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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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In der Lage der deutschen Marinefrage ist daher eine große Ver¬
änderung eingetreten. Die Frage reducirt sich jetzt einfach darauf, ob
die preußische Volksvertretung dem energischen Auftreten der Regierung fol¬
gen wird? -- einem Auftreten, wie sie es selbst seit einem Jahrzehnt ge¬
fordert und wie ganz Deutschland es gewünscht hat.

Und könnte an dieser Billigung ein Zweifel obwalten?

Dieser Zweifel konnte erst entstehen, als die Verhandlungen der Marine¬
commission bekannt wurden, -- in denen, so weit den Berichten der Zeitungen
zu glauben ist. sich bei nicht wenigen Mitgliedern factiöser Parteihaß,
Mangel an patriorischer Gesinnung und Unkenntnis; um den Borrang streiten.

Wir haben die hauptsächlichsten Gründe, welche man gegen die Forde¬
rung von 1,400,000 Thlr. für dieses Jahr vorgebracht hat, schon besprochen.
Wir wollen, da inzwischen die Commissionsverhandlungen zu dem Resultate
geführt haben, die Verweigerung jenes Credits beim Abgeordnetenhause zu
beantragen, hier einige fernere Bemerkungen folgen lassen, um die Gründe,
welche man gegen jene Forderung der Regierung vorgebracht hat, und die
Sachkenntniß dieser Commission noch einer Beleuchtung zu unterziehen. Wir
wenden uns zunächst zu einigen allgemeinen, vom Referenten der Commission,
Herrn Harkort, vorgebrachten Gründen. Derselbe war bisher, so lange die
Regierung keinen Ernst für die Marine zeigte, der eifrigste Redner für dieselbe,
ist jetzt aber, da das Ministerium energisch vorgehen will, wie umgewandelt.
Er meint, daß, wenn man den geforderten Credit bewillige, das fernere Be¬
willigungen nach sich ziehe. Als ob eine Flotte mit Einer Million her¬
gestellt werden könnte!

Er geht aber weiter und will fürs Erste überhaupt Nichts von rascher
Herstellung der Flotte wissen, er will die Erweiterung der Flotte davon ab¬
hängig gemacht haben, daß fertige Kriegshafen vorher vorhanden seien. Er
schließt seine Hauptrede mit der Mahnung, "erst Häfen, dann Schiffe". Mit
einer Sachkunde, die wir noch näher kennen lernen werden, verwirft er die
beiden Häfen der Jahde und Rügens, weil sie, wie jeder Kriegshafen, eine
Landbefestigung verlangen und fordert den Kieler Hafen: "Kiel, das sei der
rechte Hafen, Holstein müssen wir haben."

Also Preußen soll so lange auf eine Flotte verzichten, bis Holstein preußisch
ist. Und wie soll es preußisch werden? Etwa ohne Flotte? Sollten die ge¬
machten Erfahrungen darüber nicht einigen Aufschluß gegeben haben!

Der Mangel an Sachkenntniß gibt aber der Confusion jener Forderung
nichts nach. Denn der Kieler Hafen ist, wie schon zur Zeit des Reichs¬
ministeriums festgestellt wurde, wenn auch ausgezeichnet als Flottensta¬
tion, fast unbrauchbar als Kriegshafen. Denn dieser Hafen, von der See¬
seite so gut wie unangreifbar, erfordert, um die in ihm geborgene Flotte gegen
einen Landangriff zu schützen, eine Befestigung, die der von Paris qu Um-


In der Lage der deutschen Marinefrage ist daher eine große Ver¬
änderung eingetreten. Die Frage reducirt sich jetzt einfach darauf, ob
die preußische Volksvertretung dem energischen Auftreten der Regierung fol¬
gen wird? — einem Auftreten, wie sie es selbst seit einem Jahrzehnt ge¬
fordert und wie ganz Deutschland es gewünscht hat.

Und könnte an dieser Billigung ein Zweifel obwalten?

Dieser Zweifel konnte erst entstehen, als die Verhandlungen der Marine¬
commission bekannt wurden, — in denen, so weit den Berichten der Zeitungen
zu glauben ist. sich bei nicht wenigen Mitgliedern factiöser Parteihaß,
Mangel an patriorischer Gesinnung und Unkenntnis; um den Borrang streiten.

Wir haben die hauptsächlichsten Gründe, welche man gegen die Forde¬
rung von 1,400,000 Thlr. für dieses Jahr vorgebracht hat, schon besprochen.
Wir wollen, da inzwischen die Commissionsverhandlungen zu dem Resultate
geführt haben, die Verweigerung jenes Credits beim Abgeordnetenhause zu
beantragen, hier einige fernere Bemerkungen folgen lassen, um die Gründe,
welche man gegen jene Forderung der Regierung vorgebracht hat, und die
Sachkenntniß dieser Commission noch einer Beleuchtung zu unterziehen. Wir
wenden uns zunächst zu einigen allgemeinen, vom Referenten der Commission,
Herrn Harkort, vorgebrachten Gründen. Derselbe war bisher, so lange die
Regierung keinen Ernst für die Marine zeigte, der eifrigste Redner für dieselbe,
ist jetzt aber, da das Ministerium energisch vorgehen will, wie umgewandelt.
Er meint, daß, wenn man den geforderten Credit bewillige, das fernere Be¬
willigungen nach sich ziehe. Als ob eine Flotte mit Einer Million her¬
gestellt werden könnte!

Er geht aber weiter und will fürs Erste überhaupt Nichts von rascher
Herstellung der Flotte wissen, er will die Erweiterung der Flotte davon ab¬
hängig gemacht haben, daß fertige Kriegshafen vorher vorhanden seien. Er
schließt seine Hauptrede mit der Mahnung, „erst Häfen, dann Schiffe". Mit
einer Sachkunde, die wir noch näher kennen lernen werden, verwirft er die
beiden Häfen der Jahde und Rügens, weil sie, wie jeder Kriegshafen, eine
Landbefestigung verlangen und fordert den Kieler Hafen: „Kiel, das sei der
rechte Hafen, Holstein müssen wir haben."

Also Preußen soll so lange auf eine Flotte verzichten, bis Holstein preußisch
ist. Und wie soll es preußisch werden? Etwa ohne Flotte? Sollten die ge¬
machten Erfahrungen darüber nicht einigen Aufschluß gegeben haben!

Der Mangel an Sachkenntniß gibt aber der Confusion jener Forderung
nichts nach. Denn der Kieler Hafen ist, wie schon zur Zeit des Reichs¬
ministeriums festgestellt wurde, wenn auch ausgezeichnet als Flottensta¬
tion, fast unbrauchbar als Kriegshafen. Denn dieser Hafen, von der See¬
seite so gut wie unangreifbar, erfordert, um die in ihm geborgene Flotte gegen
einen Landangriff zu schützen, eine Befestigung, die der von Paris qu Um-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/412>, abgerufen am 22.07.2024.