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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Aeußerungen über Modificationen, die sich dabei ergaben, und war. als am
29. März dieses Jahres in Berlin die Verträge zwischen Preußen und Frank¬
reich vorläufig festgestellt wurden, vollständig zu der Voraussetzung berechtigt,
daß sämmtliche Glieder des Vereins, vorbehaltlich -- so weit dies durch ihre
Verfassungen vorgeschrieben -- der Zustimmung ihrer Stände, den Verträgen
beitreten würden. Es war dadurch nicht allein die unter allen Umständen ge¬
botene Reform des "Tarifs erzielt, sondern auch für viele, insbesondere zur
Massenconsumtion dienende deutsche Erzeugnisse der große französische, Markt
geöffnet, unter erträglichen Bedingungen zugänglich gemacht. Dank der Ver¬
breitung der Volkswirtschaftslehre und ihrer wissenschaftlich nicht mehr zu be¬
streitenden geläuterten Principien, wurden auch die Bedeutung und der Werth
des von Preußen, aus schwierigen und mühsamen Verhandlungen glücklich zu ,
Stande gebrachten Vertragswerkes von der überwiegenden Mehrheit der Be¬
völkerungen im Vereinsgebiete schnell aufgefaßt und anerkannt. Selbst die
Gewerbsunternehmer, welche fühlen mußten, daß der Wettkampf mit den Gro߬
gewerben der älteren Industriestaaten ihre Kräfte in weit höherem Maße an¬
spannen und anstrengen werde, sie fühlten sich gleichzeitig dieser Aufgabe ge¬
wachsen, ihre Vertreter und Organe erklärten sich in überwiegender Mehrzahl
zu Gunsten des Vertrags. Ja es ereignete sich der merkwürdige Fall, daß
eine Versammlung, usch Frankfurt berufen von den Gegnern des Vertrags,
sich in ihrer Mehrheit für denselben erklärte. Es wollte nicht gelingen, aus
weiteren Kreisen eine Anzahl deutscher Fabrikanten zu dem Ausspruche zu be¬
stimmen, daß die Grundlage ihrer Existenz der Zollschutz, daß die fremde Mit¬
bewerbung, bei ermäßigten Sätzen, ihr Untergang sei. Das Verhalten gegen- ,
über dem Vertrage gereicht der deutschen Industrie im Großen und Ganzen zu
hoher Ehre. Sie zeichnet sich dadurch vortheilhaft aus vor der französischen
Industrie, deren Vertreter fast ausnahmslos mit Jammergeschrei und Wuth¬
geheul gegen den Vertrag zu Felde zogen, zuletzt noch in dem gesetzgebenden
Körper zu Paris verzweifelte Anstrengungen machten, um die Prohibition und
die Verbotszölle am Leben zu erhalten, und die Verträge mit den Nachbar¬
staaten zu Falle-zu bringen. Man hat der französischen Regierung nachgerühmt,
daß sie sorgfältige Untersuchungen über die Lage aller Industriezweige ange¬
stellt.und über alle einschlagenden Fragen die Betheiligten gehört habe, wäh¬
rend Preußen und andere deutsche Regierungen weniger rücksichtsvoll zu Werke
gegangen seien. Wir wollen der französischen Negierung dieses Lob nicht be-
streiten. aber ein größeres Verdienst hat sie sich jedenfalls dadurch erworben,
daß sie gegen die einseitigen und beschränkten Ansichten, gegen die Ausbrüche
der Leidenschaft der aus ihrer Trägheit aufgeschreckten Unternehmer, die Ver¬
träge mit England, Belgien und dem Zollvereine abgeschlossen und dadurch die
Entwickelung ihrer übel berathenen Industrie, die Interessen ihrer Nation und


Aeußerungen über Modificationen, die sich dabei ergaben, und war. als am
29. März dieses Jahres in Berlin die Verträge zwischen Preußen und Frank¬
reich vorläufig festgestellt wurden, vollständig zu der Voraussetzung berechtigt,
daß sämmtliche Glieder des Vereins, vorbehaltlich — so weit dies durch ihre
Verfassungen vorgeschrieben — der Zustimmung ihrer Stände, den Verträgen
beitreten würden. Es war dadurch nicht allein die unter allen Umständen ge¬
botene Reform des «Tarifs erzielt, sondern auch für viele, insbesondere zur
Massenconsumtion dienende deutsche Erzeugnisse der große französische, Markt
geöffnet, unter erträglichen Bedingungen zugänglich gemacht. Dank der Ver¬
