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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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verachteten Zustand derselben in der alten transatlantischen Heimath in Ueber¬
treibung verfällt.

Der gegenwärtige Präsident von Liberia ist der schwarze Herr, der uns
vor Kurzem besuchte. Stephen Allen Benson kam als Knabe von sechs Jahren
von Maryland nach Afrika und schwang sich hier, nachdem er mancherlei Schick¬
sale gehabt. Gefangner unter den Wilden der Grenze gewesen, dann als Kauf¬
mann Vermögen erworben, durch seine Talente zuerst zum Mitgliede des Senats,
dann zum Vizepräsidenten und Oberbefehlshaber der das Land gegen die Ein-
gebornen vertheidigenden Miliz und endlich zu seinem jetzigen Posten empor,
den er bereits zum vierten Mal ausfüllt. Er besitzt große Kaffeepflanzungen,
denen er sich nach Ablauf dieser seiner letzten Präsidentur vermuthlich ganz
widmen wird.

Liberia hat, wie unsre Quelle sagt, alle Vortheile des Klimas und des
Bodens, um ein reiches und mächtiges Land zu werden -- eine Behauptung,
die durch das Folgende, wenn man zugeben will, daß Schwarze einen Gro߬
staat bilden können, großentheils gerechtfertigt wird. Alle Arten tropischer
Producte gedeihen hier vortrefflich. Man baut Reis in Menge, und zwar nicht blos
in den nassen Niederungen der Küstengegend, sondern auch in den höherlicgen-
den Strichen des Innern. Ferner werden Mais, süße Kartoffeln, Eassawa-
wurzel, Bohnen, Erbsen, Wassermelonen, Orangen, Ananas, Bananen, Tama¬
rinden, Mangos und Pawpaws in solchen Massen erzeugt, daß ein beträcht¬
licher Theil davon aufgeführt wird. Die Wälder bieten schönes Holz zum
Häuser- wie zum Schiffbau, die Flüsse und das Meer vortreffliche Fische, die Berge
Eisen in Menge. Die Pflanzungen der Liberianer liefern dem Handel bereits
werthvolle Exportartikel, vor allem Kaffee, Zucker, Baumwolle, Pfeffer, Ingwer,
Indigo, Erdnüsse,. Arrvwroot und Palmöl. Fast alle diese Erzeugnisse sind
dem Lande einheimisch. Der Kaffeestrauch wächst an vielen Stellen wild in
den Wäldern und ist dieselbe Species, wie die in Arabien und Habesch, könnte
aber durch Pflege bedeutend verbessert werden. Eine ziemlich große Anzahl der
Einwohner beschäftigt sich mit diesem Zweig der Landwirthschaft, da derselbe
sich mit weniger Capital als der Bau von Zucker und Baumwolle betreiben
läßt, und Proben von Liberia-Kaffee, die nach den Bereinigten Staaten und
England gesandt wurden, sind dort von Kennern dem besten Mottah an die
Seite gestellt worden.

"Die civilisirte Bevölkerung." so fährt Mr. Ralston fort, "ist indeß so
gering an Zahl, daß Exporte von großer Bedeutung nicht eher erwartet werden
können, als bis sehr vermehrtes Kapital und ein starker Zufluß von den freien
Negern der Bereinigten Staaten her, uns mehr geschickte und fleißige Unternehmer
schaffen, die mit Befriedigung sehen würden, daß sich im ganzen Lande Ueber-
fluß an eingebornen Arbeitern für den geringen Lohn von drei Dollars und


verachteten Zustand derselben in der alten transatlantischen Heimath in Ueber¬
treibung verfällt.

Der gegenwärtige Präsident von Liberia ist der schwarze Herr, der uns
vor Kurzem besuchte. Stephen Allen Benson kam als Knabe von sechs Jahren
von Maryland nach Afrika und schwang sich hier, nachdem er mancherlei Schick¬
sale gehabt. Gefangner unter den Wilden der Grenze gewesen, dann als Kauf¬
mann Vermögen erworben, durch seine Talente zuerst zum Mitgliede des Senats,
dann zum Vizepräsidenten und Oberbefehlshaber der das Land gegen die Ein-
gebornen vertheidigenden Miliz und endlich zu seinem jetzigen Posten empor,
den er bereits zum vierten Mal ausfüllt. Er besitzt große Kaffeepflanzungen,
denen er sich nach Ablauf dieser seiner letzten Präsidentur vermuthlich ganz
widmen wird.

