Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.er sich angelegen sein, die Gesinnungen Frankreichs zu erforschen, für den Fall, daß Eine Zeitlang schien freilich wieder alles in Frage. Als die Wogen der Die Polizei sah nicht lange schweigend zu, drohende Verbote gingen aus, er sich angelegen sein, die Gesinnungen Frankreichs zu erforschen, für den Fall, daß Eine Zeitlang schien freilich wieder alles in Frage. Als die Wogen der Die Polizei sah nicht lange schweigend zu, drohende Verbote gingen aus, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114622"/> <p xml:id="ID_1259" prev="#ID_1258"> er sich angelegen sein, die Gesinnungen Frankreichs zu erforschen, für den Fall, daß<lb/> er die Errichtung eines einigen oder föderativem, jedenfalls aber unabhängigen Ita¬<lb/> liens in Angriff nähme. Bei den vielen Feinden, von denen die Julidynastie um¬<lb/> geben, dachte Karl Albert, werde ihr ein durch Dankbarkeit verbundenes Italien<lb/> nur erwünscht sein. Aber die Antwort, welche ein geheimer Abgesandter von Louis<lb/> Philipp und Marschall Soult erhielt, lautete dahin: „Frankreich könne sich nicht<lb/> für eine abenteuerliche Politik engagiren." Po» nun an kehrte der König zu<lb/> dem Grundsatz zurück: 1,'ItÄliu, de-vo taro aler so.</p><lb/> <p xml:id="ID_1260"> Eine Zeitlang schien freilich wieder alles in Frage. Als die Wogen der<lb/> Piusbegeistcrung höher und höher gingen, — namentlich als ein Abgesandter<lb/> des Papstes, Mvnsignore Cvrboli Bussi erschien, um wegen eines Zollvereins<lb/> zwischen Piemont, Toscana und dem Kirchenstaat zu verhandeln, — wechselten<lb/> beim König Gefühle der Eifersucht und argwöhnischen Besorgnis), zumal da<lb/> letztere durch seine reactionäre Umgebung mit geflissentlicher Uebertreibung der<lb/> Stimmungen und Vorgänge genährt wurde und der König wieder häufiger<lb/> Rückfälle seiner physischen und moralischen Schwäche,hatte. Die liberale Par¬<lb/> tei wagte es allmälig offner vorzugehen. Die Frauen begannen Bänder mit<lb/> den Farben Pius des Neunten zu tragen, es folgten die Cravatten ä 1a<lb/> Mastai-Feretti, Herren und Damen begrüßten sich mit Sträußen von gelben<lb/> und weißen Blumen. Endlich aber wagten sich auch die Hymnen aus den<lb/> Häusern und Privatkreisen heraus auf die Straße, was der sonst so ruhigen,<lb/> gemessenen Stadt Turin ein ganz anderes Aussehen gab.</p><lb/> <p xml:id="ID_1261" next="#ID_1262"> Die Polizei sah nicht lange schweigend zu, drohende Verbote gingen aus,<lb/> und Maucranschläge gegen die Farben des Papstes verkündigten: seit 800<lb/> Jahren seien die Farben Piemonts andere, niemals könne geduldet werden, daß<lb/> sie geändert würden. Bei einer größeren Demonstration, die am Abend des<lb/> 1. Oct. veranstaltet jvard, kam es zu brutalen Auftritten, zu Verwundungen<lb/> und Verhaftungen, aber der entrüstete Protest, der anfänglich als Manifest<lb/> gegen dieses Vorgehen der Turiner Polizei an ganz Europa ausgehen, dann<lb/> wenigstens vom Stadtrath dem König überreicht werden sollte, und schießlich<lb/> so bescheidene Dimensionen annahm, das 19 protestirende Unterschriften bei<lb/> einem Notar deponirt wurden, bewies, wie wenig nachhaltige Kraft und Ent¬<lb/> schlossenheit noch in der Bewegung lag. Diese Vorgänge hatten dann die<lb/> Entlassung der Minister Villamarina und La Margherita in ihrem Gefolge,<lb/> an deren Stelle San Marsano für das Auswärtige, Broglia für den Krieg<lb/> traten. Allein die Entlassung Villamarina's galt, wie schon früher erwähnt,<lb/> de>^ Volke als el» zweifelhaftes Zeichen der liberalen Gesinnung des Königs.<lb/> Man munkelte damals überhaupt, es stehe eine völlige Aenderung in der Po¬<lb/> litik des Königs bevor, Latour sei am Hofe mehr denn je in Gunst, selbst<lb/> Männer, die bisher am muthigsten die Hoffnungen in die Zukunft aufrecht ge-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
