Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.gierung der Welt beibringen möchte, erfährt man aus einer officiösen Zeitung, Wer Geld empfängt, übernimmt damit die Verbindlichkeit einer Gegen¬ Eine solche Stellung ist offenbar für jeden Mann, der noch auf Charakter Man betrachte nur die officiöse Presse in Preußen. Das Personal der gierung der Welt beibringen möchte, erfährt man aus einer officiösen Zeitung, Wer Geld empfängt, übernimmt damit die Verbindlichkeit einer Gegen¬ Eine solche Stellung ist offenbar für jeden Mann, der noch auf Charakter Man betrachte nur die officiöse Presse in Preußen. Das Personal der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114342"/> <p xml:id="ID_86" prev="#ID_85"> gierung der Welt beibringen möchte, erfährt man aus einer officiösen Zeitung,<lb/> und grade gegen diese Anmaßung der Machthaber, die öffentliche Meinung von<lb/> einem Tage zum andern zu machen, sträubt sich das Publicum, indem es<lb/> weiß, daß die Regierung durch ein Organ spricht, welches sich den Anschein<lb/> der Unabhängigkeit gibt und derselben doch ganz entbehrt, weil es aus öffent¬<lb/> lichen Kassen unterstützt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_87"> Wer Geld empfängt, übernimmt damit die Verbindlichkeit einer Gegen¬<lb/> leistung, in diesem Falle also diejenige, alle Handlungen der Negierung unter<lb/> allen Umständen zu vertheidigen, Herausgeber und Mitarbeiter empfangen von<lb/> Staate einen festen Gehalt, wie ein Steuereinnehmer oder ein Offizier. Diese<lb/> Abhängigkeit bleibt gleich für gute oder schlechte Schriftsteller. Jede officiöse<lb/> Feder begegnet der stillschweigenden Voraussetzung der Gesinnungslosigkeit und<lb/> Abhängigkeit, dieselbe mag größer oder geringer sein, je nachdem die Regierung<lb/> Achtung verdient oder nicht, aber in einem gewissen Grade wird sie immer da<lb/> sein. Tadeln dürfen officiöse Schreiber nichts von dem, was die Regierung<lb/> thut, und verbietet ja einem derselben sein Gewissen, etwas zu vertreten, so<lb/> kann er nur seine Entlassung geben. Sieht einer der Minister selbst ein, daß<lb/> er sich geirrt, so darf das officiöse Organ dies doch niemals zugeben, sondern<lb/> muß suchen es pflichtschuldigst tvdtzuschweigen, oder in der Stille die ent¬<lb/> sprechende Schwenkung zu machen und zu thun, als ob nichts vorgefallen<lb/> wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_88"> Eine solche Stellung ist offenbar für jeden Mann, der noch auf Charakter<lb/> Anspruch macht, so drückend, daß es nicht Wunder nehmen kann, wenn nur<lb/> höchst selten tüchtige Köpfe sich zu den mit ihr verbundenen Demüthigungen<lb/> verstehen, und so wird die an sich schon schiefe Aufgabe der officiösen Presse<lb/> auch schlecht gelöst, indem sich ihr nur solche Federn zu Gebot stellen, welche<lb/> von den bedeutender» unabhängigen Blättern zurückgewiesen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_89" next="#ID_90"> Man betrachte nur die officiöse Presse in Preußen. Das Personal der<lb/> Sternzeitung war unter Herrn v. Auerswald so unselbständig wie die zwei¬<lb/> deutigen Literaten, welche die schmutzige Wäsche des Herrn v. Manteuffel und<lb/> Hinkeldey zu besorgen hatten. Unter der Regentschaft war kein Olmütz zu ver¬<lb/> theidigen und kein Depcschendicbstahl zu vertuschen, aber doch jede Halbheit<lb/> und Schwäche der Minister als vorbedachte Weisheit zu vertheidigen. Als<lb/> Herr v. Manteuffel schon die Absicht des Regenten, das Ministerium zu ent¬<lb/> lassen, kannte, ließ er noch durch die „Zeit" erklären, es sei an seinen Rück¬<lb/> tritt nicht zu denken; gleich darauf verstummte sein gefügiges Mundstück, um als<lb/> Preußische Zeitung wieder aufzuleben. AIs solche war es denn berufen, alles<lb/> das zu loben, was früher von oben herab verfolgt war, und die Männer,<lb/> welche vorher allen polizeilichen Chikanen ausgesetzt waren, als die wahren<lb/> Freunde gesetzlicher Freiheit zu preisen. Als nun das neue Ministerium zuerst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
gierung der Welt beibringen möchte, erfährt man aus einer officiösen Zeitung,
und grade gegen diese Anmaßung der Machthaber, die öffentliche Meinung von
einem Tage zum andern zu machen, sträubt sich das Publicum, indem es
weiß, daß die Regierung durch ein Organ spricht, welches sich den Anschein
der Unabhängigkeit gibt und derselben doch ganz entbehrt, weil es aus öffent¬
lichen Kassen unterstützt wird.
