Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.aufführung mit 4000 Mitwirkenden ohne weitere Probe eine Unmöglichkeit, allein Aus einem Hügel in Surrey, etwa anderthalb Meilen südöstlich von London Es ist ein liebliches Fleckchen Erde, dieser Krystallpalast mit seinen Gärten, 36*
aufführung mit 4000 Mitwirkenden ohne weitere Probe eine Unmöglichkeit, allein Aus einem Hügel in Surrey, etwa anderthalb Meilen südöstlich von London Es ist ein liebliches Fleckchen Erde, dieser Krystallpalast mit seinen Gärten, 36*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114605"/> <p xml:id="ID_1209" prev="#ID_1208"> aufführung mit 4000 Mitwirkenden ohne weitere Probe eine Unmöglichkeit, allein<lb/> wenn man bedenkt, wie oft hier der Messias, Israel in Aegypten und einzelne der<lb/> anderen Chöre von denselben Personen gesungen worden sind, gewinnt man<lb/> eine andere Ansicht. Den Messias hörte man in den letzten 20 Jahren wenig¬<lb/> stens achtmal jährlich in London, mehr oder weniger von denselben Kräften<lb/> gesungen, er ist das Oratorium, welches jeder Engländer gehört hat, ein Musik¬<lb/> fest ohne dasselbe wäre geradezu undenkbar, und ich glaube behaupten zu<lb/> dürfen, daß die meisten Chöre es auswendig wissen, wenigstens linde ich<lb/> Chöre beobachtet, die bei aufgeschlagenen und heruntergebaltenen Büchern, mit un¬<lb/> verwandten Blicken auf den Dirigenten dieses Oratorium durchgesungen haben.<lb/> Mit Israel in Aegypten geht es ähnlich, nur daß es nicht schon so ins Fleisch<lb/> und Blut der Engländer übergangen ist als der Messias; nach vielen Ver¬<lb/> änderungen und Auslassungen, die es seit einem Jahrhunderte erfahren hatte,<lb/> ohne zu einer verdienten Geltung zu kommen, brachte die Sacred Harmonie<lb/> Society erst I84ö dies Oratorium in seiner ursprünglichen Gestalt zur Auf¬<lb/> führung, und seitdem hat es sich immer fester gesetzt in der Gunst des eng¬<lb/> lischen Volks. Auf allen drei Händelfestcn bildete es den Schluß, und außer<lb/> einigen schwierigen Doppelchören war daher auch bei diesem Werk eine<lb/> Probe unnöthig, so daß nur die wenigen neuen Chöre aus l'Allegro, Salo-<lb/> mon, u. s. w. einer öfteren Wiederholung bedurften. Wie gesagt fand die<lb/> Generalprobe im Krystallpalaste statt, und bei dieser Gelegenheit war es, wo<lb/> ich zuerst mit dem Nicsenorchester, wie es jetzt vollendet dasteht, bekanntwurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1210"> Aus einem Hügel in Surrey, etwa anderthalb Meilen südöstlich von London<lb/> liegt zwischen den Orten Sydenham und Norwood der Krystallpalast mit seinen<lb/> graziösen Außenlinien, in seinem durchsichtigen Materiale wie von Feenhänden<lb/> gebaut. Wie der erste Ausstellungspalast im Hydepark, besteht er aus einem<lb/> hohen mittleren 'Transcpt mit zwei langen Flügeln, die wieder in kleineren<lb/> Transepte» enden. An diese hat man neuerdings noch zwei andere Flügel an¬<lb/> gebaut, die im rechten Winkel vom Hauptgebäude ausgehend, die Gärten an<lb/> zwei Seiten einschließen. Vom Palaste den Hügel hinab ziehen sich die schön¬<lb/> sten Anlagen, mit unzähligen Statuen und kunstreichen Wasserwerken geziert.<lb/> Breite, mit gelbem Kies bestreute Wege winden sich durch schone grüne Rasen¬<lb/> plätze, deren farbenprächtige Blumenbeete nie zu welken scheinen. Weiter un¬<lb/> ten finden wir Me kleine Teiche zwischen herrlichen alten Eichen, bis zuletzt<lb/> der Blick sich verliert in ein weites fruchtbares Thal, aus dessen Wiesen- und<lb/> Waldesgrün unzählige kleine Villen wie weiße Blumen hervorblicken. Den<lb/> Horizont bildet ein Höhenzug, der uns von Greenwich und den Ufern der<lb/> Themse trennt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1211" next="#ID_1212"> Es ist ein liebliches Fleckchen Erde, dieser Krystallpalast mit seinen Gärten,<lb/> seinem Sonnenschein und seinem klaren blauen Himmel neben dem ungeheuren,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 36*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0291]
