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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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das mannhafte Gefühl der Waffentüchtigkeit auch viele kleine Leute starker
und fester machen. Wer weitere Schlüsse zu machen Lust hat. betrachte den
Schützenbund näher. Die Theilnehmer sind in der großen Mehrzahl Männer
von 25 bis 40 Jahren, in der Regel verheiratet, aus kleineren Kreisen des
Lebens, aber besitzende.' feste und zuverlässige Leute, sie gehören, wenn man
von den Gebirgslandschaften des Südens absieht, und die Förster ausmmmt.
'n der ungeheuren Majorität den Städten an. Der Verein mag jetzt etwa
13.000 Mitglieder zählen, welche in Schießordnung und Schützenbrauch ge¬
meinsame Ordnung erstreben, jedes zweite Jahr Gelegenheit erhalten, sich zu
einem großen Schießfest zu versammeln. Wenn der Verein außerhalb Oestreich
100.000 Mitglieder zählte, so würden unter 36 Millionen Deutschen auf je tau¬
send Menschen etwa drei Schützen kommen, schon eine solche Anzahl könnte
sich selbstverständlich nur durch Delegirte bei dem allgemeinen Schützenfest be¬
theiligen. Die Mitglieder würden in den einzelnen Landschaften Schützenfeste
einzurichten suchen. Sie würden in ihren Städten wahrscheinlich den Kern der
etwa noch bestehenden Communalgarden oder Bürgerwehren bilden und ohne
Zweifel diesem Institut größern Halt auch in Friedenszeiten geben. Bei einer
nationalen Kriegsgefahr aber werden die jüngern Mitglieder des Schützenbun¬
des Zuwachs einer städtischen Landwehr, die ältern in verzweifelten Fällen Führer
eines möglichen Landsturmes werden. Ja noch mehr. Die friedliche Organi¬
sation des Schützenbundes kann bei einer großen Kriegsgefahr, welche langsam
herannaht, auch ein Mittelpunkt werden für die Organisation von freiwilligen
Bataillonen, etwa nach dem Muster der englischen Milizen.

Das alles kann werden, die Anfänge sind nach mehren Richtungen bereits
vorhanden. Aber man soll sich andrerseits auch klar machen, daß man von solchem
deutschen Schützcnbund nicht eine ungeheure und plötzliche Entwickelung kriegerischer
Tüchtigkeit zu erwarten hat. Zunächst hat die Freude am Gebrauch der Schu߬
waffe in der großen deutschen Landebne ihre Grenze. Durch das bloße Schie¬
ßen nach der Scheibe aus dem Stande wird die volle Kraft eines Riflemans
durchaus nicht gewonnen. Dem Schützen der Hochgebirge ist mit dem Gebrauch
seiner Waffe eine Anstrengung, Gefahr und Poesie verbunden, welche einige
von den höchsten Eigenschaften des Mannes in ihm herausbildet, ihn selbst zu
einer Art von populärem Helden macht, dessen Abenteuer auf hundert Andere
anregend wirken. Im ebenen Lande wird dieser Reiz immer fehlen, selbst den
vereinzelten Pächtern einer städtischen Hasenjagd. Vollends der Mittel- und
norddeutsche Landmann, -- zur Zeit noch die größere Hälfte des Volkes -- wird
nur sehr einzeln, allmälig und bei bestimmten localen Veranlassungen sich ent¬
schließen, Schütze zu werden. Ferner aber werden die Mitglieder des Schützen¬
bundes voraussichtlich grade dem Theil der Nation angehören, der das werth¬
vollste Material der Volkskraft enthält, Steuerzahler, Beamte im Volke, Ge-


das mannhafte Gefühl der Waffentüchtigkeit auch viele kleine Leute starker
und fester machen. Wer weitere Schlüsse zu machen Lust hat. betrachte den
Schützenbund näher. Die Theilnehmer sind in der großen Mehrzahl Männer
von 25 bis 40 Jahren, in der Regel verheiratet, aus kleineren Kreisen des
Lebens, aber besitzende.' feste und zuverlässige Leute, sie gehören, wenn man
von den Gebirgslandschaften des Südens absieht, und die Förster ausmmmt.
'n der ungeheuren Majorität den Städten an. Der Verein mag jetzt etwa
13.000 Mitglieder zählen, welche in Schießordnung und Schützenbrauch ge¬
meinsame Ordnung erstreben, jedes zweite Jahr Gelegenheit erhalten, sich zu
einem großen Schießfest zu versammeln. Wenn der Verein außerhalb Oestreich
100.000 Mitglieder zählte, so würden unter 36 Millionen Deutschen auf je tau¬
send Menschen etwa drei Schützen kommen, schon eine solche Anzahl könnte
sich selbstverständlich nur durch Delegirte bei dem allgemeinen Schützenfest be¬
theiligen. Die Mitglieder würden in den einzelnen Landschaften Schützenfeste
einzurichten suchen. Sie würden in ihren Städten wahrscheinlich den Kern der
etwa noch bestehenden Communalgarden oder Bürgerwehren bilden und ohne
Zweifel diesem Institut größern Halt auch in Friedenszeiten geben. Bei einer
nationalen Kriegsgefahr aber werden die jüngern Mitglieder des Schützenbun¬
des Zuwachs einer städtischen Landwehr, die ältern in verzweifelten Fällen Führer
eines möglichen Landsturmes werden. Ja noch mehr. Die friedliche Organi¬
sation des Schützenbundes kann bei einer großen Kriegsgefahr, welche langsam
herannaht, auch ein Mittelpunkt werden für die Organisation von freiwilligen
Bataillonen, etwa nach dem Muster der englischen Milizen.

