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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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gcinnen, wurde auch Mühlenfels der Theilnahme an staatsgefährlichen Umtrieben
verdächtig. Er theilte das Schicksal mit Schleiermacher, Arndt und vielen der
Besten. Sein entschlossener Muth bäumte sich gegen das Gewaltthätige und
Gesetzwidrige der Untersuchung auf; und deshalb traf ihn der persönliche Haß
eines nur zu einflußreichen Mannes. Die Willkür, mit welcher gegen ihn und
seine Freiheit gefrevelt wurde, brachte zuletzt ihn, den gesetzestrcuen Juristen, in
die furchtbare Lage, daß es für ihn in Preußen kein Gesetz und Recht mehr
gab. Da enthob er sich mit derselben fast dämonischen Willenskraft, mit der
er sich bei Kitzen gegen die französische Uebermacht gewehrt und bei Dennewitz
einen Antheil am Kampf errungen hatte, aus dem Bereich seiner Verfolger. Er
entfloh aus der Hausvoigtei und entkam nach Schweden.

Eilf Jahre darauf, im Jahre 1830, wurde er von den preußischen Gerich¬
ten völlig frei gesprochen.

Wer jetzt die Anklageschrift, die Jndicicn, auf welche sich dieselbe stützt, und die
freisprechenden Urtheile durchsieht, der wird ein finsteres Lächeln nnr schwer unter¬
drücken. Er war verdächtig, weil er mit andern Verdächtigen, mit Fvilenins, nut
Jung, Jahr, auch mit Arndt und Schleiermacher befreundet war. In dem Brief¬
wechsel mit diesen Freunden war einige Male die Rede von Zusammenkünften, welche
hie und da stattgefunden, hatten, oder stattfinden sollten, es war die Rede davon, daß
man bereit sein müsse, daß irgend etwas geschehen müsse, daß man Hoffnung und
Vertrauen auf die gute Sache nicht verlieren dürfe, eine Kasse zur Unterstützung
der Verfolgten wird erwähnt. Mühlenfels hat den Vertrieb einer Flugschrift --
über das Turnen -- übernommen. Aus mehren Stellen war zu sehen, daß
er und seine Freunde mit den politischen Verhältnissen Deutschlands höchlich
unzufrieden waren, es war bei einem Verhafteten ein Verzeichnis! von Namen
gefunden worden, worauf sein Name mit denen anderer Verdächtiger stand. Man
argwöhnte deshalb, daß er Mitglied einer Gesellschaft gewesen war, welche
mehre Jahre vor seinem Eintritt in den preußischen Staatsdienst zu Gießen außer
wissenschaftlichen Zwecken auch über eine bessere Concentration Deutschlands be¬
rathen, sogar an den König von Preußen als Oberhaupt Deutschlands gedacht
hatte. Es war aber nicht zu erweisen, daß diese Gesellschaft der Schwarzen
eine geheime Verbindung gewesen, jedenfalls nicht, daß Mühlenfels Theilnehmer
derselben gewesen war. Von solcher Art waren die Beschuldigungen. Daß er
in juristischem Sinne unschuldig war, darüber hat später ein preußisches Ge¬
richt entschieden. Daß er gerade bei mehren Punkten, welche den Argwohn
der Polizeiseclen von 1319 erregten, in der Gegenwart auf große Sympathien
zu rechnen hat, darf kaum bemerkt werden. Denn so sehr hat sich die Zeit
geändert, daß, was im I. 1819 als hochverräterisch verfolgt wurde, vierzig
Jahre später durch königliche Worte und einzelne Anstrengungen preußischer
Diplomaten als die höchste Aufgabe Preußens dargestellt worden ist. Aber wenn


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gcinnen, wurde auch Mühlenfels der Theilnahme an staatsgefährlichen Umtrieben
verdächtig. Er theilte das Schicksal mit Schleiermacher, Arndt und vielen der
Besten. Sein entschlossener Muth bäumte sich gegen das Gewaltthätige und
Gesetzwidrige der Untersuchung auf; und deshalb traf ihn der persönliche Haß
eines nur zu einflußreichen Mannes. Die Willkür, mit welcher gegen ihn und
seine Freiheit gefrevelt wurde, brachte zuletzt ihn, den gesetzestrcuen Juristen, in
die furchtbare Lage, daß es für ihn in Preußen kein Gesetz und Recht mehr
gab. Da enthob er sich mit derselben fast dämonischen Willenskraft, mit der
er sich bei Kitzen gegen die französische Uebermacht gewehrt und bei Dennewitz
einen Antheil am Kampf errungen hatte, aus dem Bereich seiner Verfolger. Er
entfloh aus der Hausvoigtei und entkam nach Schweden.

Eilf Jahre darauf, im Jahre 1830, wurde er von den preußischen Gerich¬
ten völlig frei gesprochen.

Wer jetzt die Anklageschrift, die Jndicicn, auf welche sich dieselbe stützt, und die
freisprechenden Urtheile durchsieht, der wird ein finsteres Lächeln nnr schwer unter¬
drücken. Er war verdächtig, weil er mit andern Verdächtigen, mit Fvilenins, nut
Jung, Jahr, auch mit Arndt und Schleiermacher befreundet war. In dem Brief¬
wechsel mit diesen Freunden war einige Male die Rede von Zusammenkünften, welche
hie und da stattgefunden, hatten, oder stattfinden sollten, es war die Rede davon, daß
man bereit sein müsse, daß irgend etwas geschehen müsse, daß man Hoffnung und
Vertrauen auf die gute Sache nicht verlieren dürfe, eine Kasse zur Unterstützung
der Verfolgten wird erwähnt. Mühlenfels hat den Vertrieb einer Flugschrift —
über das Turnen — übernommen. Aus mehren Stellen war zu sehen, daß
er und seine Freunde mit den politischen Verhältnissen Deutschlands höchlich
unzufrieden waren, es war bei einem Verhafteten ein Verzeichnis! von Namen
gefunden worden, worauf sein Name mit denen anderer Verdächtiger stand. Man
argwöhnte deshalb, daß er Mitglied einer Gesellschaft gewesen war, welche
mehre Jahre vor seinem Eintritt in den preußischen Staatsdienst zu Gießen außer
wissenschaftlichen Zwecken auch über eine bessere Concentration Deutschlands be¬
rathen, sogar an den König von Preußen als Oberhaupt Deutschlands gedacht
hatte. Es war aber nicht zu erweisen, daß diese Gesellschaft der Schwarzen
eine geheime Verbindung gewesen, jedenfalls nicht, daß Mühlenfels Theilnehmer
derselben gewesen war. Von solcher Art waren die Beschuldigungen. Daß er
in juristischem Sinne unschuldig war, darüber hat später ein preußisches Ge¬
richt entschieden. Daß er gerade bei mehren Punkten, welche den Argwohn
der Polizeiseclen von 1319 erregten, in der Gegenwart auf große Sympathien
zu rechnen hat, darf kaum bemerkt werden. Denn so sehr hat sich die Zeit
geändert, daß, was im I. 1819 als hochverräterisch verfolgt wurde, vierzig
Jahre später durch königliche Worte und einzelne Anstrengungen preußischer
Diplomaten als die höchste Aufgabe Preußens dargestellt worden ist. Aber wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/259>, abgerufen am 02.10.2024.