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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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in der auswärtigen Politik in ein unstetes Schwanken geriet!), mußte diese
Unentschiedenheit officiös bemäntelt werden, und nach dem Frieden von Villa-
franca gab sich in den officiösen Spalten das als tiefsinnige Friedens- und
Neutralitätspolitik, was in Wahrheit nur der Ausfluß vollständiger Rat¬
losigkeit und des Widerstreben" verschiedner Ansichten in der Regierung war.
Nach dem Badner Fürstentag erschien Preußen der officiösen Zeitung auf der
Höhe des Ruhmes, die Einheit Deutschlands gesichert; nachher aber ward sie
plötzlich still^ und fand nachträglich, daß die Zusammenkünfte von Teplitz und
Warschau noch für dasselbe Ziel nothwendig waren.

AIs die Untätigkeit der Regierung die Opposition in der Kammer wach¬
rief, mußte die Preußische Zeitung, die sich nunmehr "Allgemeine" nannte und
mit einem Wappenstern versehen war, die unruhigen Köpfe vermahnen, die
Fortschrittspartei als landesfeindlich hinstellen und erklaren, daß wenn die Ab¬
geordneten die Regierung drängen wollten, ihnen die Reform homöopathisch
zugemessen werden solle. Als der gute Rath nicht half und nach dem Hagen-
schen Antrag die liberalen Minister in die Auslösungsfalle ihres Kollegen
v. d. Heydt gegangen waren, durfte die Sternzeitung jene Intrigue natürlich nicht
erklären, sondern schwieg sich über die Entlassung würdevoll aus, bedrohte
aber die Bevölkerung auf das stärkste, wenn sie wieder Fortschrittsleute zu ihren
Vertretern ausersähe. Sehr ungelegen kam der Brief des Finanzministers mit
seinen Erläuterungen, wie man "den Schein zu retten" habe; nun mußte das
unglückliche Blatt alle die Maßregeln, die es früher als den Ruin der preu¬
ßischen Finanzen hingestellt, als fürsorgende Weisheit einer väterlichen Negierung
schttdern, erklärte aber freilich nicht, weshalb jetzt die Aufhebung der Zuschlag¬
steuern und die Specialisirung des Budgets gefahrlos sei. während der Erfolg
des Hagenschen Antrags wenige Wochen zuvor mit Auslösung bestraft wurde.

Die letzten Wochen boten uns noch in der hessischen Frage ein wider¬
sprechendes Schauspiel ähnlicher Art, bei dem das viel'xmt, tsrridls der Feu¬
dalen, das Nathusiussche Volksblatt naiv erklärte, daß es die preußische Oppo¬
sition für weit berechtigter halte, als die hessische.

Wir glauben, diese Beispiele zeigen zur Genüge, daß eine solche Presse
der Regierung nicht nützt, sondern sie nur compromittirt. Sie thut letzteres
aber auch noch in anderer Beziehung.

In unsern Tagen ist eine der Hauptbedingungen für ein bedeutendes
Blatt, gute auswärtige Korrespondenzen zu haben; diese aber müssen' noth¬
wendig von einem bestimmten Standpunkt geschrieben sein und daher Lob oder
Tadel über auswärtige Regierungen aussprechen. Kritisirt aber ein officiöses
Blatt Maßregeln anderer Regierungen, so machen dieselben den Minister dafür
verantwortlich, von dem das Blatt abhängt. Herr Thouvencl mag noch so
bestimmt erklären, Constitutionel, Patrie und Pays seien unabhängige Blätter,


in der auswärtigen Politik in ein unstetes Schwanken geriet!), mußte diese
Unentschiedenheit officiös bemäntelt werden, und nach dem Frieden von Villa-
franca gab sich in den officiösen Spalten das als tiefsinnige Friedens- und
Neutralitätspolitik, was in Wahrheit nur der Ausfluß vollständiger Rat¬
losigkeit und des Widerstreben« verschiedner Ansichten in der Regierung war.
Nach dem Badner Fürstentag erschien Preußen der officiösen Zeitung auf der
Höhe des Ruhmes, die Einheit Deutschlands gesichert; nachher aber ward sie
plötzlich still^ und fand nachträglich, daß die Zusammenkünfte von Teplitz und
Warschau noch für dasselbe Ziel nothwendig waren.

AIs die Untätigkeit der Regierung die Opposition in der Kammer wach¬
rief, mußte die Preußische Zeitung, die sich nunmehr „Allgemeine" nannte und
mit einem Wappenstern versehen war, die unruhigen Köpfe vermahnen, die
Fortschrittspartei als landesfeindlich hinstellen und erklaren, daß wenn die Ab¬
geordneten die Regierung drängen wollten, ihnen die Reform homöopathisch
zugemessen werden solle. Als der gute Rath nicht half und nach dem Hagen-
schen Antrag die liberalen Minister in die Auslösungsfalle ihres Kollegen
v. d. Heydt gegangen waren, durfte die Sternzeitung jene Intrigue natürlich nicht
erklären, sondern schwieg sich über die Entlassung würdevoll aus, bedrohte
aber die Bevölkerung auf das stärkste, wenn sie wieder Fortschrittsleute zu ihren
Vertretern ausersähe. Sehr ungelegen kam der Brief des Finanzministers mit
seinen Erläuterungen, wie man „den Schein zu retten" habe; nun mußte das
unglückliche Blatt alle die Maßregeln, die es früher als den Ruin der preu¬
ßischen Finanzen hingestellt, als fürsorgende Weisheit einer väterlichen Negierung
schttdern, erklärte aber freilich nicht, weshalb jetzt die Aufhebung der Zuschlag¬
steuern und die Specialisirung des Budgets gefahrlos sei. während der Erfolg
des Hagenschen Antrags wenige Wochen zuvor mit Auslösung bestraft wurde.