Das alles kann werden, die Anfänge sind nach mehren Richtungen bereits
vorhanden. Aber man soll sich andrerseits auch klar machen, daß man von solchem
deutschen Schützcnbund nicht eine ungeheure und plötzliche Entwickelung kriegerischer
Tüchtigkeit zu erwarten hat. Zunächst hat die Freude am Gebrauch der Schu߬
waffe in der großen deutschen Landebne ihre Grenze. Durch das bloße Schie¬
ßen nach der Scheibe aus dem Stande wird die volle Kraft eines Riflemans
durchaus nicht gewonnen. Dem Schützen der Hochgebirge ist mit dem Gebrauch
seiner Waffe eine Anstrengung, Gefahr und Poesie verbunden, welche einige
von den höchsten Eigenschaften des Mannes in ihm herausbildet, ihn selbst zu
einer Art von populärem Helden macht, dessen Abenteuer auf hundert Andere
anregend wirken. Im ebenen Lande wird dieser Reiz immer fehlen, selbst den
vereinzelten Pächtern einer städtischen Hasenjagd. Vollends der Mittel- und
norddeutsche Landmann, — zur Zeit noch die größere Hälfte des Volkes — wird
nur sehr einzeln, allmälig und bei bestimmten localen Veranlassungen sich ent¬
schließen, Schütze zu werden. Ferner aber werden die Mitglieder des Schützen¬
bundes voraussichtlich grade dem Theil der Nation angehören, der das werth¬
vollste Material der Volkskraft enthält, Steuerzahler, Beamte im Volke, Ge-


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[0253] das mannhafte Gefühl der Waffentüchtigkeit auch viele kleine Leute starker und fester machen. Wer weitere Schlüsse zu machen Lust hat. betrachte den Schützenbund näher. Die Theilnehmer sind in der großen Mehrzahl Männer von 25 bis 40 Jahren, in der Regel verheiratet, aus kleineren Kreisen des Lebens, aber besitzende.' feste und zuverlässige Leute, sie gehören, wenn man von den Gebirgslandschaften des Südens absieht, und die Förster ausmmmt. 'n der ungeheuren Majorität den Städten an. Der Verein mag jetzt etwa 13.000 Mitglieder zählen, welche in Schießordnung und Schützenbrauch ge¬ meinsame Ordnung erstreben, jedes zweite Jahr Gelegenheit erhalten, sich zu einem großen Schießfest zu versammeln. Wenn der Verein außerhalb Oestreich 100.000 Mitglieder zählte, so würden unter 36 Millionen Deutschen auf je tau¬ send Menschen etwa drei Schützen kommen, schon eine solche Anzahl könnte sich selbstverständlich nur durch Delegirte bei dem allgemeinen Schützenfest be¬ theiligen. Die Mitglieder würden in den einzelnen Landschaften Schützenfeste einzurichten suchen. Sie würden in ihren Städten wahrscheinlich den Kern der etwa noch bestehenden Communalgarden oder Bürgerwehren bilden und ohne Zweifel diesem Institut größern Halt auch in Friedenszeiten geben. Bei einer nationalen Kriegsgefahr aber werden die jüngern Mitglieder des Schützenbun¬ des Zuwachs einer städtischen Landwehr, die ältern in verzweifelten Fällen Führer eines möglichen Landsturmes werden. Ja noch mehr. Die friedliche Organi¬ sation des Schützenbundes kann bei einer großen Kriegsgefahr, welche langsam herannaht, auch ein Mittelpunkt werden für die Organisation von freiwilligen Bataillonen, etwa nach dem Muster der englischen Milizen. Das alles kann werden, die Anfänge sind nach mehren Richtungen bereits vorhanden. Aber man soll sich andrerseits auch klar machen, daß man von solchem deutschen Schützcnbund nicht eine ungeheure und plötzliche Entwickelung kriegerischer Tüchtigkeit zu erwarten hat. Zunächst hat die Freude am Gebrauch der Schu߬ waffe in der großen deutschen Landebne ihre Grenze. Durch das bloße Schie¬ ßen nach der Scheibe aus dem Stande wird die volle Kraft eines Riflemans durchaus nicht gewonnen. Dem Schützen der Hochgebirge ist mit dem Gebrauch seiner Waffe eine Anstrengung, Gefahr und Poesie verbunden, welche einige von den höchsten Eigenschaften des Mannes in ihm herausbildet, ihn selbst zu einer Art von populärem Helden macht, dessen Abenteuer auf hundert Andere anregend wirken. Im ebenen Lande wird dieser Reiz immer fehlen, selbst den vereinzelten Pächtern einer städtischen Hasenjagd. Vollends der Mittel- und norddeutsche Landmann, — zur Zeit noch die größere Hälfte des Volkes — wird nur sehr einzeln, allmälig und bei bestimmten localen Veranlassungen sich ent¬ schließen, Schütze zu werden. Ferner aber werden die Mitglieder des Schützen¬ bundes voraussichtlich grade dem Theil der Nation angehören, der das werth¬ vollste Material der Volkskraft enthält, Steuerzahler, Beamte im Volke, Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/253>, abgerufen am 01.07.2024.