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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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das diplomatische Corps glaubt es ihm doch nicht, und der Euphemismus,
mit dem sich jene bezahlten Schreiber "iiMpönciauts mais äsvou^s an Kou-
vsmöwoiir," nennen, täuscht niemand.

Ist der officiöse Charakter eines Journals einmal bekannt, und er wird
es sogleich, so kann sich die Regierung nur durch die äußerste Farblosigkeit in
den Korrespondenzen einigermaßen vor unbequemen Reclamationen retten. Es
wird uns erzählt, daß ein Minister so weit gegangen, seinem Redacteur Vorwürfe
darüber zu machen, daß er Garibaldi so schnell vorrücken lasse. Der erstaunte
Unglückliche wendete schüchtern ein, daß er doch nicht Meister der Bewegungen der
italienischen Freischaaren sei und doch die einlaufenden Telegramme geben müsse.
"Dann warten Sie wenigstens einige Tage damit", war die ungnädige Antwort,

Mit alledem soll natürlich keineswegs gemeint sein, daß sich die Regierung
in unsrer Zeit nicht um die Presse zu bekümmern hätte. Im Gegentheil, je-
mehr sie sich in einem freien Staate auf lebendige politische Parteien stützt,
destomehr muß sie wünschen, auch literarisch tüchtig vertreten zu sein, es mag
daher und wird gewiß immer ministerielle Blätter geben, aber es soll keine
Regierungsblätter, d. h, von der Regierung mit Geldmitteln unterstützte Presse
gebe", ausgenommen das Gesetzblatt, Jederman weiß, daß die Morning Post
das Blatt von Lord Palmerston ist, aber sie vertheidigt das Ministerium eben,
nur so lange, als er an seiner Spitze steht und greift Lord Derby sofort an,
wenn ihn dieser am Ruder ablöst; die Opinione war in eben der Art Cavours
Organ.

Die officiöse Regierungspresse ist etwas Altdeutsches/ Frankreich nachgeahm¬
tes. Wie im vorigen Jahrhundert jeder kleine deutsche Fürst sein Versailles
und Marly haben wollte, so scheint es jetzt für den Glanz des Hofes nöthig,
ein Lcibblatt für die Vertheidigung der Allerhöchsten Flachsensingenschen Poli¬
tik zu haben. Nur wenige Regierungen haben sich von diesem unnützen Luxus
freigehalten. Jene Blätter aber fristen ein würdeloses Dasein, und wir kön¬
nen im Interesse unserer politischen Bildung nur wünschen, daß nicht serner
"> öffentliche Gelder für sie verwandt werden.




das diplomatische Corps glaubt es ihm doch nicht, und der Euphemismus,
mit dem sich jene bezahlten Schreiber „iiMpönciauts mais äsvou^s an Kou-
vsmöwoiir," nennen, täuscht niemand.

Ist der officiöse Charakter eines Journals einmal bekannt, und er wird
es sogleich, so kann sich die Regierung nur durch die äußerste Farblosigkeit in
den Korrespondenzen einigermaßen vor unbequemen Reclamationen retten. Es
wird uns erzählt, daß ein Minister so weit gegangen, seinem Redacteur Vorwürfe
darüber zu machen, daß er Garibaldi so schnell vorrücken lasse. Der erstaunte
Unglückliche wendete schüchtern ein, daß er doch nicht Meister der Bewegungen der
italienischen Freischaaren sei und doch die einlaufenden Telegramme geben müsse.
„Dann warten Sie wenigstens einige Tage damit", war die ungnädige Antwort,

Mit alledem soll natürlich keineswegs gemeint sein, daß sich die Regierung
in unsrer Zeit nicht um die Presse zu bekümmern hätte. Im Gegentheil, je-
mehr sie sich in einem freien Staate auf lebendige politische Parteien stützt,
destomehr muß sie wünschen, auch literarisch tüchtig vertreten zu sein, es mag
daher und wird gewiß immer ministerielle Blätter geben, aber es soll keine
Regierungsblätter, d. h, von der Regierung mit Geldmitteln unterstützte Presse
gebe», ausgenommen das Gesetzblatt, Jederman weiß, daß die Morning Post
das Blatt von Lord Palmerston ist, aber sie vertheidigt das Ministerium eben,
nur so lange, als er an seiner Spitze steht und greift Lord Derby sofort an,
wenn ihn dieser am Ruder ablöst; die Opinione war in eben der Art Cavours
Organ.

Die officiöse Regierungspresse ist etwas Altdeutsches/ Frankreich nachgeahm¬
tes. Wie im vorigen Jahrhundert jeder kleine deutsche Fürst sein Versailles
und Marly haben wollte, so scheint es jetzt für den Glanz des Hofes nöthig,
ein Lcibblatt für die Vertheidigung der Allerhöchsten Flachsensingenschen Poli¬
tik zu haben. Nur wenige Regierungen haben sich von diesem unnützen Luxus
freigehalten. Jene Blätter aber fristen ein würdeloses Dasein, und wir kön¬
nen im Interesse unserer politischen Bildung nur wünschen, daß nicht serner
»> öffentliche Gelder für sie verwandt werden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/30>, abgerufen am 05.02.2025.