Wer Geld empfängt, übernimmt damit die Verbindlichkeit einer Gegen¬
leistung, in diesem Falle also diejenige, alle Handlungen der Negierung unter
allen Umständen zu vertheidigen, Herausgeber und Mitarbeiter empfangen von
Staate einen festen Gehalt, wie ein Steuereinnehmer oder ein Offizier. Diese
Abhängigkeit bleibt gleich für gute oder schlechte Schriftsteller. Jede officiöse
Feder begegnet der stillschweigenden Voraussetzung der Gesinnungslosigkeit und
Abhängigkeit, dieselbe mag größer oder geringer sein, je nachdem die Regierung
Achtung verdient oder nicht, aber in einem gewissen Grade wird sie immer da
sein. Tadeln dürfen officiöse Schreiber nichts von dem, was die Regierung
thut, und verbietet ja einem derselben sein Gewissen, etwas zu vertreten, so
kann er nur seine Entlassung geben. Sieht einer der Minister selbst ein, daß
er sich geirrt, so darf das officiöse Organ dies doch niemals zugeben, sondern
muß suchen es pflichtschuldigst tvdtzuschweigen, oder in der Stille die ent¬
sprechende Schwenkung zu machen und zu thun, als ob nichts vorgefallen
wäre.
Eine solche Stellung ist offenbar für jeden Mann, der noch auf Charakter
Anspruch macht, so drückend, daß es nicht Wunder nehmen kann, wenn nur
höchst selten tüchtige Köpfe sich zu den mit ihr verbundenen Demüthigungen
verstehen, und so wird die an sich schon schiefe Aufgabe der officiösen Presse
auch schlecht gelöst, indem sich ihr nur solche Federn zu Gebot stellen, welche
von den bedeutender» unabhängigen Blättern zurückgewiesen sind.
Man betrachte nur die officiöse Presse in Preußen. Das Personal der
Sternzeitung war unter Herrn v. Auerswald so unselbständig wie die zwei¬
deutigen Literaten, welche die schmutzige Wäsche des Herrn v. Manteuffel und
Hinkeldey zu besorgen hatten. Unter der Regentschaft war kein Olmütz zu ver¬
theidigen und kein Depcschendicbstahl zu vertuschen, aber doch jede Halbheit
und Schwäche der Minister als vorbedachte Weisheit zu vertheidigen. Als
Herr v. Manteuffel schon die Absicht des Regenten, das Ministerium zu ent¬
lassen, kannte, ließ er noch durch die „Zeit" erklären, es sei an seinen Rück¬
tritt nicht zu denken; gleich darauf verstummte sein gefügiges Mundstück, um als
Preußische Zeitung wieder aufzuleben. AIs solche war es denn berufen, alles
das zu loben, was früher von oben herab verfolgt war, und die Männer,
welche vorher allen polizeilichen Chikanen ausgesetzt waren, als die wahren
Freunde gesetzlicher Freiheit zu preisen. Als nun das neue Ministerium zuerst
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