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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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her vor allem sein Augenmerk richten. Es würde hier die beste Gelegenheit
finden, einerseits sich von der Abhängigkeit seiner Fabrikdistricte von den ame¬
rikanischen Südstaaten allmälig zu befreien, andrerseits der dort herrschenden
Negersklaverei die Wurzeln abzugraben.

Wir schließen mit einigen Mittheilungen über die staatlichen Einrichtungen
und die gesellschaftlichen Zustande unsrer kleinen Negerrepublik. Die ersteren
sind, wie man erwarten wird, denen der Nordamerikaner nachgeahmt. Die
Executive ist in den Händen eines Präsidenten, die gesetzgebende Macht wird
durch zwei Häuser, Senat und Repräsentantenhaus vertreten, die richterliche durch
einen supreme Court (Appellationsgericht) und eine Anzahl von Untergerichten.
Präsident und Vicepräfident werden vom Volke für zwei, die Repräsentanten
ebenfalls für zwei, die Senatoren für vier Jahre gewählt. Das Oberhaus be¬
steht aus acht, das Unterhaus aus dreizehn Mitgliedern. Jede Grafschaft sendet
zwei Vertreter in den Senat. Um das Amt eines Präsidenten zu bekleiden,
bedarf es eines Alters von 35 Jahren und eines Grundbesitzes im Werth von
600 Dollars. Dasselbe wird von dem Vicepräsidenten verlangt, der im Fall
der Abwesenheit oder des Ablebens des Präsidenten dessen Posten einnimmt
und zugleich den Vorsitz im Senat führt. Der Senat hat außer seiner Eigen¬
schaft als eines Zweigs der Gesetzgebung die eines Rathes für den Präsidenten
der Republik, dem letzterer alle Verträge zur Ratification und alle Ernennungen
zu öffentlichen Aemtern zur Bestätigung vorzulegen hat. Die Wahlen werden
nicht blos von den eingewanderten oder von Immigranten stammenden Libe¬
rianern vollzogen. Das Recht zu wählen steht auch denjenigen von den Ein-
gebornen zu, welche seit drei Jahren civilisirte Gewohnheiten angenommen
und beibehalten haben, und wird von solchen sehr häufig ausgeübt. Es gibt
eingeborne^ städtische und Staatsbeamte und ebenso Geschworne. In Bassa-
County fungiren zwei derselben als Hülfsrichter.

Ein stehendes Heer ist in Liberia unbekannt. Dagegen sind alle Ein¬
wohner männlichen Geschlechts, Geistliche und Richter ausgenommen, vom 15.
bis zum 50. Jahre genöthigt in der Miliz zu dienen, die, wie unsre Quelle
sagt, wohlgeübt ist und mit den 1500 Musketen, die ihr der Kaiser der Franzosen
zum Geschenk gemacht hat, recht wohl ausreicht, der Regierung unter den wilden
Stämmen der Nachbarschaft Achtung und nach Befinden Gehorsam zu verschaffen.
Die Marine besteht aus einem mit fünf Geschützen armirten Schooner, der
ein Geschenk der britischen Regierung ist und aus einem Avisoboot, dem Dampfer
Seth Grosvenor. Diese Schiffe werden mit Nutzen als Küstenwache sowie zur
Verhütung des Sklavenhandels verwendet.

Die Einkünfte der Republik beliefen.sich in dem Finanzjahr, welches mit
dem 30. September 1361 endigte, auf 149,550, die Ausgaben aus 142,831
Dollars. Ein Theil der Einkünfte und ebenso der Ausgaben floß aus dem,


her vor allem sein Augenmerk richten. Es würde hier die beste Gelegenheit
finden, einerseits sich von der Abhängigkeit seiner Fabrikdistricte von den ame¬
rikanischen Südstaaten allmälig zu befreien, andrerseits der dort herrschenden
Negersklaverei die Wurzeln abzugraben.

Wir schließen mit einigen Mittheilungen über die staatlichen Einrichtungen
und die gesellschaftlichen Zustande unsrer kleinen Negerrepublik. Die ersteren
sind, wie man erwarten wird, denen der Nordamerikaner nachgeahmt. Die
Executive ist in den Händen eines Präsidenten, die gesetzgebende Macht wird
durch zwei Häuser, Senat und Repräsentantenhaus vertreten, die richterliche durch
einen supreme Court (Appellationsgericht) und eine Anzahl von Untergerichten.
Präsident und Vicepräfident werden vom Volke für zwei, die Repräsentanten
ebenfalls für zwei, die Senatoren für vier Jahre gewählt. Das Oberhaus be¬
steht aus acht, das Unterhaus aus dreizehn Mitgliedern. Jede Grafschaft sendet
zwei Vertreter in den Senat. Um das Amt eines Präsidenten zu bekleiden,
bedarf es eines Alters von 35 Jahren und eines Grundbesitzes im Werth von
600 Dollars. Dasselbe wird von dem Vicepräsidenten verlangt, der im Fall
der Abwesenheit oder des Ablebens des Präsidenten dessen Posten einnimmt
und zugleich den Vorsitz im Senat führt. Der Senat hat außer seiner Eigen¬
schaft als eines Zweigs der Gesetzgebung die eines Rathes für den Präsidenten
der Republik, dem letzterer alle Verträge zur Ratification und alle Ernennungen
zu öffentlichen Aemtern zur Bestätigung vorzulegen hat. Die Wahlen werden
nicht blos von den eingewanderten oder von Immigranten stammenden Libe¬
rianern vollzogen. Das Recht zu wählen steht auch denjenigen von den Ein-
gebornen zu, welche seit drei Jahren civilisirte Gewohnheiten angenommen
und beibehalten haben, und wird von solchen sehr häufig ausgeübt. Es gibt
eingeborne^ städtische und Staatsbeamte und ebenso Geschworne. In Bassa-
County fungiren zwei derselben als Hülfsrichter.

Ein stehendes Heer ist in Liberia unbekannt. Dagegen sind alle Ein¬
wohner männlichen Geschlechts, Geistliche und Richter ausgenommen, vom 15.
bis zum 50. Jahre genöthigt in der Miliz zu dienen, die, wie unsre Quelle
sagt, wohlgeübt ist und mit den 1500 Musketen, die ihr der Kaiser der Franzosen
zum Geschenk gemacht hat, recht wohl ausreicht, der Regierung unter den wilden
Stämmen der Nachbarschaft Achtung und nach Befinden Gehorsam zu verschaffen.
Die Marine besteht aus einem mit fünf Geschützen armirten Schooner, der
ein Geschenk der britischen Regierung ist und aus einem Avisoboot, dem Dampfer
Seth Grosvenor. Diese Schiffe werden mit Nutzen als Küstenwache sowie zur
Verhütung des Sklavenhandels verwendet.

Die Einkünfte der Republik beliefen.sich in dem Finanzjahr, welches mit
dem 30. September 1361 endigte, auf 149,550, die Ausgaben aus 142,831
Dollars. Ein Theil der Einkünfte und ebenso der Ausgaben floß aus dem,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/402>, abgerufen am 25.08.2024.