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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Glieder des Bundes den übrigen Deutschen versprochen haben, selbst in Zei¬
ten, wo sie gar nicht nöthig hatten, etwas zu versprechen. Wir warten daher
auf Ernennung national- und liberalgesinnler Gesandten am Bundestage, --
etwa in dem Maaße wie die allen amsterbcn -- und auf eine Vertretung der
Landeskammern in Frankfurt zur Förderung der allgemeinen deutschen Zufrieden¬
heit. Wenn uns diese beiden Punkte seiner Zeit gewährt werden, dann sind
unsere Wünsche in Bezug auf Bundesreform befriedigt.

Wir sind gefaßt auf Berunglnnpfungcn aller Art in öffentlichen Tages¬
blättern und Wochenschriften. Man wird sagen, wir seien hinter der Zeit zu¬
rückgeblieben, wir stünden auf einem längst überwundenen Standpunkt, unsere
philisterhafte Auffassung der deutschen Frage finde keinen Anklang bei der Na¬
tion. Aber in Wirklichkeit verhält es sich anders. Wir sind gar nicht be¬
scheiden; denn wir verlangen etwas, was wir noch nicht haben, was aber all¬
gemein gewünscht wird und das zunächst Erreichbare ist. Wir handeln vernünftig,
wenn wir einstweilen nur den Fortschritt anstreben, über den alle einig sind,
und alles vermeiden, was nur Zank und Streit erweckt. Es ist endlich gar
nicht an dem, daß wir mit unserer Ansicht allein stünden. Die große Mehr¬
heit der hohen Glieder des deutschen Bundes rechnen wir zu unseren Ge¬
sinnungsgenossen^ Außerdem die große Mehrheit unserer deutschen Mitbürger,
welche nicht in den Kanunern und in Versammlungen reden und nicht in die
Zeitungen schreiben. Ja, es ist uns die Genugthuung geworden, daß selbst
unter unsern Tadlern viele sich im Stillen zu unserer Ansicht bekennen, wenn
sic auch scheinbar ganz anders reden und schreiben.

Ihre Worte sprechen gegen uns, ihre Handlungen sind für uns. Als
jüngstes Beispiel führen wir die Privatzusammcntunft ehrenwerther Männer
aus verschiedenen deutschen Kammern und Ländern an, welche an dem heißen
Pfingstsonntage zu Frankfurt a. M. einen Ausschuß niedergesetzt hat, um eine
öffentliche Versammlung von Abgeordneten in und außer Diensten zu berufen,
welche ihrerseits beschließen soll, was sie für angemessen erachtet. Die Reben,
welche in jenem vertraulichen Kreise gehalten wurden, sind, wie billig, nicht
veröffentlicht worden. Allein darin stimmen alle von Theilnehmern erstatteten
Berichte überein, daß kein Redner sich gegen unsere Wünsche in Bezug auf
Bundesreform erklärt hat. Keiner hat erklärt, er wolle nicht, daß liberale und
constitutionelle Staatsmänner als Gesandte nach Frankfurt geschickt werden
möchten, er wolle nicht, daß eine Versammlung von Abgeordneten dem Bundes¬
tage beigesellt werde. Nicht genug, daß der positive Inhalt unserer Reform-
Vorschläge keinen Widerspruch erfahren hat, wurde es auch sorgfältig vermieden,
weitergehende Beschlüsse zu fassen; ja es wurde eine Bestimmung getroffen,
welche jede wünschenswerthe Garantie dafür enthält, daß die zu berufende Ver-
sammlung von Abgeordneten ihrerseits nicht weiter gehen kann, als wir es zur


Glieder des Bundes den übrigen Deutschen versprochen haben, selbst in Zei¬
ten, wo sie gar nicht nöthig hatten, etwas zu versprechen. Wir warten daher
auf Ernennung national- und liberalgesinnler Gesandten am Bundestage, —
etwa in dem Maaße wie die allen amsterbcn — und auf eine Vertretung der
Landeskammern in Frankfurt zur Förderung der allgemeinen deutschen Zufrieden¬
heit. Wenn uns diese beiden Punkte seiner Zeit gewährt werden, dann sind
unsere Wünsche in Bezug auf Bundesreform befriedigt.

Wir sind gefaßt auf Berunglnnpfungcn aller Art in öffentlichen Tages¬
blättern und Wochenschriften. Man wird sagen, wir seien hinter der Zeit zu¬
rückgeblieben, wir stünden auf einem längst überwundenen Standpunkt, unsere
philisterhafte Auffassung der deutschen Frage finde keinen Anklang bei der Na¬
tion. Aber in Wirklichkeit verhält es sich anders. Wir sind gar nicht be¬
scheiden; denn wir verlangen etwas, was wir noch nicht haben, was aber all¬
gemein gewünscht wird und das zunächst Erreichbare ist. Wir handeln vernünftig,
wenn wir einstweilen nur den Fortschritt anstreben, über den alle einig sind,
und alles vermeiden, was nur Zank und Streit erweckt. Es ist endlich gar
nicht an dem, daß wir mit unserer Ansicht allein stünden. Die große Mehr¬
heit der hohen Glieder des deutschen Bundes rechnen wir zu unseren Ge¬
sinnungsgenossen^ Außerdem die große Mehrheit unserer deutschen Mitbürger,
welche nicht in den Kanunern und in Versammlungen reden und nicht in die
Zeitungen schreiben. Ja, es ist uns die Genugthuung geworden, daß selbst
unter unsern Tadlern viele sich im Stillen zu unserer Ansicht bekennen, wenn
sic auch scheinbar ganz anders reden und schreiben.

