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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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der Idee, diese vor allem auch unsere politische Bildung, unser politischesWissen zu¬
gleich umfassend und gründlich, zugleich theoretisch.,correct u. praktisch wirksam machen.

Solches waren ungefähr die Erwägungen, welche vor Jahren eine Anzahl
deutscher Männer zur Gründung der "Süddeutschen Zeitung" zusammM-
sührtcn. Sie meinten damit etwas für ganz Deutschland zu thun, wenn auch
zunächst nur der Süden unmittelbar berührt würde. Sie glaubten in München
die Hauptstadt des deutschen Südens zu erkennen, den Mittelpunkt des künst¬
lerischen und bald vielleicht auch des wissenschaftlichen Lebens der fränkischen,
schwäbischen und bairischen Lande. Weshalb dieser Plan jetzt aufgegeben wer¬
den mußte, ist oben (von uns in dem Aufsatz: "Die Zusammenkunft deutscher
Abgeordneter in Frankfurt a. M." Ur. 26 dieses Jahrgangs. S. 515. D. R.)
gesagt worden. Jedoch verlangt die Wahrheit hinzuzufügen, daß die Gesundheit
eines einzelnen Mannes (des Herrn Brater) nur deshalb auf ein so wichtiges
Unternehmen maßgebend einwirken kann, weil in München der Particularismus
der altbairischen Lande das gemeinsam deutsche Element so sehr zurückdrängt, daß
die ganz besondere Begabung und Kenntniß eines mit den bairischen Verhält¬
nissen und Stimmungen aufs innigste vertrauten Mannes dazu gehört, um die
deutschen Gedanken wirksam zu machen. Es handelt sich da gewissermaßen
um eine Mission unserer Cultur und Gesinnung auf einem Gebiete, welches
derselben vor sechzig Jahren noch fast gänzlich entfremdet war. Eine solche
Mission kann aber nicht von einem Blatte geübt werden, welches auf die
weiten Kreise des deutschen Lebens wirken will. Die "Süddeutsche Zeitung"
sah sich genöthigt in München eine bairische Zeitung zu werden, und je meister¬
hafter sie ihre bairische Aufgabe löste, desto mehr mußte sie sich von der deutschen
Aufgabe zurückziehen. Da;" kam aber, daß zu Ostern 1361 in Frankfurt dieselben
vorhin erwähnten Motive zur Gründung der "Zeit" führten. Die Freunde
beider Blätter wollten der Presse geben, was ihr fehlte, und beide verfielen, in¬
dem sie dem deutschen Gedanken dienen wollten, unbewußt dem Particularismus.
Es war ein Irrthum, daß ein Gebiet von acht bis zehn Millionen zwei große
Blätter derselben Tendenz bedürfe. Daß man jetzt von diesem Irrthum zurück¬
kommt und beide Zeitungen in der wirklichen Hauptstadt des Südens, in Frank¬
furt, vereinigt, ist ein höchst erfreulicher Beweis der fortschreitenden Einsicht in
die Bedürfnisse der Nation. Frankfurt ist in der That wenigstens die commer-
cielle und darum auch so zu sagen die publicistische Hauptstadt des Südens;
es ist zugleich derjenige Punkt Deutschlands, wo norddeutsches und süddeutsches
Wesen einander die Hand reichen, es ist eine eminent deutsche Stadt.

Ich meine keiner der vielen vortrefflichen Zeitungen, welche wir haben, zu
nahe zu treten, wenn ich sage, daß sie alle ohne Ausnahme an einem bestimm¬
ten Local oder Lande haften, daß sie alle wichtigen Theile des deutschen Lebens
zur Seite lassen müssen und daß deshalb noch immer die Augsburger Zeitung


Grenzboten III. 1662. 4

der Idee, diese vor allem auch unsere politische Bildung, unser politischesWissen zu¬
gleich umfassend und gründlich, zugleich theoretisch.,correct u. praktisch wirksam machen.

Solches waren ungefähr die Erwägungen, welche vor Jahren eine Anzahl
deutscher Männer zur Gründung der „Süddeutschen Zeitung" zusammM-
sührtcn. Sie meinten damit etwas für ganz Deutschland zu thun, wenn auch
zunächst nur der Süden unmittelbar berührt würde. Sie glaubten in München
die Hauptstadt des deutschen Südens zu erkennen, den Mittelpunkt des künst¬
lerischen und bald vielleicht auch des wissenschaftlichen Lebens der fränkischen,
schwäbischen und bairischen Lande. Weshalb dieser Plan jetzt aufgegeben wer¬
den mußte, ist oben (von uns in dem Aufsatz: „Die Zusammenkunft deutscher
Abgeordneter in Frankfurt a. M." Ur. 26 dieses Jahrgangs. S. 515. D. R.)
gesagt worden. Jedoch verlangt die Wahrheit hinzuzufügen, daß die Gesundheit
eines einzelnen Mannes (des Herrn Brater) nur deshalb auf ein so wichtiges
Unternehmen maßgebend einwirken kann, weil in München der Particularismus
der altbairischen Lande das gemeinsam deutsche Element so sehr zurückdrängt, daß
die ganz besondere Begabung und Kenntniß eines mit den bairischen Verhält¬
nissen und Stimmungen aufs innigste vertrauten Mannes dazu gehört, um die
deutschen Gedanken wirksam zu machen. Es handelt sich da gewissermaßen
um eine Mission unserer Cultur und Gesinnung auf einem Gebiete, welches
derselben vor sechzig Jahren noch fast gänzlich entfremdet war. Eine solche
Mission kann aber nicht von einem Blatte geübt werden, welches auf die
weiten Kreise des deutschen Lebens wirken will. Die „Süddeutsche Zeitung"
sah sich genöthigt in München eine bairische Zeitung zu werden, und je meister¬
hafter sie ihre bairische Aufgabe löste, desto mehr mußte sie sich von der deutschen
Aufgabe zurückziehen. Da;» kam aber, daß zu Ostern 1361 in Frankfurt dieselben
vorhin erwähnten Motive zur Gründung der „Zeit" führten. Die Freunde
beider Blätter wollten der Presse geben, was ihr fehlte, und beide verfielen, in¬
dem sie dem deutschen Gedanken dienen wollten, unbewußt dem Particularismus.
Es war ein Irrthum, daß ein Gebiet von acht bis zehn Millionen zwei große
Blätter derselben Tendenz bedürfe. Daß man jetzt von diesem Irrthum zurück¬
kommt und beide Zeitungen in der wirklichen Hauptstadt des Südens, in Frank¬
furt, vereinigt, ist ein höchst erfreulicher Beweis der fortschreitenden Einsicht in
die Bedürfnisse der Nation. Frankfurt ist in der That wenigstens die commer-
cielle und darum auch so zu sagen die publicistische Hauptstadt des Südens;
es ist zugleich derjenige Punkt Deutschlands, wo norddeutsches und süddeutsches
Wesen einander die Hand reichen, es ist eine eminent deutsche Stadt.