Die letzten Wochen boten uns noch in der hessischen Frage ein wider¬
sprechendes Schauspiel ähnlicher Art, bei dem das viel'xmt, tsrridls der Feu¬
dalen, das Nathusiussche Volksblatt naiv erklärte, daß es die preußische Oppo¬
sition für weit berechtigter halte, als die hessische.

Wir glauben, diese Beispiele zeigen zur Genüge, daß eine solche Presse
der Regierung nicht nützt, sondern sie nur compromittirt. Sie thut letzteres
aber auch noch in anderer Beziehung.

In unsern Tagen ist eine der Hauptbedingungen für ein bedeutendes
Blatt, gute auswärtige Korrespondenzen zu haben; diese aber müssen' noth¬
wendig von einem bestimmten Standpunkt geschrieben sein und daher Lob oder
Tadel über auswärtige Regierungen aussprechen. Kritisirt aber ein officiöses
Blatt Maßregeln anderer Regierungen, so machen dieselben den Minister dafür
verantwortlich, von dem das Blatt abhängt. Herr Thouvencl mag noch so
bestimmt erklären, Constitutionel, Patrie und Pays seien unabhängige Blätter,


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[0029] in der auswärtigen Politik in ein unstetes Schwanken geriet!), mußte diese Unentschiedenheit officiös bemäntelt werden, und nach dem Frieden von Villa- franca gab sich in den officiösen Spalten das als tiefsinnige Friedens- und Neutralitätspolitik, was in Wahrheit nur der Ausfluß vollständiger Rat¬ losigkeit und des Widerstreben« verschiedner Ansichten in der Regierung war. Nach dem Badner Fürstentag erschien Preußen der officiösen Zeitung auf der Höhe des Ruhmes, die Einheit Deutschlands gesichert; nachher aber ward sie plötzlich still^ und fand nachträglich, daß die Zusammenkünfte von Teplitz und Warschau noch für dasselbe Ziel nothwendig waren. AIs die Untätigkeit der Regierung die Opposition in der Kammer wach¬ rief, mußte die Preußische Zeitung, die sich nunmehr „Allgemeine" nannte und mit einem Wappenstern versehen war, die unruhigen Köpfe vermahnen, die Fortschrittspartei als landesfeindlich hinstellen und erklaren, daß wenn die Ab¬ geordneten die Regierung drängen wollten, ihnen die Reform homöopathisch zugemessen werden solle. Als der gute Rath nicht half und nach dem Hagen- schen Antrag die liberalen Minister in die Auslösungsfalle ihres Kollegen v. d. Heydt gegangen waren, durfte die Sternzeitung jene Intrigue natürlich nicht erklären, sondern schwieg sich über die Entlassung würdevoll aus, bedrohte aber die Bevölkerung auf das stärkste, wenn sie wieder Fortschrittsleute zu ihren Vertretern ausersähe. Sehr ungelegen kam der Brief des Finanzministers mit seinen Erläuterungen, wie man „den Schein zu retten" habe; nun mußte das unglückliche Blatt alle die Maßregeln, die es früher als den Ruin der preu¬ ßischen Finanzen hingestellt, als fürsorgende Weisheit einer väterlichen Negierung schttdern, erklärte aber freilich nicht, weshalb jetzt die Aufhebung der Zuschlag¬ steuern und die Specialisirung des Budgets gefahrlos sei. während der Erfolg des Hagenschen Antrags wenige Wochen zuvor mit Auslösung bestraft wurde. Die letzten Wochen boten uns noch in der hessischen Frage ein wider¬ sprechendes Schauspiel ähnlicher Art, bei dem das viel'xmt, tsrridls der Feu¬ dalen, das Nathusiussche Volksblatt naiv erklärte, daß es die preußische Oppo¬ sition für weit berechtigter halte, als die hessische. Wir glauben, diese Beispiele zeigen zur Genüge, daß eine solche Presse der Regierung nicht nützt, sondern sie nur compromittirt. Sie thut letzteres aber auch noch in anderer Beziehung. In unsern Tagen ist eine der Hauptbedingungen für ein bedeutendes Blatt, gute auswärtige Korrespondenzen zu haben; diese aber müssen' noth¬ wendig von einem bestimmten Standpunkt geschrieben sein und daher Lob oder Tadel über auswärtige Regierungen aussprechen. Kritisirt aber ein officiöses Blatt Maßregeln anderer Regierungen, so machen dieselben den Minister dafür verantwortlich, von dem das Blatt abhängt. Herr Thouvencl mag noch so bestimmt erklären, Constitutionel, Patrie und Pays seien unabhängige Blätter,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/29>, abgerufen am 05.02.2025.