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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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lischen Parlament, in welchem Seeoffiziere, frühere Mitglieder der Admiralität
und frühere Marineminister, allen politischen Parteien angehörig, sitzen, ist der
Einfluß der Techniker doch nur ein sehr untergeordneter. Dieselben begnügen
sich, ihre Sachkenntniß dazu zu benutzen, Mängel der Administration mit Nach¬
druck zur Sprache zu bringen und das Ministerium zu Reformen zu ver¬
anlassen. Nur sehr selten kommt es vor, daß das englische Parlament sich
in technische Fragen gegen Vorlagen des Ministeriums einläßt; es geschieht
dieses nur dann, wenn diese Fragen schon einen allgemeinen Charakter an¬
genommen und die öffentliche Meinung in Bewegung gesetzt haben.

Dieses dem englischen Staatsleben eigenthümliche Maßhalten führt natür¬
lich dazu, daß die Dilettanten und Halbwisser im englischen Parlamente in
technischen Angelegenheiten gar nicht zu Worte kommen. In der Berliner
Marinecommission scheint dies leider anders zu sein. In der vorliegenden
Angelegenheit sehen wir mehre Mitglieder der Commission Vorlagen des
Ministeriums wesentlich auch von technischen Gesichtspunkten bekämpfen und
unzweifelhaft sind die definitiven Beschlüsse der Commission namentlich den
entschiedenen und zuversichtlichen technischen Behauptungen des Referenten,
Hrn. Harkort zuzuschreiben. Denn derselbe weiß in Marinesachen vollkom¬
men Bescheid, er kennt alles, nie wird bei ihm ein Zweifel laut; nach der
Natur jedes Halbwissers gibt es für ihn nur abgemachte Sachen. Und
doch, so weit wir Hrn. Harkort nach den vorliegenden Zeitungsberich¬
ten und einer kleinen, im vorigen Jahre erschienenen Schrift zu beurtheilen
vermögen, weiß er über Marine im Wesentlichen nicht mehr, als jeder, der etwa
eine kleine Seereise gemacht und einige Mal seinen Fuß auf ein Kriegsschiff ge¬
setzt hat. Sehen wir uns einige der von ihm vorgebrachten technischen Gründe an.

Herr Harkort verwirft die Kanonenboote als Mittel der Küstenverthei¬
digung und erklärt, daß Strandbatterien dafür am besten seien. Im Ge¬
gentheil ist z. B. in England die Ansicht allgemein, daß die Küstenverthei¬
digung nur durch ein eombinirtes System von permanenten und beweglichen
Vertheidigungsmitteln hergerichtet werden kann, ja in neuester Zeit werden
die festen Vertheidigungsmittel entschieden zurückgedrängt. Von derselben
Ansicht ist die technische Bundescommission und sind bisher noch alle Regie¬
rungen ausgegangen. Sollte Herrn Harkort das Fahrwasser der Rügen-
schen Gewässer vielleicht bekannt sein, so würde es interessant sein zu erfah¬
ren, wie er ohne Schiffe die südöstlichen Küsten Rügens und die gegenüber¬
liegende pommersche Küste vertheidigen würde.

Herr Harkort findet es ferner unmöglich, daß Preußen bei 16.000 Ma¬
trosen der Handelsmarine seine Flotte mit 8000 Mann bemanne. Daß die
englische Kriegsflotte nicht die Hälfte, sondern etwa ebenso viel Mannschaft
erfordert, als die Handelsmarine überhaupt Matrosen besitzt, daß ein ähn¬
liches Verhältniß in den meisten Ländern Statt findet, ist ihm, wie es scheint.


lischen Parlament, in welchem Seeoffiziere, frühere Mitglieder der Admiralität
und frühere Marineminister, allen politischen Parteien angehörig, sitzen, ist der
Einfluß der Techniker doch nur ein sehr untergeordneter. Dieselben begnügen
sich, ihre Sachkenntniß dazu zu benutzen, Mängel der Administration mit Nach¬
druck zur Sprache zu bringen und das Ministerium zu Reformen zu ver¬
anlassen. Nur sehr selten kommt es vor, daß das englische Parlament sich
in technische Fragen gegen Vorlagen des Ministeriums einläßt; es geschieht
dieses nur dann, wenn diese Fragen schon einen allgemeinen Charakter an¬
genommen und die öffentliche Meinung in Bewegung gesetzt haben.

Dieses dem englischen Staatsleben eigenthümliche Maßhalten führt natür¬
lich dazu, daß die Dilettanten und Halbwisser im englischen Parlamente in
technischen Angelegenheiten gar nicht zu Worte kommen. In der Berliner
Marinecommission scheint dies leider anders zu sein. In der vorliegenden
Angelegenheit sehen wir mehre Mitglieder der Commission Vorlagen des
Ministeriums wesentlich auch von technischen Gesichtspunkten bekämpfen und
unzweifelhaft sind die definitiven Beschlüsse der Commission namentlich den
entschiedenen und zuversichtlichen technischen Behauptungen des Referenten,
Hrn. Harkort zuzuschreiben. Denn derselbe weiß in Marinesachen vollkom¬
men Bescheid, er kennt alles, nie wird bei ihm ein Zweifel laut; nach der
Natur jedes Halbwissers gibt es für ihn nur abgemachte Sachen. Und
doch, so weit wir Hrn. Harkort nach den vorliegenden Zeitungsberich¬
ten und einer kleinen, im vorigen Jahre erschienenen Schrift zu beurtheilen
vermögen, weiß er über Marine im Wesentlichen nicht mehr, als jeder, der etwa
eine kleine Seereise gemacht und einige Mal seinen Fuß auf ein Kriegsschiff ge¬
setzt hat. Sehen wir uns einige der von ihm vorgebrachten technischen Gründe an.

Herr Harkort verwirft die Kanonenboote als Mittel der Küstenverthei¬
digung und erklärt, daß Strandbatterien dafür am besten seien. Im Ge¬
gentheil ist z. B. in England die Ansicht allgemein, daß die Küstenverthei¬
digung nur durch ein eombinirtes System von permanenten und beweglichen
Vertheidigungsmitteln hergerichtet werden kann, ja in neuester Zeit werden
die festen Vertheidigungsmittel entschieden zurückgedrängt. Von derselben
Ansicht ist die technische Bundescommission und sind bisher noch alle Regie¬
rungen ausgegangen. Sollte Herrn Harkort das Fahrwasser der Rügen-
schen Gewässer vielleicht bekannt sein, so würde es interessant sein zu erfah¬
ren, wie er ohne Schiffe die südöstlichen Küsten Rügens und die gegenüber¬
liegende pommersche Küste vertheidigen würde.

Herr Harkort findet es ferner unmöglich, daß Preußen bei 16.000 Ma¬
trosen der Handelsmarine seine Flotte mit 8000 Mann bemanne. Daß die
englische Kriegsflotte nicht die Hälfte, sondern etwa ebenso viel Mannschaft
erfordert, als die Handelsmarine überhaupt Matrosen besitzt, daß ein ähn¬
liches Verhältniß in den meisten Ländern Statt findet, ist ihm, wie es scheint.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/414>, abgerufen am 26.06.2024.