aufführung mit 4000 Mitwirkenden ohne weitere Probe eine Unmöglichkeit, allein
wenn man bedenkt, wie oft hier der Messias, Israel in Aegypten und einzelne der
anderen Chöre von denselben Personen gesungen worden sind, gewinnt man
eine andere Ansicht. Den Messias hörte man in den letzten 20 Jahren wenig¬
stens achtmal jährlich in London, mehr oder weniger von denselben Kräften
gesungen, er ist das Oratorium, welches jeder Engländer gehört hat, ein Musik¬
fest ohne dasselbe wäre geradezu undenkbar, und ich glaube behaupten zu
dürfen, daß die meisten Chöre es auswendig wissen, wenigstens linde ich
Chöre beobachtet, die bei aufgeschlagenen und heruntergebaltenen Büchern, mit un¬
verwandten Blicken auf den Dirigenten dieses Oratorium durchgesungen haben.
Mit Israel in Aegypten geht es ähnlich, nur daß es nicht schon so ins Fleisch
und Blut der Engländer übergangen ist als der Messias; nach vielen Ver¬
änderungen und Auslassungen, die es seit einem Jahrhunderte erfahren hatte,
ohne zu einer verdienten Geltung zu kommen, brachte die Sacred Harmonie
Society erst I84ö dies Oratorium in seiner ursprünglichen Gestalt zur Auf¬
führung, und seitdem hat es sich immer fester gesetzt in der Gunst des eng¬
lischen Volks. Auf allen drei Händelfestcn bildete es den Schluß, und außer
einigen schwierigen Doppelchören war daher auch bei diesem Werk eine
Probe unnöthig, so daß nur die wenigen neuen Chöre aus l'Allegro, Salo-
mon, u. s. w. einer öfteren Wiederholung bedurften. Wie gesagt fand die
Generalprobe im Krystallpalaste statt, und bei dieser Gelegenheit war es, wo
ich zuerst mit dem Nicsenorchester, wie es jetzt vollendet dasteht, bekanntwurde.
Aus einem Hügel in Surrey, etwa anderthalb Meilen südöstlich von London
liegt zwischen den Orten Sydenham und Norwood der Krystallpalast mit seinen
graziösen Außenlinien, in seinem durchsichtigen Materiale wie von Feenhänden
gebaut. Wie der erste Ausstellungspalast im Hydepark, besteht er aus einem
hohen mittleren 'Transcpt mit zwei langen Flügeln, die wieder in kleineren
Transepte» enden. An diese hat man neuerdings noch zwei andere Flügel an¬
gebaut, die im rechten Winkel vom Hauptgebäude ausgehend, die Gärten an
zwei Seiten einschließen. Vom Palaste den Hügel hinab ziehen sich die schön¬
sten Anlagen, mit unzähligen Statuen und kunstreichen Wasserwerken geziert.
Breite, mit gelbem Kies bestreute Wege winden sich durch schone grüne Rasen¬
plätze, deren farbenprächtige Blumenbeete nie zu welken scheinen. Weiter un¬
ten finden wir Me kleine Teiche zwischen herrlichen alten Eichen, bis zuletzt
der Blick sich verliert in ein weites fruchtbares Thal, aus dessen Wiesen- und
Waldesgrün unzählige kleine Villen wie weiße Blumen hervorblicken. Den
Horizont bildet ein Höhenzug, der uns von Greenwich und den Ufern der
Themse trennt.
Es ist ein liebliches Fleckchen Erde, dieser Krystallpalast mit seinen Gärten,
seinem Sonnenschein und seinem klaren blauen Himmel neben dem ungeheuren,
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