Ich meine keiner der vielen vortrefflichen Zeitungen, welche wir haben, zu
nahe zu treten, wenn ich sage, daß sie alle ohne Ausnahme an einem bestimm¬
ten Local oder Lande haften, daß sie alle wichtigen Theile des deutschen Lebens
zur Seite lassen müssen und daß deshalb noch immer die Augsburger Zeitung


Grenzboten III. 1662. 4
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[0033] der Idee, diese vor allem auch unsere politische Bildung, unser politischesWissen zu¬ gleich umfassend und gründlich, zugleich theoretisch.,correct u. praktisch wirksam machen. Solches waren ungefähr die Erwägungen, welche vor Jahren eine Anzahl deutscher Männer zur Gründung der „Süddeutschen Zeitung" zusammM- sührtcn. Sie meinten damit etwas für ganz Deutschland zu thun, wenn auch zunächst nur der Süden unmittelbar berührt würde. Sie glaubten in München die Hauptstadt des deutschen Südens zu erkennen, den Mittelpunkt des künst¬ lerischen und bald vielleicht auch des wissenschaftlichen Lebens der fränkischen, schwäbischen und bairischen Lande. Weshalb dieser Plan jetzt aufgegeben wer¬ den mußte, ist oben (von uns in dem Aufsatz: „Die Zusammenkunft deutscher Abgeordneter in Frankfurt a. M." Ur. 26 dieses Jahrgangs. S. 515. D. R.) gesagt worden. Jedoch verlangt die Wahrheit hinzuzufügen, daß die Gesundheit eines einzelnen Mannes (des Herrn Brater) nur deshalb auf ein so wichtiges Unternehmen maßgebend einwirken kann, weil in München der Particularismus der altbairischen Lande das gemeinsam deutsche Element so sehr zurückdrängt, daß die ganz besondere Begabung und Kenntniß eines mit den bairischen Verhält¬ nissen und Stimmungen aufs innigste vertrauten Mannes dazu gehört, um die deutschen Gedanken wirksam zu machen. Es handelt sich da gewissermaßen um eine Mission unserer Cultur und Gesinnung auf einem Gebiete, welches derselben vor sechzig Jahren noch fast gänzlich entfremdet war. Eine solche Mission kann aber nicht von einem Blatte geübt werden, welches auf die weiten Kreise des deutschen Lebens wirken will. Die „Süddeutsche Zeitung" sah sich genöthigt in München eine bairische Zeitung zu werden, und je meister¬ hafter sie ihre bairische Aufgabe löste, desto mehr mußte sie sich von der deutschen Aufgabe zurückziehen. Da;» kam aber, daß zu Ostern 1361 in Frankfurt dieselben vorhin erwähnten Motive zur Gründung der „Zeit" führten. Die Freunde beider Blätter wollten der Presse geben, was ihr fehlte, und beide verfielen, in¬ dem sie dem deutschen Gedanken dienen wollten, unbewußt dem Particularismus. Es war ein Irrthum, daß ein Gebiet von acht bis zehn Millionen zwei große Blätter derselben Tendenz bedürfe. Daß man jetzt von diesem Irrthum zurück¬ kommt und beide Zeitungen in der wirklichen Hauptstadt des Südens, in Frank¬ furt, vereinigt, ist ein höchst erfreulicher Beweis der fortschreitenden Einsicht in die Bedürfnisse der Nation. Frankfurt ist in der That wenigstens die commer- cielle und darum auch so zu sagen die publicistische Hauptstadt des Südens; es ist zugleich derjenige Punkt Deutschlands, wo norddeutsches und süddeutsches Wesen einander die Hand reichen, es ist eine eminent deutsche Stadt. Ich meine keiner der vielen vortrefflichen Zeitungen, welche wir haben, zu nahe zu treten, wenn ich sage, daß sie alle ohne Ausnahme an einem bestimm¬ ten Local oder Lande haften, daß sie alle wichtigen Theile des deutschen Lebens zur Seite lassen müssen und daß deshalb noch immer die Augsburger Zeitung Grenzboten III. 1662. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/33>, abgerufen am 05.02.2025.