er sich angelegen sein, die Gesinnungen Frankreichs zu erforschen, für den Fall, daß
er die Errichtung eines einigen oder föderativem, jedenfalls aber unabhängigen Ita¬
liens in Angriff nähme. Bei den vielen Feinden, von denen die Julidynastie um¬
geben, dachte Karl Albert, werde ihr ein durch Dankbarkeit verbundenes Italien
nur erwünscht sein. Aber die Antwort, welche ein geheimer Abgesandter von Louis
Philipp und Marschall Soult erhielt, lautete dahin: „Frankreich könne sich nicht
für eine abenteuerliche Politik engagiren." Po» nun an kehrte der König zu
dem Grundsatz zurück: 1,'ItÄliu, de-vo taro aler so.
Eine Zeitlang schien freilich wieder alles in Frage. Als die Wogen der
Piusbegeistcrung höher und höher gingen, — namentlich als ein Abgesandter
des Papstes, Mvnsignore Cvrboli Bussi erschien, um wegen eines Zollvereins
zwischen Piemont, Toscana und dem Kirchenstaat zu verhandeln, — wechselten
beim König Gefühle der Eifersucht und argwöhnischen Besorgnis), zumal da
letztere durch seine reactionäre Umgebung mit geflissentlicher Uebertreibung der
Stimmungen und Vorgänge genährt wurde und der König wieder häufiger
Rückfälle seiner physischen und moralischen Schwäche,hatte. Die liberale Par¬
tei wagte es allmälig offner vorzugehen. Die Frauen begannen Bänder mit
den Farben Pius des Neunten zu tragen, es folgten die Cravatten ä 1a
Mastai-Feretti, Herren und Damen begrüßten sich mit Sträußen von gelben
und weißen Blumen. Endlich aber wagten sich auch die Hymnen aus den
Häusern und Privatkreisen heraus auf die Straße, was der sonst so ruhigen,
gemessenen Stadt Turin ein ganz anderes Aussehen gab.
Die Polizei sah nicht lange schweigend zu, drohende Verbote gingen aus,
und Maucranschläge gegen die Farben des Papstes verkündigten: seit 800
Jahren seien die Farben Piemonts andere, niemals könne geduldet werden, daß
sie geändert würden. Bei einer größeren Demonstration, die am Abend des
1. Oct. veranstaltet jvard, kam es zu brutalen Auftritten, zu Verwundungen
und Verhaftungen, aber der entrüstete Protest, der anfänglich als Manifest
gegen dieses Vorgehen der Turiner Polizei an ganz Europa ausgehen, dann
wenigstens vom Stadtrath dem König überreicht werden sollte, und schießlich
so bescheidene Dimensionen annahm, das 19 protestirende Unterschriften bei
einem Notar deponirt wurden, bewies, wie wenig nachhaltige Kraft und Ent¬
schlossenheit noch in der Bewegung lag. Diese Vorgänge hatten dann die
Entlassung der Minister Villamarina und La Margherita in ihrem Gefolge,
an deren Stelle San Marsano für das Auswärtige, Broglia für den Krieg
traten. Allein die Entlassung Villamarina's galt, wie schon früher erwähnt,
de>^ Volke als el» zweifelhaftes Zeichen der liberalen Gesinnung des Königs.
Man munkelte damals überhaupt, es stehe eine völlige Aenderung in der Po¬
litik des Königs bevor, Latour sei am Hofe mehr denn je in Gunst, selbst
Männer, die bisher am muthigsten die Hoffnungen in die Zukunft aufrecht ge-
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