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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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muH in dichten Rauch gehüllten London. Ich wüßte keinen geeigneteren Ort
für große Musikfeste, als dies mittlere Transept des Glaspalastcs, das ganz
allein dafür bestimmt ist und bei einer Höhe Von etwa 180' eine Länge von
400' und eine Breite von 200' hat. Das im Westen amphitheatralisch sich er¬
hebende Orchester bedeckt bei einer Breite von 2t6 und einer Tiefe von l00 Fuß
einen Flächenraum von U>,0t6 Quadratfuß und ist in der Form eines Halb¬
kreises gebaut. Die Rückseite bildet eine feste Wand, die zu dem letzten Händel-
feste noch erhöht wurde, und von hier aus dehnt sich ein gewölbtes Dach über
das ganze Orchester, in einer Höhe von 100'. Der Anblick des letzteren/dessen
Errichtung allein 12,000 Pfd. gekostet hat, ist überaus großartig, namentlich
setzt nach Vollendung des weiten Daches, dessen Bogen eine Spannung von
21"' hat. Die ganze tongebende Masse steht somit in einem festen Gehäuse
von der Gestalt einer der Länge nach getheilten Eierschale oder einer Muschel.
In der Mitte des Hintergrundes hat die große Orgel ihren Platz, etwa t0'
tiefer die große Trommel mit einem Durchmesser von 0'. Unterhalb der Trom¬
mel flehen acht kleine Trommeln und 3 gewaltige Pauken; je ein paar kleinerer
Pauken stehen in gleicher Höhe, rechts und links im Orchester. Den ganzen
Halbkreis von den Pauken hinab zum Dirigenten füllt das Orchester und den
übrigen Theil des großen Amphitheaters der Chor. Ein kleines vollständiges
Orchester zur Begleitung der Soli schaart sich im Vordergründe dicht um den
Dirigenten, das ganze große Orchester ist im Uebrigen folgendermaßen aufge¬
stellt', in gleicher Höhe mit den Pauken das Ganze einschließend haben 67
Contrabässe und 07 Violoncellos ihren Platz; ihnen reihen sich die großen
Baßblasinstrumcnte an; die andere" Blasinstrumente ziehen sich von der Mitte
keilförmig hinab. Rechts und links von diesen finden wir 00 Bratschen und
rechts den übrigen Raum füllend 03 erste, links 00 zweite Geigen. Oberhalb
des Orchesters und rechts von der Orgel stehen Tenor und Alt und links
Sopran und Baß, und zwar so. daß Sopran und Alt die Mitte, Tenor und
Baß die Flügel bilden. Um den entfernter stehenden Stimmen mehr Halt zu
geben, sind einzelne große Blechinstrumente. Tudas und Serpents in die dichte
Masse des Chors hineingestreut. An Massenhaftigkeit steht dieses Orchester
unübertroffen da. und doch muß man nicht glauben, daß diese ganze Masse selbst
im Fortissimo einen auch nur irgendwie betäubenden Lärm machte. Das Ver¬
hältniß der Tonmasse zu dem zu füllenden Raume schien ein durchaus richtiges zu
sein und 200 Stimmen mit einem Orchester von 00 Instrumentaliste" machen bei
einer Choraufführung im Gewandhaussaale in Leipzig viel mehr Geräusch als 4000
Stimmen mit einem Orchester von 500 Mensche" im Krystallpalastc.

Ueber die Probe gehe ich hinweg, um.sofort die drei Tage in Anspruch
nehmende Aufführung selbst zu schildern. Mittag den 23. Juni fand der
Bortrag des Messias statt.


muH in dichten Rauch gehüllten London. Ich wüßte keinen geeigneteren Ort
für große Musikfeste, als dies mittlere Transept des Glaspalastcs, das ganz
allein dafür bestimmt ist und bei einer Höhe Von etwa 180' eine Länge von
400' und eine Breite von 200' hat. Das im Westen amphitheatralisch sich er¬
hebende Orchester bedeckt bei einer Breite von 2t6 und einer Tiefe von l00 Fuß
einen Flächenraum von U>,0t6 Quadratfuß und ist in der Form eines Halb¬
kreises gebaut. Die Rückseite bildet eine feste Wand, die zu dem letzten Händel-
feste noch erhöht wurde, und von hier aus dehnt sich ein gewölbtes Dach über
das ganze Orchester, in einer Höhe von 100'. Der Anblick des letzteren/dessen
Errichtung allein 12,000 Pfd. gekostet hat, ist überaus großartig, namentlich
setzt nach Vollendung des weiten Daches, dessen Bogen eine Spannung von
21»' hat. Die ganze tongebende Masse steht somit in einem festen Gehäuse
von der Gestalt einer der Länge nach getheilten Eierschale oder einer Muschel.
In der Mitte des Hintergrundes hat die große Orgel ihren Platz, etwa t0'
tiefer die große Trommel mit einem Durchmesser von 0'. Unterhalb der Trom¬
mel flehen acht kleine Trommeln und 3 gewaltige Pauken; je ein paar kleinerer
Pauken stehen in gleicher Höhe, rechts und links im Orchester. Den ganzen
Halbkreis von den Pauken hinab zum Dirigenten füllt das Orchester und den
übrigen Theil des großen Amphitheaters der Chor. Ein kleines vollständiges
Orchester zur Begleitung der Soli schaart sich im Vordergründe dicht um den
Dirigenten, das ganze große Orchester ist im Uebrigen folgendermaßen aufge¬
stellt', in gleicher Höhe mit den Pauken das Ganze einschließend haben 67
Contrabässe und 07 Violoncellos ihren Platz; ihnen reihen sich die großen
Baßblasinstrumcnte an; die andere» Blasinstrumente ziehen sich von der Mitte
keilförmig hinab. Rechts und links von diesen finden wir 00 Bratschen und
rechts den übrigen Raum füllend 03 erste, links 00 zweite Geigen. Oberhalb
des Orchesters und rechts von der Orgel stehen Tenor und Alt und links
Sopran und Baß, und zwar so. daß Sopran und Alt die Mitte, Tenor und
Baß die Flügel bilden. Um den entfernter stehenden Stimmen mehr Halt zu
geben, sind einzelne große Blechinstrumente. Tudas und Serpents in die dichte
Masse des Chors hineingestreut. An Massenhaftigkeit steht dieses Orchester
unübertroffen da. und doch muß man nicht glauben, daß diese ganze Masse selbst
im Fortissimo einen auch nur irgendwie betäubenden Lärm machte. Das Ver¬
hältniß der Tonmasse zu dem zu füllenden Raume schien ein durchaus richtiges zu
sein und 200 Stimmen mit einem Orchester von 00 Instrumentaliste» machen bei
einer Choraufführung im Gewandhaussaale in Leipzig viel mehr Geräusch als 4000
Stimmen mit einem Orchester von 500 Mensche» im Krystallpalastc.

