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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Bedürfniß., die Flotte zu vermehren, ist aber um so dringender!, als es zweifel¬
los ist, daß die Schleswig-holsteinischen Verwicklungen zu einem Kriege mit
Dänemark führen werden.

Als im vorigen Jahre die Agitation für eine deutsche Flotte begann,
wurden vielfach Stimmen laut, welche bezweifelten, ob die preußische Regierung
bei den Schwierigkeiten, welche ihre Forderungen für das Militär fanden, die
Entwicklung der Marine jetzt mit Ernst und Nachdruck in die Hand nehmen
werde. Die Negierung hat lange gezögert, ehe sie diesen Ernst und Nachdruck
zeigte. Aber sie hat jetzt jeden Zweifel durch die That niedergeschlagen und
wenn man ihren Forderungen einen Vorwurf machen kann, so ist es, von
Einzelheiten abgesehen, der, daß sie dieselben nicht hoher gestellt hat.

Daß die preußische Landesvertretung die Regierung je hindern werde,
rasch und energisch mit der Herstellung der maritimen Nation"lvertheidigung
vorzugehen -- das fiel freilich Niemand ein, und wir halten es auch jetzt
noch für kaum möglich, daß die Mehrheit des Hauses der Abgeordneten die An¬
sichten, welche sich in der Marinecommission geltend gemacht haben, ihren Be¬
schlüssen zum Grunde legen werde.




Ludwig der Bayer.
Schauspiel von Paul Heyse.

In zwiefachem Sinne ist die Dichtkunst die Herzenskündigerin ihrer Zeit.
Nicht nur bleibt dem Dichter das schöne Recht, herauszusagen, was die Ge¬
müther der Zeitgenossen in ihren Tiefen bewegt: offener noch tritt das innerste
Wesen einer Epoche zu Tage in der Gesinnung, welche Hörer und Leser dem
Dichter entgegenbringen. Daß die Ideen unsres Jahrhunderts wirklich Mit einer
vordem unerhörten Raschheit sich verwandeln, daß wir wirklich binnen wenigen
Jahrzehnten andere Menschen geworden sind: keine Thatsache der politischen
Geschichte zeigt es so klar, wie die von Grund aus veränderte Stellung der
Gebildeten zu den Werken der Poesie. Als nach einer langen Zeit ausschlie߬
lich literarischer Thätigkeit die ersten Keime freien politischen Lebens in Deutsch¬
land sich schüchtern aus dem Boden hoben, da galt es noch als ein Wagniß,
dem ästhetisch verbildeten Publicum politische Geschäftssachen in nüchterner ge¬
schäftlicher Form vorzutragen, und Herr v. Bentzel-Sternau.kleidete weislich
den trockensten aller Stoffe, einen Bericht über die ersten bayrischen Landtage,
in die phantastische Hülle eines Briefwechsels zwischen Hochwittelsbach und


Bedürfniß., die Flotte zu vermehren, ist aber um so dringender!, als es zweifel¬
los ist, daß die Schleswig-holsteinischen Verwicklungen zu einem Kriege mit
Dänemark führen werden.

Als im vorigen Jahre die Agitation für eine deutsche Flotte begann,
wurden vielfach Stimmen laut, welche bezweifelten, ob die preußische Regierung
bei den Schwierigkeiten, welche ihre Forderungen für das Militär fanden, die
Entwicklung der Marine jetzt mit Ernst und Nachdruck in die Hand nehmen
werde. Die Negierung hat lange gezögert, ehe sie diesen Ernst und Nachdruck
zeigte. Aber sie hat jetzt jeden Zweifel durch die That niedergeschlagen und
wenn man ihren Forderungen einen Vorwurf machen kann, so ist es, von
Einzelheiten abgesehen, der, daß sie dieselben nicht hoher gestellt hat.

Daß die preußische Landesvertretung die Regierung je hindern werde,
rasch und energisch mit der Herstellung der maritimen Nation«lvertheidigung
vorzugehen — das fiel freilich Niemand ein, und wir halten es auch jetzt
noch für kaum möglich, daß die Mehrheit des Hauses der Abgeordneten die An¬
sichten, welche sich in der Marinecommission geltend gemacht haben, ihren Be¬
schlüssen zum Grunde legen werde.




