb/>
seine Zuflucht dazu nehmen mußte, beweist eine alte Inschrift, die man in dem<lb/>
Titus-Thermen fand: &#x201E;Li puis die irunxerit aut eg.eavit, iratos cleos liadoat<lb/>
5vo&lt;zu, DianÄin ete."  Ein alter Krüppel ohne Beine ist die einzige Person,<lb/>
die der französische Soldat dort oben neben sich duldet, der Alte, der jedem<lb/>
Vorübergehenden buon siorno LiZnore oder  LiMvring. zuruft und mit<lb/>
seiner Bettelei ganz gute Geschäfte macht; denn er soll eine seiner Töchter<lb/>
bereits durch eine Mitgift von 12,000 Scudi ausgestattet haben und jetzt an<lb/>
der Mitgift für die zweite sammeln.  Am Fuße der Treppe hat ein Mensch<lb/>
Platz genommen, der aus dem Scheeren von Hunden ein Gewerbe macht. Vor<lb/>
dem Cafe ^ Greco in der Via Condotti sind Stühle, Bänke und Tische weit in<lb/>
die Straße hinausgerückt; denn es ist italienischer Mai, und man zieht den<lb/>
Aufenthalt im Freien dem höhlenartigen Raum des Inneren vor; es ist<lb/>
eins der vornehmsten East's, hauptsächlich von Fremden, namentlich von<lb/>
deutschen Künstlern besucht.  Die Augsburger Allgemeine ist ein gesuchter<lb/>
Gegenstand, das einzige deutsche Journal in Rom, fast in allen Cas6s vor¬<lb/>
handen ; sie ist natürlich von zwei und drei und mehr Personen schon im Voraus<lb/>
mit Beschlag belegt, und so geben wir der Aufforderung eines der vielen Jungen<lb/>
nach, die mit einem kleinen Apparat zum Schuh- und Kleiderreinigen herbeieilen<lb/>
und erfahren, wie schmutzig wir seien.  Während der Operation des Ge¬<lb/>
reinigtwerdens schlürfen wir unsern Kaffee und verspeisen ein Gebäck, das man<lb/>
hier nach den Wiener Gipfeln: &#x201E;Zuixttö^ benennt. In dem Hause drüben<lb/>
wohnt im Parterre Herr Spillmann, der berühmteste Restaurateur Roms,<lb/>
nicht ein Restaurateur alter Bilder, sondern der Bereiter feiner, schmackhafter<lb/>
Speisen, die derjenige genießen kann, welcher im Stande ist, für sein Couvert<lb/>
an der tiMe 6'Kute einen sendo, ohne Wein, zu bezahlen. Aber die künstlerisch<lb/>
arrangirte Gruppe von Wild, ein Rehbock, ein Stachelschwein aus einem Hügel<lb/>
von Schnepfen, Fasanen und den verschiedensten Arten wilder Enten würden</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0439] Posten, um zu verhindern, daß dieser srequentirte Ort, ein Centrum der elegan¬ ten Welt, nicht verunreinigt werde, und der deshalb jedes Stillestehen durch ein herrisches „?g.8S62" verhindert. Italiener verrichten ohne Scheu auf öffentlicher Straße, an Thüren, Mauern, Säulenhallen und auf Spaziergängen dasjenige, wozu man bei uns abgelegene Winkel und womöglich behagliches Alleinsein hin¬ ter Schloß und Riegel aufsucht; sie lösen jene Fragen, die der Berliner Straßen¬ polizei so viel zu schaffen machen, auf eine ebenso einfache als natürliche Weise. Ein „dieser Ort darf nicht verunreinigt werden" würde in Rom nur eine lächer¬ liche Forderung sein, wo man Kreuze und Heiligenbilder vergeblich an diejenigen Stellen malt, die man rein zu erhalten wünscht und wo man an die Kirchen- mauern durchaus erfolglos: üisxetwts la oass, al Sari ?ietro ^xostolo, äella Lantissima Ng-äonng,, ceo. schreibt. Vielleicht ist das Drohen mit dem göttlichen Zorn im alten Rom erfolgreicher gewesen; denn daß man schon damals seine Zuflucht dazu nehmen mußte, beweist eine alte Inschrift, die man in dem Titus-Thermen fand: „Li puis die irunxerit aut eg.eavit, iratos cleos liadoat 5vo<zu, DianÄin ete." Ein alter Krüppel ohne Beine ist die einzige Person, die der französische Soldat dort oben neben sich duldet, der Alte, der jedem Vorübergehenden buon siorno LiZnore oder LiMvring. zuruft und mit seiner Bettelei ganz gute Geschäfte macht; denn er soll eine seiner Töchter bereits durch eine Mitgift von 12,000 Scudi ausgestattet haben und jetzt an der Mitgift für die zweite sammeln. Am Fuße der Treppe hat ein Mensch Platz genommen, der aus dem Scheeren von Hunden ein Gewerbe macht. Vor dem Cafe ^ Greco in der Via Condotti sind Stühle, Bänke und Tische weit in die Straße hinausgerückt; denn es ist italienischer Mai, und man zieht den Aufenthalt im Freien dem höhlenartigen Raum des Inneren vor; es ist eins der vornehmsten East's, hauptsächlich von Fremden, namentlich von deutschen Künstlern besucht. Die Augsburger Allgemeine ist ein gesuchter Gegenstand, das einzige deutsche Journal in Rom, fast in allen Cas6s vor¬ handen ; sie ist natürlich von zwei und drei und mehr Personen schon im Voraus mit Beschlag belegt, und so geben wir der Aufforderung eines der vielen Jungen nach, die mit einem kleinen Apparat zum Schuh- und Kleiderreinigen herbeieilen und erfahren, wie schmutzig wir seien. Während der Operation des Ge¬ reinigtwerdens schlürfen wir unsern Kaffee und verspeisen ein Gebäck, das man hier nach den Wiener Gipfeln: „Zuixttö^ benennt. In dem Hause drüben wohnt im Parterre Herr Spillmann, der berühmteste Restaurateur Roms, nicht ein Restaurateur alter Bilder, sondern der Bereiter feiner, schmackhafter Speisen, die derjenige genießen kann, welcher im Stande ist, für sein Couvert an der tiMe 6'Kute einen sendo, ohne Wein, zu bezahlen. Aber die künstlerisch arrangirte Gruppe von Wild, ein Rehbock, ein Stachelschwein aus einem Hügel von Schnepfen, Fasanen und den verschiedensten Arten wilder Enten würden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/439
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/439>, abgerufen am 26.08.2024.