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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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den Namen des neuen Heißenstein erhielt. In diesem neuen Heißenstein wurde
das Spiel noch 22 Jahre lang betrieben. Dann aber, im Jahre 1432, stellte
der Rath desselbe ein, oder wie es in der Urkunde lautet, er that den Heißen¬
stein ab. Was ihn dazu bewog, wird uns nicht gesagt. Der Entschluß, das
Spiel einzustellen, scheint aber rasch gefaßt worden zu sein, da man noch kurz
vorher, wie die Worte des Rechenbuches lauten, "8vo0 wurffel zum spile uff
dem Heißenstcin zu derselben messe ahndet und vorder meint liegen zu lassen,
die noch da liegen." Uebrigens scheint der Rath schon vorher wegen des schäd-
lichen Einflusses, den dieses Spiel hatte, besorgt gewesen zu sein; denn im R"Abs'
Protokoll von 1428 findet sich (Sexta post Assumpt.) folgender Beschluß! "Den
richtern zu befehlen, spil zu Sturm und den Heißenstein knechten und andern
;r worffel legen." Dies bezieht sich wohl darauf, daß man das Spiel mitunter
auch außerhalb der Messen an anderen Orten trieb.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß der Rath von Frankfurt auch im Mittel-
alter außerhalb der Messen und für seine Bürger das Spiel gar nicht gern
sah und so gut verfolgte, wie andere Obrigkeiten. Im Jahr 1594 erhielt er
Gelegenheit, diese Strenge gegen die Deutschherren auszuüben, welche in ihrem
Hause zu Frankfurt sich durch Aufstellung eines Glückstvpss -- einer Lotterie --
eine Einnahmequelle verschaffen wollten. Damals verbot der Rath jedermann
die Theilnahme an der Lotterie und ließ sogar den von den Deutschherren an¬
genommenen Spielhalter, einen Mann aus Gernsheim. in Haft nehmen.

Obgleich Hr. Kriegk den Namen des Spielhalters nicht angibt, so darf
man doch muthmaßen, daß das Individuum Hans Keim hieß. Denn Hans
Keim aus Gernsheim war für damalige Zeit ein gradeso unternehmender Gauner
und Glückstvpfhalter, wie jetzt der ve/wegenste Pächter einer deutschen Badespicl-
bank. Er hatte zwei Jahr vorher 1592 die Dreistigkeit gehabt, unter dem Schutz
eines kurmainzischen Edelmanns für seine Person in Gernsheim ein allgemeines
deutsches Schützenfest auszuschreiben, viele und recht anständige Preise auszusetzen,
und seine Schützenbriefe durch alle Länder zu senden. Wie aus denselben ersicht¬
lich ist, war ihm der Glückstopf dabei sehr die Hauptsache. Diesem hatte er
Gewinne gegeben, welche für jene Zeit unerhört waren. Der erste 400 Reichs-
güldcnthaler (beinahe "00 Tblr. unseres Geldes), während der erste Schciben-
gewinn nur 60 Thaler betrug. Da bei den Glückstvpsen damaliger Zeit die
Controle auch an größeren Orten sehr mangelhaft und die Zahl der Loose
selten limitirt wurde, so mag man sich denken, wie viele Gelegenheit für un¬
ehrenhafte Industrie gegeben war. Und damals hatte Hans Keim ^schon jahre¬
lang die Loose für seinen Glückstopf verhandelt. In Frankfurt scheint Um sein
? Schicksal ereilt zu haben.




Verantwortlicher Redacteur: I>i. Mvriß Busch.
Perlcifl von F. L. Her via,, -- Druck von C. E, Mbert in Leipzig,

den Namen des neuen Heißenstein erhielt. In diesem neuen Heißenstein wurde
das Spiel noch 22 Jahre lang betrieben. Dann aber, im Jahre 1432, stellte
der Rath desselbe ein, oder wie es in der Urkunde lautet, er that den Heißen¬
stein ab. Was ihn dazu bewog, wird uns nicht gesagt. Der Entschluß, das
Spiel einzustellen, scheint aber rasch gefaßt worden zu sein, da man noch kurz
vorher, wie die Worte des Rechenbuches lauten, „8vo0 wurffel zum spile uff
dem Heißenstcin zu derselben messe ahndet und vorder meint liegen zu lassen,
die noch da liegen." Uebrigens scheint der Rath schon vorher wegen des schäd-
lichen Einflusses, den dieses Spiel hatte, besorgt gewesen zu sein; denn im R»Abs'
Protokoll von 1428 findet sich (Sexta post Assumpt.) folgender Beschluß! „Den
richtern zu befehlen, spil zu Sturm und den Heißenstein knechten und andern
;r worffel legen." Dies bezieht sich wohl darauf, daß man das Spiel mitunter
auch außerhalb der Messen an anderen Orten trieb.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß der Rath von Frankfurt auch im Mittel-
alter außerhalb der Messen und für seine Bürger das Spiel gar nicht gern
sah und so gut verfolgte, wie andere Obrigkeiten. Im Jahr 1594 erhielt er
Gelegenheit, diese Strenge gegen die Deutschherren auszuüben, welche in ihrem
Hause zu Frankfurt sich durch Aufstellung eines Glückstvpss — einer Lotterie —
eine Einnahmequelle verschaffen wollten. Damals verbot der Rath jedermann
die Theilnahme an der Lotterie und ließ sogar den von den Deutschherren an¬
genommenen Spielhalter, einen Mann aus Gernsheim. in Haft nehmen.

