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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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gewöhnlichen bildeten die große Mehrzahl. Ader wir Deutsche, wie jung wir
auch noch im öffentlichen Sprechen sind, haben doch bereits gelernt, dem
schnellen Wort, welches bei einem Becher guten Weins in eine lustige und
bewegte Versammlung hineingerusen wird, keine übertriebene politische Be¬
deutung beizumessen. Selten glückte einem Toast, die gehobene Stimmung
zu steigern, man sieht nicht wenigen die Mühe an, ihr zu entsprechen. Das
Uebcrtriebene und Phrasenhafte hat der Wind bereits verwebt, einige güte
Worte aber, so hoffen wir, werden fest hasten, vor allem die, welche aus-
sprachen, daß die höchste Bedeutung des Festes darin liegt, auch dem mäßigen
und kleinen Mann durch die Verbindung mit tüchtigen Genossen gesteigerte
Kraft und reichern Inhalt zu geben.

Denn was mehr als einmal in d. Bl. hervorgehoben wurde, daran soll
jetzt in Fröhlichkeit wieder erinnert werden. Die politische Entwickelung der
Deutschen gebt seit etwa zwanzig Jahren einen sehr originellen Weg, einen
echtdeutschen, dessen Krümmungen und Stationen uns eigenthümlich sind. In
dem vielgetheilten Volke suchen die Einzelnen die Vereinigung in Wanderver¬
sammlungen. Kaum gibt es einen Kreis geistiger oder materieller Interessen,
der nicht in den Sommermonaten seine Mitglieder zu ernster Besprechung und
heiterer Geselligkeit vereinigt. Vor allen die Gelehrten, Philologen. Historiker.
Juristen, Aerzte, Apotheker und wieder Theologen und Schullehrer, der Gustav-
Adolph-Verein und die katholischen Vereine; dann die realen Interessen:
Landwirthe. Forstwirthe, Bienenzüchter, Viehausstellungen. 'Eisenbahnvereine,
Gasgcsellschasten, Feuerwehren, gewerbliche Genossenschaften aller Art. bis
zu den Sitzungen deutscher Gerber im Schatten der Wartburgendlich die
großen Genossenschaften der Turner, Sänger, Schützen und des National¬
vereins. Dies Zusammenwachsen von hunderttausend Einzelnen ist im Gan¬
zen betrachtet ein großartiger und höchst folgenreicher Proceß, er schafft
gegenüber der politischen Jsolirung in den einzelnen Staaten allmälig eine
Gemeinsamkeit des deutschen Empfinden und Handelns, welche voraussichtlich
ihre Gewalt gegenüber ungenügenden bestehenden Verhältnissen immer kräftiger
geltend machen wird.

Beim Schützenfest haben die deutschen Schützen die Überlegenheit der
Schweizer und der östreichischen Tiroler bereitwillig anerkannt. Den Stämmen
der Hochgebirge ist die Schußwaffe bis in die neueste Zeit ein nationales Haus-
geräth geblieben. Aber das Fest gab doch kein ganz richtiges Bild von der
Waffentüchtigkeit der Deutschen am Schießstande. Bei uns ist der größte Theil
der besten Schützen in den Kreisen zu finden, welche sich entweder aus Vor¬
urtheilen spröde gegen das Fest verhalten haben, oder welche auf dem Schie߬
platz selbst ihre Fertigkeit zur Geltung zu bringen verhindert waren.

Und so sei hier beiläufig erwähnt, daß in dem technischen Brauch des Festes,
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gewöhnlichen bildeten die große Mehrzahl. Ader wir Deutsche, wie jung wir
auch noch im öffentlichen Sprechen sind, haben doch bereits gelernt, dem
schnellen Wort, welches bei einem Becher guten Weins in eine lustige und
bewegte Versammlung hineingerusen wird, keine übertriebene politische Be¬
deutung beizumessen. Selten glückte einem Toast, die gehobene Stimmung
zu steigern, man sieht nicht wenigen die Mühe an, ihr zu entsprechen. Das
Uebcrtriebene und Phrasenhafte hat der Wind bereits verwebt, einige güte
Worte aber, so hoffen wir, werden fest hasten, vor allem die, welche aus-
sprachen, daß die höchste Bedeutung des Festes darin liegt, auch dem mäßigen
und kleinen Mann durch die Verbindung mit tüchtigen Genossen gesteigerte
Kraft und reichern Inhalt zu geben.

Denn was mehr als einmal in d. Bl. hervorgehoben wurde, daran soll
jetzt in Fröhlichkeit wieder erinnert werden. Die politische Entwickelung der
Deutschen gebt seit etwa zwanzig Jahren einen sehr originellen Weg, einen
echtdeutschen, dessen Krümmungen und Stationen uns eigenthümlich sind. In
dem vielgetheilten Volke suchen die Einzelnen die Vereinigung in Wanderver¬
sammlungen. Kaum gibt es einen Kreis geistiger oder materieller Interessen,
der nicht in den Sommermonaten seine Mitglieder zu ernster Besprechung und
heiterer Geselligkeit vereinigt. Vor allen die Gelehrten, Philologen. Historiker.
Juristen, Aerzte, Apotheker und wieder Theologen und Schullehrer, der Gustav-
Adolph-Verein und die katholischen Vereine; dann die realen Interessen:
Landwirthe. Forstwirthe, Bienenzüchter, Viehausstellungen. 'Eisenbahnvereine,
Gasgcsellschasten, Feuerwehren, gewerbliche Genossenschaften aller Art. bis
zu den Sitzungen deutscher Gerber im Schatten der Wartburgendlich die
großen Genossenschaften der Turner, Sänger, Schützen und des National¬
vereins. Dies Zusammenwachsen von hunderttausend Einzelnen ist im Gan¬
zen betrachtet ein großartiger und höchst folgenreicher Proceß, er schafft
gegenüber der politischen Jsolirung in den einzelnen Staaten allmälig eine
Gemeinsamkeit des deutschen Empfinden und Handelns, welche voraussichtlich
ihre Gewalt gegenüber ungenügenden bestehenden Verhältnissen immer kräftiger
geltend machen wird.

Beim Schützenfest haben die deutschen Schützen die Überlegenheit der
Schweizer und der östreichischen Tiroler bereitwillig anerkannt. Den Stämmen
der Hochgebirge ist die Schußwaffe bis in die neueste Zeit ein nationales Haus-
geräth geblieben. Aber das Fest gab doch kein ganz richtiges Bild von der
Waffentüchtigkeit der Deutschen am Schießstande. Bei uns ist der größte Theil
der besten Schützen in den Kreisen zu finden, welche sich entweder aus Vor¬
urtheilen spröde gegen das Fest verhalten haben, oder welche auf dem Schie߬
platz selbst ihre Fertigkeit zur Geltung zu bringen verhindert waren.

Und so sei hier beiläufig erwähnt, daß in dem technischen Brauch des Festes,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/251>, abgerufen am 26.06.2024.