Liberia hat, wie unsre Quelle sagt, alle Vortheile des Klimas und des
Bodens, um ein reiches und mächtiges Land zu werden — eine Behauptung,
die durch das Folgende, wenn man zugeben will, daß Schwarze einen Gro߬
staat bilden können, großentheils gerechtfertigt wird. Alle Arten tropischer
Producte gedeihen hier vortrefflich. Man baut Reis in Menge, und zwar nicht blos
in den nassen Niederungen der Küstengegend, sondern auch in den höherlicgen-
den Strichen des Innern. Ferner werden Mais, süße Kartoffeln, Eassawa-
wurzel, Bohnen, Erbsen, Wassermelonen, Orangen, Ananas, Bananen, Tama¬
rinden, Mangos und Pawpaws in solchen Massen erzeugt, daß ein beträcht¬
licher Theil davon aufgeführt wird. Die Wälder bieten schönes Holz zum
Häuser- wie zum Schiffbau, die Flüsse und das Meer vortreffliche Fische, die Berge
Eisen in Menge. Die Pflanzungen der Liberianer liefern dem Handel bereits
werthvolle Exportartikel, vor allem Kaffee, Zucker, Baumwolle, Pfeffer, Ingwer,
Indigo, Erdnüsse,. Arrvwroot und Palmöl. Fast alle diese Erzeugnisse sind
dem Lande einheimisch. Der Kaffeestrauch wächst an vielen Stellen wild in
den Wäldern und ist dieselbe Species, wie die in Arabien und Habesch, könnte
aber durch Pflege bedeutend verbessert werden. Eine ziemlich große Anzahl der
Einwohner beschäftigt sich mit diesem Zweig der Landwirthschaft, da derselbe
sich mit weniger Capital als der Bau von Zucker und Baumwolle betreiben
läßt, und Proben von Liberia-Kaffee, die nach den Bereinigten Staaten und
England gesandt wurden, sind dort von Kennern dem besten Mottah an die
Seite gestellt worden.

„Die civilisirte Bevölkerung." so fährt Mr. Ralston fort, „ist indeß so
gering an Zahl, daß Exporte von großer Bedeutung nicht eher erwartet werden
können, als bis sehr vermehrtes Kapital und ein starker Zufluß von den freien
Negern der Bereinigten Staaten her, uns mehr geschickte und fleißige Unternehmer
schaffen, die mit Befriedigung sehen würden, daß sich im ganzen Lande Ueber-
fluß an eingebornen Arbeitern für den geringen Lohn von drei Dollars und


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[0399] verachteten Zustand derselben in der alten transatlantischen Heimath in Ueber¬ treibung verfällt. Der gegenwärtige Präsident von Liberia ist der schwarze Herr, der uns vor Kurzem besuchte. Stephen Allen Benson kam als Knabe von sechs Jahren von Maryland nach Afrika und schwang sich hier, nachdem er mancherlei Schick¬ sale gehabt. Gefangner unter den Wilden der Grenze gewesen, dann als Kauf¬ mann Vermögen erworben, durch seine Talente zuerst zum Mitgliede des Senats, dann zum Vizepräsidenten und Oberbefehlshaber der das Land gegen die Ein- gebornen vertheidigenden Miliz und endlich zu seinem jetzigen Posten empor, den er bereits zum vierten Mal ausfüllt. Er besitzt große Kaffeepflanzungen, denen er sich nach Ablauf dieser seiner letzten Präsidentur vermuthlich ganz widmen wird. Liberia hat, wie unsre Quelle sagt, alle Vortheile des Klimas und des Bodens, um ein reiches und mächtiges Land zu werden — eine Behauptung, die durch das Folgende, wenn man zugeben will, daß Schwarze einen Gro߬ staat bilden können, großentheils gerechtfertigt wird. Alle Arten tropischer Producte gedeihen hier vortrefflich. Man baut Reis in Menge, und zwar nicht blos in den nassen Niederungen der Küstengegend, sondern auch in den höherlicgen- den Strichen des Innern. Ferner werden Mais, süße Kartoffeln, Eassawa- wurzel, Bohnen, Erbsen, Wassermelonen, Orangen, Ananas, Bananen, Tama¬ rinden, Mangos und Pawpaws in solchen Massen erzeugt, daß ein beträcht¬ licher Theil davon aufgeführt wird. Die Wälder bieten schönes Holz zum Häuser- wie zum Schiffbau, die Flüsse und das Meer vortreffliche Fische, die Berge Eisen in Menge. Die Pflanzungen der Liberianer liefern dem Handel bereits werthvolle Exportartikel, vor allem Kaffee, Zucker, Baumwolle, Pfeffer, Ingwer, Indigo, Erdnüsse,. Arrvwroot und Palmöl. Fast alle diese Erzeugnisse sind dem Lande einheimisch. Der Kaffeestrauch wächst an vielen Stellen wild in den Wäldern und ist dieselbe Species, wie die in Arabien und Habesch, könnte aber durch Pflege bedeutend verbessert werden. Eine ziemlich große Anzahl der Einwohner beschäftigt sich mit diesem Zweig der Landwirthschaft, da derselbe sich mit weniger Capital als der Bau von Zucker und Baumwolle betreiben läßt, und Proben von Liberia-Kaffee, die nach den Bereinigten Staaten und England gesandt wurden, sind dort von Kennern dem besten Mottah an die Seite gestellt worden. „Die civilisirte Bevölkerung." so fährt Mr. Ralston fort, „ist indeß so gering an Zahl, daß Exporte von großer Bedeutung nicht eher erwartet werden können, als bis sehr vermehrtes Kapital und ein starker Zufluß von den freien Negern der Bereinigten Staaten her, uns mehr geschickte und fleißige Unternehmer schaffen, die mit Befriedigung sehen würden, daß sich im ganzen Lande Ueber- fluß an eingebornen Arbeitern für den geringen Lohn von drei Dollars und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/399>, abgerufen am 02.10.2024.