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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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fang sehr wenig nachgeben, an Stärke dieselbe weit übertreffen müßte. Denn
der Kieler Hafen ist auf seinen beiden Seiten in einer Ausdehnung von fünf
Meilen von Höhen umgeben, welche mir Forts versehen werden müßten.
Der glückliche Landangriff gegen ein einziges dieser Forts würde aber die
im Hafen liegende Flotte im günstigsten Falle am Auslaufen verhindern,
im ungünstigsten Falle der Vernichtung oder dem Feinde überliefern. Herr
Harkort scheuet die Kosten einer Landbefestigung an der Jahde und auf Rügen
und will die zehnfach größeren Kosten für die Befestigung des Kieler Hafens
hergeben -- natürlich, denn er weiß sehr wohl, daß bei seiner Behandlung
der Marinefrage es niemals dazu kommen würde. Die Idee, den Kieler
Hafen zum Kriegshafen machen zu wollen, wird nur von der überboten, bis
zu der Eroberung Holsteins die ganze Marinefrage zu vertagen.

Die Feinheit der politischen Auffassung, welche überdies in jener Aeuße¬
rung liegt, ist denn auch sogleich von der dänischen Regierung ausgebeutet wor¬
den; dieselbe denuncirt in ihrem französisch redigirten Blatte der Welt jene
Aeußerung des Herrn Harkort: "Da seht Ihr, es ist Preußen nicht um das
Recht der Herzogthümer (dieses ist nur der Vorwand) zu thun, sondern es
will einem kleinen inoffensiven Nachbar eine Provinz nehmen, um für sich
einen Hafen zu gewinnen."

Nicht viel besser als bei Herrn Harkort ist der Cirkelschluß, den ein
anderes Commissionsglied macht. Dasselbe ist der Ansicht, "daß die Herstellung
einer so großen Flotte, wie die Regierung sie wolle, nur dann möglich sei,
wenn eine große Situation vorliege, welche große Opfer rechtfertige." Also
etwa wenn der Seekrieg ausbricht? Dann würde es natürlich zu spät sein,
mit dem Bau einer großen Flotte zu beginnen. Oder, wie es nach
einer Andeutung scheint, wenn die deutsche Frage zur Entscheidung kommen
soll? Wenn man erst dann durch eine energische Vertretung der deutschen
Seeinteressen die deutsche Nation für Preußen gewinnen will, möchte es
auch hierfür zu spät sein.

Aber die Marinecommission hat nicht nur aus allgemeinen, sondern auch aus
technischen Gründen jene Creditforderung zurückgewiesen, die wenigstens zum
Theil einer' Erwähnung verdienen. Zunächst jedoch eine allgemeine Bemer¬
kung. Eine schlimme Seite der Verhandlungen der Marinecommission ist das
tiefe Eingehen derselben auf Fragen des technischen Details. Es kann dies
schon an sich für die Sache nicht förderlich sein, es ist aber um so weniger
förderlich, als die preußische Volksvertretung kein einziges Mitglied besitzt,
welches Marinetechniker ist. Das preußische Haus der Abgeordneten hat die¬
ses mit den meisten Volksvertretungen der europäischen Seestaaten gemein,
und dieser Mangel ist, da legislative Versammlungen keineswegs dazu da
sind, das technische Detail zu prüfen, da vielmehr dieses Sache der Executive
ist, keineswegs beklagenswert!). Selbst in einer Versammlung wie dem eng-


fang sehr wenig nachgeben, an Stärke dieselbe weit übertreffen müßte. Denn
der Kieler Hafen ist auf seinen beiden Seiten in einer Ausdehnung von fünf
Meilen von Höhen umgeben, welche mir Forts versehen werden müßten.
Der glückliche Landangriff gegen ein einziges dieser Forts würde aber die
im Hafen liegende Flotte im günstigsten Falle am Auslaufen verhindern,
im ungünstigsten Falle der Vernichtung oder dem Feinde überliefern. Herr
Harkort scheuet die Kosten einer Landbefestigung an der Jahde und auf Rügen
und will die zehnfach größeren Kosten für die Befestigung des Kieler Hafens
hergeben — natürlich, denn er weiß sehr wohl, daß bei seiner Behandlung
der Marinefrage es niemals dazu kommen würde. Die Idee, den Kieler
Hafen zum Kriegshafen machen zu wollen, wird nur von der überboten, bis
zu der Eroberung Holsteins die ganze Marinefrage zu vertagen.

Die Feinheit der politischen Auffassung, welche überdies in jener Aeuße¬
rung liegt, ist denn auch sogleich von der dänischen Regierung ausgebeutet wor¬
den; dieselbe denuncirt in ihrem französisch redigirten Blatte der Welt jene
Aeußerung des Herrn Harkort: „Da seht Ihr, es ist Preußen nicht um das
Recht der Herzogthümer (dieses ist nur der Vorwand) zu thun, sondern es
will einem kleinen inoffensiven Nachbar eine Provinz nehmen, um für sich
einen Hafen zu gewinnen."

Nicht viel besser als bei Herrn Harkort ist der Cirkelschluß, den ein
anderes Commissionsglied macht. Dasselbe ist der Ansicht, „daß die Herstellung
einer so großen Flotte, wie die Regierung sie wolle, nur dann möglich sei,
wenn eine große Situation vorliege, welche große Opfer rechtfertige." Also
etwa wenn der Seekrieg ausbricht? Dann würde es natürlich zu spät sein,
mit dem Bau einer großen Flotte zu beginnen. Oder, wie es nach
einer Andeutung scheint, wenn die deutsche Frage zur Entscheidung kommen
soll? Wenn man erst dann durch eine energische Vertretung der deutschen
Seeinteressen die deutsche Nation für Preußen gewinnen will, möchte es
auch hierfür zu spät sein.

Aber die Marinecommission hat nicht nur aus allgemeinen, sondern auch aus
technischen Gründen jene Creditforderung zurückgewiesen, die wenigstens zum
Theil einer' Erwähnung verdienen. Zunächst jedoch eine allgemeine Bemer¬
kung. Eine schlimme Seite der Verhandlungen der Marinecommission ist das
tiefe Eingehen derselben auf Fragen des technischen Details. Es kann dies
schon an sich für die Sache nicht förderlich sein, es ist aber um so weniger
förderlich, als die preußische Volksvertretung kein einziges Mitglied besitzt,
welches Marinetechniker ist. Das preußische Haus der Abgeordneten hat die¬
ses mit den meisten Volksvertretungen der europäischen Seestaaten gemein,
und dieser Mangel ist, da legislative Versammlungen keineswegs dazu da
sind, das technische Detail zu prüfen, da vielmehr dieses Sache der Executive
ist, keineswegs beklagenswert!). Selbst in einer Versammlung wie dem eng-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/413>, abgerufen am 28.09.2024.