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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Niederlassungen, die von Franzosen und Engländern, Holländern, Portugiesen
und Dänen hier gegründet wurden, gediehen, alle empfanden die tödtliche Kraft des
hiesigen Klimas. Dagegen finden in Sierra Leona und.Liberia farbige Menschen,
deren Vorfahren hundert oder zweihundert Jahre in Ländern gemäßigter Zone
gelebt, das Klima gesund und leben so lange als andere Angehörige der Race
in Amerika. Alle Einwanderer haben indeß kurz nach ihrer Ankunft das soge¬
nannte Acclimatisirungsfieber durchzumachen, ein Gallenfieber, welches gewöhn¬
lich in die intermittirende Form übergeht. Die ersten Ansiedler litten von
dieser Krankheit heftig, jetzt aber ist deren Behandlung besser begriffen, und so
fürchtet man es bei weitem nicht mehr so sehr als früher. Noch rechnet man
etwa drei Todesfälle auf hundert Einwanderer, doch hat man bemerkt, daß ver-
hängnißvolle Ausgänge der Krankheit fast nur bei solchen Personen vorkommen
die entweder schon vorher von schwacher Gesundheit waren oder die Vorsichts¬
maßregeln außer Acht ließen, welche die Erfahrung solchen Ankömmlingen vor¬
schreibt. In vielen Fällen dagegen finden Einwanderer, daß ihre Gesundheit
sich mit dem Wechsel des Landes wesentlich bessert. Eine merkwürdige That-
sache ist, daß Fremde, die des Morgens um 6 oder 8 Uhr ans Land stiegen
und den ganzen Tag über hier verweilten, mit Sonnenuntergang aber wieder
an Bord gingen und dort schliefen, niemals, von dem Klima zu leiden hatten.
Ohne Zweifel entwickelt sich das schädliche Miasma, welches das Fieber erzeugt,
lediglich oder doch vorzüglich bei Nacht. Muß ein Fremder daher die Nacht
am Lande zubringen, so beobachtet er in der Regel die Vorsichtsmaßregel, sein
Zimmer wohl zu verschließen und ein Feuer darin anzuzünden, welches die
Feuchtigkeit verzehrt. Nie hat man gehört, daß solchen das Klima mehr als
ein paar Tage ungewöhnlicher Mattigkeit gebracht hätte.

Große Flüsse, finden sich innerhalb der jetzigen Grenzen von Liberia nicht.
Die beiden größten sind der Ccivally. der für Schiffe von 15 Fuß Tiefgang
80 englische Meilen, und der Se. Pauls im Nordwesten, der für Fahrzeuge von
11 Fuß Tiefgang 1K Meilen schiffbar ist und mit einem Lauf von circa 300
Meilen ein sehr fruchtbares und anmuthiges Land durchfließt. Von den zahl¬
reichen kleinern Flüssen, unter denen manche bis auf 50 Meilen von der Küste
Betten von einer halben Meile Breite haben, ist keiner weiter als 30 Meilen
stromaufwärts mit größern Booten zu befahren. Ihr Laus wird meist von
Wasserfallen unterbrochen, die später Gelegenheit zu vortheilhafter Anlage von
Fabriken geben werden. Am Junk River und am Se. Pauls wird von den
Anwohnern viel Zuckerrohr cultivirt, am Se. John widmet man sich mehr dem
Kaffeebau. Baumwolle wächst in Liberia allenthalben ungepflanzt und bedarf
nur der Pflege, um ein Hauptausfuhrartikel zu werden. Da sie von guter
Qualität, das Land im Vergleich mit Indien und Australien dem Liverpooler
Markt sehr nahe und die Fracht deshalb sehr billig ist, so sollte England hier-


Grcnzboten III. 1862. SO

Niederlassungen, die von Franzosen und Engländern, Holländern, Portugiesen
und Dänen hier gegründet wurden, gediehen, alle empfanden die tödtliche Kraft des
hiesigen Klimas. Dagegen finden in Sierra Leona und.Liberia farbige Menschen,
deren Vorfahren hundert oder zweihundert Jahre in Ländern gemäßigter Zone
gelebt, das Klima gesund und leben so lange als andere Angehörige der Race
in Amerika. Alle Einwanderer haben indeß kurz nach ihrer Ankunft das soge¬
nannte Acclimatisirungsfieber durchzumachen, ein Gallenfieber, welches gewöhn¬
lich in die intermittirende Form übergeht. Die ersten Ansiedler litten von
dieser Krankheit heftig, jetzt aber ist deren Behandlung besser begriffen, und so
fürchtet man es bei weitem nicht mehr so sehr als früher. Noch rechnet man
etwa drei Todesfälle auf hundert Einwanderer, doch hat man bemerkt, daß ver-
hängnißvolle Ausgänge der Krankheit fast nur bei solchen Personen vorkommen
die entweder schon vorher von schwacher Gesundheit waren oder die Vorsichts¬
maßregeln außer Acht ließen, welche die Erfahrung solchen Ankömmlingen vor¬
schreibt. In vielen Fällen dagegen finden Einwanderer, daß ihre Gesundheit
sich mit dem Wechsel des Landes wesentlich bessert. Eine merkwürdige That-
sache ist, daß Fremde, die des Morgens um 6 oder 8 Uhr ans Land stiegen
und den ganzen Tag über hier verweilten, mit Sonnenuntergang aber wieder
an Bord gingen und dort schliefen, niemals, von dem Klima zu leiden hatten.
Ohne Zweifel entwickelt sich das schädliche Miasma, welches das Fieber erzeugt,
lediglich oder doch vorzüglich bei Nacht. Muß ein Fremder daher die Nacht
am Lande zubringen, so beobachtet er in der Regel die Vorsichtsmaßregel, sein
Zimmer wohl zu verschließen und ein Feuer darin anzuzünden, welches die
Feuchtigkeit verzehrt. Nie hat man gehört, daß solchen das Klima mehr als
ein paar Tage ungewöhnlicher Mattigkeit gebracht hätte.