Obgleich Hr. Kriegk den Namen des Spielhalters nicht angibt, so darf
man doch muthmaßen, daß das Individuum Hans Keim hieß. Denn Hans
Keim aus Gernsheim war für damalige Zeit ein gradeso unternehmender Gauner
und Glückstvpfhalter, wie jetzt der ve/wegenste Pächter einer deutschen Badespicl-
bank. Er hatte zwei Jahr vorher 1592 die Dreistigkeit gehabt, unter dem Schutz
eines kurmainzischen Edelmanns für seine Person in Gernsheim ein allgemeines
deutsches Schützenfest auszuschreiben, viele und recht anständige Preise auszusetzen,
und seine Schützenbriefe durch alle Länder zu senden. Wie aus denselben ersicht¬
lich ist, war ihm der Glückstopf dabei sehr die Hauptsache. Diesem hatte er
Gewinne gegeben, welche für jene Zeit unerhört waren. Der erste 400 Reichs-
güldcnthaler (beinahe «00 Tblr. unseres Geldes), während der erste Schciben-
gewinn nur 60 Thaler betrug. Da bei den Glückstvpsen damaliger Zeit die
Controle auch an größeren Orten sehr mangelhaft und die Zahl der Loose
selten limitirt wurde, so mag man sich denken, wie viele Gelegenheit für un¬
ehrenhafte Industrie gegeben war. Und damals hatte Hans Keim ^schon jahre¬
lang die Loose für seinen Glückstopf verhandelt. In Frankfurt scheint Um sein
? Schicksal ereilt zu haben.




Verantwortlicher Redacteur: I>i. Mvriß Busch.
Perlcifl von F. L. Her via,, — Druck von C. E, Mbert in Leipzig,
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[0328] den Namen des neuen Heißenstein erhielt. In diesem neuen Heißenstein wurde das Spiel noch 22 Jahre lang betrieben. Dann aber, im Jahre 1432, stellte der Rath desselbe ein, oder wie es in der Urkunde lautet, er that den Heißen¬ stein ab. Was ihn dazu bewog, wird uns nicht gesagt. Der Entschluß, das Spiel einzustellen, scheint aber rasch gefaßt worden zu sein, da man noch kurz vorher, wie die Worte des Rechenbuches lauten, „8vo0 wurffel zum spile uff dem Heißenstcin zu derselben messe ahndet und vorder meint liegen zu lassen, die noch da liegen." Uebrigens scheint der Rath schon vorher wegen des schäd- lichen Einflusses, den dieses Spiel hatte, besorgt gewesen zu sein; denn im R»Abs' Protokoll von 1428 findet sich (Sexta post Assumpt.) folgender Beschluß! „Den richtern zu befehlen, spil zu Sturm und den Heißenstein knechten und andern ;r worffel legen." Dies bezieht sich wohl darauf, daß man das Spiel mitunter auch außerhalb der Messen an anderen Orten trieb. Zum Schluß sei noch erwähnt, daß der Rath von Frankfurt auch im Mittel- alter außerhalb der Messen und für seine Bürger das Spiel gar nicht gern sah und so gut verfolgte, wie andere Obrigkeiten. Im Jahr 1594 erhielt er Gelegenheit, diese Strenge gegen die Deutschherren auszuüben, welche in ihrem Hause zu Frankfurt sich durch Aufstellung eines Glückstvpss — einer Lotterie — eine Einnahmequelle verschaffen wollten. Damals verbot der Rath jedermann die Theilnahme an der Lotterie und ließ sogar den von den Deutschherren an¬ genommenen Spielhalter, einen Mann aus Gernsheim. in Haft nehmen. Obgleich Hr. Kriegk den Namen des Spielhalters nicht angibt, so darf man doch muthmaßen, daß das Individuum Hans Keim hieß. Denn Hans Keim aus Gernsheim war für damalige Zeit ein gradeso unternehmender Gauner und Glückstvpfhalter, wie jetzt der ve/wegenste Pächter einer deutschen Badespicl- bank. Er hatte zwei Jahr vorher 1592 die Dreistigkeit gehabt, unter dem Schutz eines kurmainzischen Edelmanns für seine Person in Gernsheim ein allgemeines deutsches Schützenfest auszuschreiben, viele und recht anständige Preise auszusetzen, und seine Schützenbriefe durch alle Länder zu senden. Wie aus denselben ersicht¬ lich ist, war ihm der Glückstopf dabei sehr die Hauptsache. Diesem hatte er Gewinne gegeben, welche für jene Zeit unerhört waren. Der erste 400 Reichs- güldcnthaler (beinahe «00 Tblr. unseres Geldes), während der erste Schciben- gewinn nur 60 Thaler betrug. Da bei den Glückstvpsen damaliger Zeit die Controle auch an größeren Orten sehr mangelhaft und die Zahl der Loose selten limitirt wurde, so mag man sich denken, wie viele Gelegenheit für un¬ ehrenhafte Industrie gegeben war. Und damals hatte Hans Keim ^schon jahre¬ lang die Loose für seinen Glückstopf verhandelt. In Frankfurt scheint Um sein ? Schicksal ereilt zu haben. Verantwortlicher Redacteur: I>i. Mvriß Busch. Perlcifl von F. L. Her via,, — Druck von C. E, Mbert in Leipzig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/328>, abgerufen am 05.02.2025.