Ludwig der Bayer.
Schauspiel von Paul Heyse.

In zwiefachem Sinne ist die Dichtkunst die Herzenskündigerin ihrer Zeit.
Nicht nur bleibt dem Dichter das schöne Recht, herauszusagen, was die Ge¬
müther der Zeitgenossen in ihren Tiefen bewegt: offener noch tritt das innerste
Wesen einer Epoche zu Tage in der Gesinnung, welche Hörer und Leser dem
Dichter entgegenbringen. Daß die Ideen unsres Jahrhunderts wirklich Mit einer
vordem unerhörten Raschheit sich verwandeln, daß wir wirklich binnen wenigen
Jahrzehnten andere Menschen geworden sind: keine Thatsache der politischen
Geschichte zeigt es so klar, wie die von Grund aus veränderte Stellung der
Gebildeten zu den Werken der Poesie. Als nach einer langen Zeit ausschlie߬
lich literarischer Thätigkeit die ersten Keime freien politischen Lebens in Deutsch¬
land sich schüchtern aus dem Boden hoben, da galt es noch als ein Wagniß,
dem ästhetisch verbildeten Publicum politische Geschäftssachen in nüchterner ge¬
schäftlicher Form vorzutragen, und Herr v. Bentzel-Sternau.kleidete weislich
den trockensten aller Stoffe, einen Bericht über die ersten bayrischen Landtage,
in die phantastische Hülle eines Briefwechsels zwischen Hochwittelsbach und


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[0420] Bedürfniß., die Flotte zu vermehren, ist aber um so dringender!, als es zweifel¬ los ist, daß die Schleswig-holsteinischen Verwicklungen zu einem Kriege mit Dänemark führen werden. Als im vorigen Jahre die Agitation für eine deutsche Flotte begann, wurden vielfach Stimmen laut, welche bezweifelten, ob die preußische Regierung bei den Schwierigkeiten, welche ihre Forderungen für das Militär fanden, die Entwicklung der Marine jetzt mit Ernst und Nachdruck in die Hand nehmen werde. Die Negierung hat lange gezögert, ehe sie diesen Ernst und Nachdruck zeigte. Aber sie hat jetzt jeden Zweifel durch die That niedergeschlagen und wenn man ihren Forderungen einen Vorwurf machen kann, so ist es, von Einzelheiten abgesehen, der, daß sie dieselben nicht hoher gestellt hat. Daß die preußische Landesvertretung die Regierung je hindern werde, rasch und energisch mit der Herstellung der maritimen Nation«lvertheidigung vorzugehen — das fiel freilich Niemand ein, und wir halten es auch jetzt noch für kaum möglich, daß die Mehrheit des Hauses der Abgeordneten die An¬ sichten, welche sich in der Marinecommission geltend gemacht haben, ihren Be¬ schlüssen zum Grunde legen werde. Ludwig der Bayer. Schauspiel von Paul Heyse. In zwiefachem Sinne ist die Dichtkunst die Herzenskündigerin ihrer Zeit. Nicht nur bleibt dem Dichter das schöne Recht, herauszusagen, was die Ge¬ müther der Zeitgenossen in ihren Tiefen bewegt: offener noch tritt das innerste Wesen einer Epoche zu Tage in der Gesinnung, welche Hörer und Leser dem Dichter entgegenbringen. Daß die Ideen unsres Jahrhunderts wirklich Mit einer vordem unerhörten Raschheit sich verwandeln, daß wir wirklich binnen wenigen Jahrzehnten andere Menschen geworden sind: keine Thatsache der politischen Geschichte zeigt es so klar, wie die von Grund aus veränderte Stellung der Gebildeten zu den Werken der Poesie. Als nach einer langen Zeit ausschlie߬ lich literarischer Thätigkeit die ersten Keime freien politischen Lebens in Deutsch¬ land sich schüchtern aus dem Boden hoben, da galt es noch als ein Wagniß, dem ästhetisch verbildeten Publicum politische Geschäftssachen in nüchterner ge¬ schäftlicher Form vorzutragen, und Herr v. Bentzel-Sternau.kleidete weislich den trockensten aller Stoffe, einen Bericht über die ersten bayrischen Landtage, in die phantastische Hülle eines Briefwechsels zwischen Hochwittelsbach und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/420>, abgerufen am 03.07.2024.