Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.in den ersten Bänden, und dies war auch das Urtheil Balbo's, der dafür um Der König verfolgte indessen aufmerksam die Zeichen der Zeit. Die Auf¬ 38*
in den ersten Bänden, und dies war auch das Urtheil Balbo's, der dafür um Der König verfolgte indessen aufmerksam die Zeichen der Zeit. Die Auf¬ 38*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114621"/> <p xml:id="ID_1257" prev="#ID_1256"> in den ersten Bänden, und dies war auch das Urtheil Balbo's, der dafür um<lb/> so mehr vom dritten Band zu rückhaltloser Bewunderung lnngerissen wurde, wo<lb/> er in den Speculationen über die christliche Civilisation ganz seine eigenen<lb/> Ideen wiederfand. Noch weniger zufrieden waren die andern guelsischcn, gut<lb/> katholischen Freunde mit diesem Buch, welches bald darauf die Ereignisse in<lb/> Genua ins Praktische übersetzen sollten. Es war aber auch bereits die Zeit<lb/> gekommen, da Männer wie Balbo erfahren mußten, wie wechselnd die Volks¬<lb/> gunst und wie rasch in solchen Tagen die Parteistellung sich verschiebe. Von<lb/> seinen acht politischen Briefen, welche er neben einer Menge halbvollcndeter<lb/> Arbeiten in dieser Zeit schrieb, erschienen die drei ersten im Jahre 1847. Der<lb/> erste betraf die Straßenbewegungen und war vornehmlich auf die Romagna<lb/> berechnet, von wo es nun aber Zeitungsartikel und Broschüren gegen ihn reg¬<lb/> nete, denen Balbo, wie anderen Beweisen der UnPopularität, unerschütterlich<lb/> den Muth seiner Ueberzeugung entgegensetzte. Es mag bier wohl an die schö¬<lb/> nen Worte eines der späteren Briefe, die erst 1855 nach dem Tode des Ver¬<lb/> fassers herausgegeben worden sind, erinnert werden, welcher die Tugend des<lb/> Bürgermuths zum Gegenstand hat, und zu welchem das Leben Balbo's selbst<lb/> den sprechendsten Commentar bildet. „Der Bürgermuth/' sagt er hier, „ist ge¬<lb/> duldig und langmüthig, leidet viel, bevor er losbricht, wartet die Gelegenheiten<lb/> ab, drängt seine Kraft zurück, bevor er sie gebraucht, und gebraucht sie nie im<lb/> Zorn, in der Hitze oder aus Eitelkeit, auch nicht aus Ruhm- und Ehrsucht; er<lb/> gebraucht sie gereift durch die Zeit, hundertfach verstärkt durch eine gute Ge¬<lb/> legenheit, und nie anders denn für das Vaterland. Und darum zeigt er sich<lb/> häufiger in der Vertheidigung als im Angriff. Der Bürgcrmuth hat nicht<lb/> Eile, hat keinen Neid, bescheidet sich, daß andere es ebenso gut, oder besser<lb/> noch mache!,, und wiederum, er thut nichts, von dem er nicht hofft, es sei<lb/> besser, als es ein anderer thut, er thut nichts Unnützes, er rühmt sich nicht<lb/> dessen, was er gethan, er ist nicht ehrgeizig, sucht nicht, was ihm nicht gehört,<lb/> erhitzt sich nicht, denkt nicht übel und freut sich nicht der Ungerechtigkeit, er<lb/> freut sich aber einer jeglichen Tugend und gleicht der Liebe, von welcher er<lb/> abhängt/'</p><lb/> <p xml:id="ID_1258" next="#ID_1259"> Der König verfolgte indessen aufmerksam die Zeichen der Zeit. Die Auf¬<lb/> regung, welche die Reformen Pius des Neunten in ganz Italien zur Folge<lb/> hatten, ließ keinen Zweifel übrig, in welcher Richtung sich die öffentliche Mei¬<lb/> nung bewege. Aber auch die Ueberzeugung hatte sich Karl Albert in Kurzem<lb/> aufgedrängt, daß er, wenn er das Werk der italienischen Unabhängigkeit unter-<lb/> nehmen wolle, dabei nur auf die Kräfte Italiens selbst zu rechnen habe. Zur<lb/> Zeit der ersten Plänkeleien mit Oestreich, als der König bereits an einen Un¬<lb/> abhängigkeitskrieg dachte und nichts sehnlicher wünschte, als durch maßloses<lb/> Vorgehen Oestreichs einen Anhaltspunkt für rasche Entschlüsse zu erhalten, ließ</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 38*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
