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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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in der Schießordnung und der Methode um die Preise zu werben, für die Zu¬
kunft Modifikationen nöthig sind. Die Einrichtung, welche man im vergangenen
Jahre zu Gotha getroffen und mit einigen Abänderungen zu Frankfurt wieder'
holt hat, ist allerdings bei den großen Schießfesten auch anderer Nationen her¬
gebracht. Sie ist in diesem Jahrhundert bei dem großen Freischießen der Schweiz
ausgebildet worden, aber sie hat grade für die nationalen Schützenfeste der
Deutschen einige Uebelstände. Denn sie isolirt den einzelnen Schützen auf dem
Schießplatz zu sehr, und sie begünstigt zu sehr die Industrie, welche mit dem
Namen "Brodschützenthum" bezeichnet wird. Es mag einem Gentleman, der
sich nicht zu den Ständen herandrängen und stundenlang auf die Aussicht
warten will, einen Schuß zu thun, begegnen, daß er, zumal an den ersten Tagen,
gar nicht zum Schießen kommt. Grade er wird deshalb am wenisten im Stande
sein, die Vorbedingungen zu erfüllen, welche ihm die Concurrenz auf den Haupt¬
scheiben um die ersten Gewinne möglich machen. Da war der Brauch unsrer
Ahnen einfacher und praktischer, und so wenig es gerathen sein dürfte, alle
Gewohnheiten der deutschen Schützenfeste des 16. Jahrhunderts wieder lebendig
zu machen, so sehr empfiehlt sich Einiges in der alten Schießordnung. Damals
war das Hauptschießen streng von den Nebenscheiben geschieden. An dem
Hauptschießen, für welches alle Hauptpreise bestimmt sind, nahm jeder Schütz
nach einmaliger Zahlung seines Beitrages gleichen Theil. Die Zahl der Schüsse
war vorher bestimmt und für jeden gleich, jeder erhielt seine Nummer und
Reihenfolge in seiner Abtheilung; jeder durste nur eine Waffe gebrauchen,
welche bezeichnet wurde; jeder nahm nach Zahl seiner zusammenaddirten Zirkel
und Punkte Theil an den Preisen. Auch bei dem Hauptschießen wurden die
besten Schüsse jedes Tages oder jeder Nummer mit Preisen versehen. Dabei war
unbenommen, eine beliebige Anzahl anderer Scheiben zu freier Bewerbung mit
Preisen zu versehen. -- Bei solcher Schießvrdnung wurde das Freischießen in
der That ein Concurrenzfest für jeden Schützen, was es gegenwärtig noch nicht
ist. Es erhielt Spannung und Interesse am Schießen bei dem Einzelnen bis
zum Ende des Festes, es brachte eine Ordnung und Gerechtigkeit in den Wett¬
kampf, die jetzt durchaus vermißt wird. Dem Vernehmen nach wird die Schie߬
ordnung vor dem nächsten Fest einer Revision unterworfen. Es wäre zweck¬
mäßig, dabei den alten nationalen Brauch so viel als möglich zu berücksichtigen.

Ohne Zweifel werden die Schießfeste der Deutschen, wenn ihnen durch
etwa ein Jahrzehnt ungestörtes Gedeihen vergönnt ist, nicht unbedeutenden Ein¬
fluß auf die Wehrkraft der Nation ausüben. Die alten Schützengilden mögen
sich in dieser Zeit aus einer für den Staat im Ganzen unnützen Existenz zu
einer praktischen Organisation verjüngen, neue Vereine mögen neben ihnen ent¬
stehen, das Interesse an einer Hauptwaffe des modernen Krieges und die Fer¬
tigkeit im Gebrauch derselben mag allgemeiner werden. In jedem Falle wird


in der Schießordnung und der Methode um die Preise zu werben, für die Zu¬
kunft Modifikationen nöthig sind. Die Einrichtung, welche man im vergangenen
Jahre zu Gotha getroffen und mit einigen Abänderungen zu Frankfurt wieder'
holt hat, ist allerdings bei den großen Schießfesten auch anderer Nationen her¬
gebracht. Sie ist in diesem Jahrhundert bei dem großen Freischießen der Schweiz
ausgebildet worden, aber sie hat grade für die nationalen Schützenfeste der
Deutschen einige Uebelstände. Denn sie isolirt den einzelnen Schützen auf dem
Schießplatz zu sehr, und sie begünstigt zu sehr die Industrie, welche mit dem
Namen „Brodschützenthum" bezeichnet wird. Es mag einem Gentleman, der
sich nicht zu den Ständen herandrängen und stundenlang auf die Aussicht
warten will, einen Schuß zu thun, begegnen, daß er, zumal an den ersten Tagen,
gar nicht zum Schießen kommt. Grade er wird deshalb am wenisten im Stande
sein, die Vorbedingungen zu erfüllen, welche ihm die Concurrenz auf den Haupt¬
scheiben um die ersten Gewinne möglich machen. Da war der Brauch unsrer
Ahnen einfacher und praktischer, und so wenig es gerathen sein dürfte, alle
Gewohnheiten der deutschen Schützenfeste des 16. Jahrhunderts wieder lebendig
zu machen, so sehr empfiehlt sich Einiges in der alten Schießordnung. Damals
war das Hauptschießen streng von den Nebenscheiben geschieden. An dem
Hauptschießen, für welches alle Hauptpreise bestimmt sind, nahm jeder Schütz
nach einmaliger Zahlung seines Beitrages gleichen Theil. Die Zahl der Schüsse
war vorher bestimmt und für jeden gleich, jeder erhielt seine Nummer und
Reihenfolge in seiner Abtheilung; jeder durste nur eine Waffe gebrauchen,
welche bezeichnet wurde; jeder nahm nach Zahl seiner zusammenaddirten Zirkel
und Punkte Theil an den Preisen. Auch bei dem Hauptschießen wurden die
besten Schüsse jedes Tages oder jeder Nummer mit Preisen versehen. Dabei war
unbenommen, eine beliebige Anzahl anderer Scheiben zu freier Bewerbung mit
Preisen zu versehen. — Bei solcher Schießvrdnung wurde das Freischießen in
der That ein Concurrenzfest für jeden Schützen, was es gegenwärtig noch nicht
ist. Es erhielt Spannung und Interesse am Schießen bei dem Einzelnen bis
zum Ende des Festes, es brachte eine Ordnung und Gerechtigkeit in den Wett¬
kampf, die jetzt durchaus vermißt wird. Dem Vernehmen nach wird die Schie߬
ordnung vor dem nächsten Fest einer Revision unterworfen. Es wäre zweck¬
mäßig, dabei den alten nationalen Brauch so viel als möglich zu berücksichtigen.

Ohne Zweifel werden die Schießfeste der Deutschen, wenn ihnen durch
etwa ein Jahrzehnt ungestörtes Gedeihen vergönnt ist, nicht unbedeutenden Ein¬
fluß auf die Wehrkraft der Nation ausüben. Die alten Schützengilden mögen
sich in dieser Zeit aus einer für den Staat im Ganzen unnützen Existenz zu
einer praktischen Organisation verjüngen, neue Vereine mögen neben ihnen ent¬
stehen, das Interesse an einer Hauptwaffe des modernen Krieges und die Fer¬
tigkeit im Gebrauch derselben mag allgemeiner werden. In jedem Falle wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/252>, abgerufen am 29.06.2024.