Große Flüsse, finden sich innerhalb der jetzigen Grenzen von Liberia nicht.
Die beiden größten sind der Ccivally. der für Schiffe von 15 Fuß Tiefgang
80 englische Meilen, und der Se. Pauls im Nordwesten, der für Fahrzeuge von
11 Fuß Tiefgang 1K Meilen schiffbar ist und mit einem Lauf von circa 300
Meilen ein sehr fruchtbares und anmuthiges Land durchfließt. Von den zahl¬
reichen kleinern Flüssen, unter denen manche bis auf 50 Meilen von der Küste
Betten von einer halben Meile Breite haben, ist keiner weiter als 30 Meilen
stromaufwärts mit größern Booten zu befahren. Ihr Laus wird meist von
Wasserfallen unterbrochen, die später Gelegenheit zu vortheilhafter Anlage von
Fabriken geben werden. Am Junk River und am Se. Pauls wird von den
Anwohnern viel Zuckerrohr cultivirt, am Se. John widmet man sich mehr dem
Kaffeebau. Baumwolle wächst in Liberia allenthalben ungepflanzt und bedarf
nur der Pflege, um ein Hauptausfuhrartikel zu werden. Da sie von guter
Qualität, das Land im Vergleich mit Indien und Australien dem Liverpooler
Markt sehr nahe und die Fracht deshalb sehr billig ist, so sollte England hier-


Grcnzboten III. 1862. SO
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[0401] Niederlassungen, die von Franzosen und Engländern, Holländern, Portugiesen und Dänen hier gegründet wurden, gediehen, alle empfanden die tödtliche Kraft des hiesigen Klimas. Dagegen finden in Sierra Leona und.Liberia farbige Menschen, deren Vorfahren hundert oder zweihundert Jahre in Ländern gemäßigter Zone gelebt, das Klima gesund und leben so lange als andere Angehörige der Race in Amerika. Alle Einwanderer haben indeß kurz nach ihrer Ankunft das soge¬ nannte Acclimatisirungsfieber durchzumachen, ein Gallenfieber, welches gewöhn¬ lich in die intermittirende Form übergeht. Die ersten Ansiedler litten von dieser Krankheit heftig, jetzt aber ist deren Behandlung besser begriffen, und so fürchtet man es bei weitem nicht mehr so sehr als früher. Noch rechnet man etwa drei Todesfälle auf hundert Einwanderer, doch hat man bemerkt, daß ver- hängnißvolle Ausgänge der Krankheit fast nur bei solchen Personen vorkommen die entweder schon vorher von schwacher Gesundheit waren oder die Vorsichts¬ maßregeln außer Acht ließen, welche die Erfahrung solchen Ankömmlingen vor¬ schreibt. In vielen Fällen dagegen finden Einwanderer, daß ihre Gesundheit sich mit dem Wechsel des Landes wesentlich bessert. Eine merkwürdige That- sache ist, daß Fremde, die des Morgens um 6 oder 8 Uhr ans Land stiegen und den ganzen Tag über hier verweilten, mit Sonnenuntergang aber wieder an Bord gingen und dort schliefen, niemals, von dem Klima zu leiden hatten. Ohne Zweifel entwickelt sich das schädliche Miasma, welches das Fieber erzeugt, lediglich oder doch vorzüglich bei Nacht. Muß ein Fremder daher die Nacht am Lande zubringen, so beobachtet er in der Regel die Vorsichtsmaßregel, sein Zimmer wohl zu verschließen und ein Feuer darin anzuzünden, welches die Feuchtigkeit verzehrt. Nie hat man gehört, daß solchen das Klima mehr als ein paar Tage ungewöhnlicher Mattigkeit gebracht hätte. Große Flüsse, finden sich innerhalb der jetzigen Grenzen von Liberia nicht. Die beiden größten sind der Ccivally. der für Schiffe von 15 Fuß Tiefgang 80 englische Meilen, und der Se. Pauls im Nordwesten, der für Fahrzeuge von 11 Fuß Tiefgang 1K Meilen schiffbar ist und mit einem Lauf von circa 300 Meilen ein sehr fruchtbares und anmuthiges Land durchfließt. Von den zahl¬ reichen kleinern Flüssen, unter denen manche bis auf 50 Meilen von der Küste Betten von einer halben Meile Breite haben, ist keiner weiter als 30 Meilen stromaufwärts mit größern Booten zu befahren. Ihr Laus wird meist von Wasserfallen unterbrochen, die später Gelegenheit zu vortheilhafter Anlage von Fabriken geben werden. Am Junk River und am Se. Pauls wird von den Anwohnern viel Zuckerrohr cultivirt, am Se. John widmet man sich mehr dem Kaffeebau. Baumwolle wächst in Liberia allenthalben ungepflanzt und bedarf nur der Pflege, um ein Hauptausfuhrartikel zu werden. Da sie von guter Qualität, das Land im Vergleich mit Indien und Australien dem Liverpooler Markt sehr nahe und die Fracht deshalb sehr billig ist, so sollte England hier- Grcnzboten III. 1862. SO

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/401>, abgerufen am 02.10.2024.