in den ersten Bänden, und dies war auch das Urtheil Balbo's, der dafür um
so mehr vom dritten Band zu rückhaltloser Bewunderung lnngerissen wurde, wo
er in den Speculationen über die christliche Civilisation ganz seine eigenen
Ideen wiederfand. Noch weniger zufrieden waren die andern guelsischcn, gut
katholischen Freunde mit diesem Buch, welches bald darauf die Ereignisse in
Genua ins Praktische übersetzen sollten. Es war aber auch bereits die Zeit
gekommen, da Männer wie Balbo erfahren mußten, wie wechselnd die Volks¬
gunst und wie rasch in solchen Tagen die Parteistellung sich verschiebe. Von
seinen acht politischen Briefen, welche er neben einer Menge halbvollcndeter
Arbeiten in dieser Zeit schrieb, erschienen die drei ersten im Jahre 1847. Der
erste betraf die Straßenbewegungen und war vornehmlich auf die Romagna
berechnet, von wo es nun aber Zeitungsartikel und Broschüren gegen ihn reg¬
nete, denen Balbo, wie anderen Beweisen der UnPopularität, unerschütterlich
den Muth seiner Ueberzeugung entgegensetzte. Es mag bier wohl an die schö¬
nen Worte eines der späteren Briefe, die erst 1855 nach dem Tode des Ver¬
fassers herausgegeben worden sind, erinnert werden, welcher die Tugend des
Bürgermuths zum Gegenstand hat, und zu welchem das Leben Balbo's selbst
den sprechendsten Commentar bildet. „Der Bürgermuth/' sagt er hier, „ist ge¬
duldig und langmüthig, leidet viel, bevor er losbricht, wartet die Gelegenheiten
ab, drängt seine Kraft zurück, bevor er sie gebraucht, und gebraucht sie nie im
Zorn, in der Hitze oder aus Eitelkeit, auch nicht aus Ruhm- und Ehrsucht; er
gebraucht sie gereift durch die Zeit, hundertfach verstärkt durch eine gute Ge¬
legenheit, und nie anders denn für das Vaterland. Und darum zeigt er sich
häufiger in der Vertheidigung als im Angriff. Der Bürgcrmuth hat nicht
Eile, hat keinen Neid, bescheidet sich, daß andere es ebenso gut, oder besser
noch mache!,, und wiederum, er thut nichts, von dem er nicht hofft, es sei
besser, als es ein anderer thut, er thut nichts Unnützes, er rühmt sich nicht
dessen, was er gethan, er ist nicht ehrgeizig, sucht nicht, was ihm nicht gehört,
erhitzt sich nicht, denkt nicht übel und freut sich nicht der Ungerechtigkeit, er
freut sich aber einer jeglichen Tugend und gleicht der Liebe, von welcher er
abhängt/'
Der König verfolgte indessen aufmerksam die Zeichen der Zeit. Die Auf¬
regung, welche die Reformen Pius des Neunten in ganz Italien zur Folge
hatten, ließ keinen Zweifel übrig, in welcher Richtung sich die öffentliche Mei¬
nung bewege. Aber auch die Ueberzeugung hatte sich Karl Albert in Kurzem
aufgedrängt, daß er, wenn er das Werk der italienischen Unabhängigkeit unter-
nehmen wolle, dabei nur auf die Kräfte Italiens selbst zu rechnen habe. Zur
Zeit der ersten Plänkeleien mit Oestreich, als der König bereits an einen Un¬
abhängigkeitskrieg dachte und nichts sehnlicher wünschte, als durch maßloses
Vorgehen Oestreichs einen Anhaltspunkt für rasche Entschlüsse zu erhalten, ließ
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