Ueber die Probe gehe ich hinweg, um.sofort die drei Tage in Anspruch
nehmende Aufführung selbst zu schildern. Mittag den 23. Juni fand der
Bortrag des Messias statt.


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[0292] muH in dichten Rauch gehüllten London. Ich wüßte keinen geeigneteren Ort für große Musikfeste, als dies mittlere Transept des Glaspalastcs, das ganz allein dafür bestimmt ist und bei einer Höhe Von etwa 180' eine Länge von 400' und eine Breite von 200' hat. Das im Westen amphitheatralisch sich er¬ hebende Orchester bedeckt bei einer Breite von 2t6 und einer Tiefe von l00 Fuß einen Flächenraum von U>,0t6 Quadratfuß und ist in der Form eines Halb¬ kreises gebaut. Die Rückseite bildet eine feste Wand, die zu dem letzten Händel- feste noch erhöht wurde, und von hier aus dehnt sich ein gewölbtes Dach über das ganze Orchester, in einer Höhe von 100'. Der Anblick des letzteren/dessen Errichtung allein 12,000 Pfd. gekostet hat, ist überaus großartig, namentlich setzt nach Vollendung des weiten Daches, dessen Bogen eine Spannung von 21»' hat. Die ganze tongebende Masse steht somit in einem festen Gehäuse von der Gestalt einer der Länge nach getheilten Eierschale oder einer Muschel. In der Mitte des Hintergrundes hat die große Orgel ihren Platz, etwa t0' tiefer die große Trommel mit einem Durchmesser von 0'. Unterhalb der Trom¬ mel flehen acht kleine Trommeln und 3 gewaltige Pauken; je ein paar kleinerer Pauken stehen in gleicher Höhe, rechts und links im Orchester. Den ganzen Halbkreis von den Pauken hinab zum Dirigenten füllt das Orchester und den übrigen Theil des großen Amphitheaters der Chor. Ein kleines vollständiges Orchester zur Begleitung der Soli schaart sich im Vordergründe dicht um den Dirigenten, das ganze große Orchester ist im Uebrigen folgendermaßen aufge¬ stellt', in gleicher Höhe mit den Pauken das Ganze einschließend haben 67 Contrabässe und 07 Violoncellos ihren Platz; ihnen reihen sich die großen Baßblasinstrumcnte an; die andere» Blasinstrumente ziehen sich von der Mitte keilförmig hinab. Rechts und links von diesen finden wir 00 Bratschen und rechts den übrigen Raum füllend 03 erste, links 00 zweite Geigen. Oberhalb des Orchesters und rechts von der Orgel stehen Tenor und Alt und links Sopran und Baß, und zwar so. daß Sopran und Alt die Mitte, Tenor und Baß die Flügel bilden. Um den entfernter stehenden Stimmen mehr Halt zu geben, sind einzelne große Blechinstrumente. Tudas und Serpents in die dichte Masse des Chors hineingestreut. An Massenhaftigkeit steht dieses Orchester unübertroffen da. und doch muß man nicht glauben, daß diese ganze Masse selbst im Fortissimo einen auch nur irgendwie betäubenden Lärm machte. Das Ver¬ hältniß der Tonmasse zu dem zu füllenden Raume schien ein durchaus richtiges zu sein und 200 Stimmen mit einem Orchester von 00 Instrumentaliste» machen bei einer Choraufführung im Gewandhaussaale in Leipzig viel mehr Geräusch als 4000 Stimmen mit einem Orchester von 500 Mensche» im Krystallpalastc. Ueber die Probe gehe ich hinweg, um.sofort die drei Tage in Anspruch nehmende Aufführung selbst zu schildern. Mittag den 23. Juni fand der Bortrag des Messias statt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/292>, abgerufen am 05.02.2025.