Ihre Worte sprechen gegen uns, ihre Handlungen sind für uns. Als
jüngstes Beispiel führen wir die Privatzusammcntunft ehrenwerther Männer
aus verschiedenen deutschen Kammern und Ländern an, welche an dem heißen
Pfingstsonntage zu Frankfurt a. M. einen Ausschuß niedergesetzt hat, um eine
öffentliche Versammlung von Abgeordneten in und außer Diensten zu berufen,
welche ihrerseits beschließen soll, was sie für angemessen erachtet. Die Reben,
welche in jenem vertraulichen Kreise gehalten wurden, sind, wie billig, nicht
veröffentlicht worden. Allein darin stimmen alle von Theilnehmern erstatteten
Berichte überein, daß kein Redner sich gegen unsere Wünsche in Bezug auf
Bundesreform erklärt hat. Keiner hat erklärt, er wolle nicht, daß liberale und
constitutionelle Staatsmänner als Gesandte nach Frankfurt geschickt werden
möchten, er wolle nicht, daß eine Versammlung von Abgeordneten dem Bundes¬
tage beigesellt werde. Nicht genug, daß der positive Inhalt unserer Reform-
Vorschläge keinen Widerspruch erfahren hat, wurde es auch sorgfältig vermieden,
weitergehende Beschlüsse zu fassen; ja es wurde eine Bestimmung getroffen,
welche jede wünschenswerthe Garantie dafür enthält, daß die zu berufende Ver-
sammlung von Abgeordneten ihrerseits nicht weiter gehen kann, als wir es zur


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[0024] Glieder des Bundes den übrigen Deutschen versprochen haben, selbst in Zei¬ ten, wo sie gar nicht nöthig hatten, etwas zu versprechen. Wir warten daher auf Ernennung national- und liberalgesinnler Gesandten am Bundestage, — etwa in dem Maaße wie die allen amsterbcn — und auf eine Vertretung der Landeskammern in Frankfurt zur Förderung der allgemeinen deutschen Zufrieden¬ heit. Wenn uns diese beiden Punkte seiner Zeit gewährt werden, dann sind unsere Wünsche in Bezug auf Bundesreform befriedigt. Wir sind gefaßt auf Berunglnnpfungcn aller Art in öffentlichen Tages¬ blättern und Wochenschriften. Man wird sagen, wir seien hinter der Zeit zu¬ rückgeblieben, wir stünden auf einem längst überwundenen Standpunkt, unsere philisterhafte Auffassung der deutschen Frage finde keinen Anklang bei der Na¬ tion. Aber in Wirklichkeit verhält es sich anders. Wir sind gar nicht be¬ scheiden; denn wir verlangen etwas, was wir noch nicht haben, was aber all¬ gemein gewünscht wird und das zunächst Erreichbare ist. Wir handeln vernünftig, wenn wir einstweilen nur den Fortschritt anstreben, über den alle einig sind, und alles vermeiden, was nur Zank und Streit erweckt. Es ist endlich gar nicht an dem, daß wir mit unserer Ansicht allein stünden. Die große Mehr¬ heit der hohen Glieder des deutschen Bundes rechnen wir zu unseren Ge¬ sinnungsgenossen^ Außerdem die große Mehrheit unserer deutschen Mitbürger, welche nicht in den Kanunern und in Versammlungen reden und nicht in die Zeitungen schreiben. Ja, es ist uns die Genugthuung geworden, daß selbst unter unsern Tadlern viele sich im Stillen zu unserer Ansicht bekennen, wenn sic auch scheinbar ganz anders reden und schreiben. Ihre Worte sprechen gegen uns, ihre Handlungen sind für uns. Als jüngstes Beispiel führen wir die Privatzusammcntunft ehrenwerther Männer aus verschiedenen deutschen Kammern und Ländern an, welche an dem heißen Pfingstsonntage zu Frankfurt a. M. einen Ausschuß niedergesetzt hat, um eine öffentliche Versammlung von Abgeordneten in und außer Diensten zu berufen, welche ihrerseits beschließen soll, was sie für angemessen erachtet. Die Reben, welche in jenem vertraulichen Kreise gehalten wurden, sind, wie billig, nicht veröffentlicht worden. Allein darin stimmen alle von Theilnehmern erstatteten Berichte überein, daß kein Redner sich gegen unsere Wünsche in Bezug auf Bundesreform erklärt hat. Keiner hat erklärt, er wolle nicht, daß liberale und constitutionelle Staatsmänner als Gesandte nach Frankfurt geschickt werden möchten, er wolle nicht, daß eine Versammlung von Abgeordneten dem Bundes¬ tage beigesellt werde. Nicht genug, daß der positive Inhalt unserer Reform- Vorschläge keinen Widerspruch erfahren hat, wurde es auch sorgfältig vermieden, weitergehende Beschlüsse zu fassen; ja es wurde eine Bestimmung getroffen, welche jede wünschenswerthe Garantie dafür enthält, daß die zu berufende Ver- sammlung von Abgeordneten ihrerseits nicht weiter gehen kann, als wir es zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/24>, abgerufen am 28.09.2024.