breitung der Volkswirtschaftslehre und ihrer wissenschaftlich nicht mehr zu be¬
streitenden geläuterten Principien, wurden auch die Bedeutung und der Werth
des von Preußen, aus schwierigen und mühsamen Verhandlungen glücklich zu ,
Stande gebrachten Vertragswerkes von der überwiegenden Mehrheit der Be¬
völkerungen im Vereinsgebiete schnell aufgefaßt und anerkannt. Selbst die
Gewerbsunternehmer, welche fühlen mußten, daß der Wettkampf mit den Gro߬
gewerben der älteren Industriestaaten ihre Kräfte in weit höherem Maße an¬
spannen und anstrengen werde, sie fühlten sich gleichzeitig dieser Aufgabe ge¬
wachsen, ihre Vertreter und Organe erklärten sich in überwiegender Mehrzahl
zu Gunsten des Vertrags. Ja es ereignete sich der merkwürdige Fall, daß
eine Versammlung, usch Frankfurt berufen von den Gegnern des Vertrags,
sich in ihrer Mehrheit für denselben erklärte. Es wollte nicht gelingen, aus
weiteren Kreisen eine Anzahl deutscher Fabrikanten zu dem Ausspruche zu be¬
stimmen, daß die Grundlage ihrer Existenz der Zollschutz, daß die fremde Mit¬
bewerbung, bei ermäßigten Sätzen, ihr Untergang sei. Das Verhalten gegen- ,
über dem Vertrage gereicht der deutschen Industrie im Großen und Ganzen zu
hoher Ehre. Sie zeichnet sich dadurch vortheilhaft aus vor der französischen
Industrie, deren Vertreter fast ausnahmslos mit Jammergeschrei und Wuth¬
geheul gegen den Vertrag zu Felde zogen, zuletzt noch in dem gesetzgebenden
Körper zu Paris verzweifelte Anstrengungen machten, um die Prohibition und
die Verbotszölle am Leben zu erhalten, und die Verträge mit den Nachbar¬
staaten zu Falle-zu bringen. Man hat der französischen Regierung nachgerühmt,
daß sie sorgfältige Untersuchungen über die Lage aller Industriezweige ange¬
stellt.und über alle einschlagenden Fragen die Betheiligten gehört habe, wäh¬
rend Preußen und andere deutsche Regierungen weniger rücksichtsvoll zu Werke
gegangen seien. Wir wollen der französischen Negierung dieses Lob nicht be-
streiten. aber ein größeres Verdienst hat sie sich jedenfalls dadurch erworben,
daß sie gegen die einseitigen und beschränkten Ansichten, gegen die Ausbrüche
der Leidenschaft der aus ihrer Trägheit aufgeschreckten Unternehmer, die Ver¬
träge mit England, Belgien und dem Zollvereine abgeschlossen und dadurch die
Entwickelung ihrer übel berathenen Industrie, die Interessen ihrer Nation und


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[0220] Aeußerungen über Modificationen, die sich dabei ergaben, und war. als am 29. März dieses Jahres in Berlin die Verträge zwischen Preußen und Frank¬ reich vorläufig festgestellt wurden, vollständig zu der Voraussetzung berechtigt, daß sämmtliche Glieder des Vereins, vorbehaltlich — so weit dies durch ihre Verfassungen vorgeschrieben — der Zustimmung ihrer Stände, den Verträgen beitreten würden. Es war dadurch nicht allein die unter allen Umständen ge¬ botene Reform des «Tarifs erzielt, sondern auch für viele, insbesondere zur Massenconsumtion dienende deutsche Erzeugnisse der große französische, Markt geöffnet, unter erträglichen Bedingungen zugänglich gemacht. Dank der Ver¬ breitung der Volkswirtschaftslehre und ihrer wissenschaftlich nicht mehr zu be¬ streitenden geläuterten Principien, wurden auch die Bedeutung und der Werth des von Preußen, aus schwierigen und mühsamen Verhandlungen glücklich zu , Stande gebrachten Vertragswerkes von der überwiegenden Mehrheit der Be¬ völkerungen im Vereinsgebiete schnell aufgefaßt und anerkannt. Selbst die Gewerbsunternehmer, welche fühlen mußten, daß der Wettkampf mit den Gro߬ gewerben der älteren Industriestaaten ihre Kräfte in weit höherem Maße an¬ spannen und anstrengen werde, sie fühlten sich gleichzeitig dieser Aufgabe ge¬ wachsen, ihre Vertreter und Organe erklärten sich in überwiegender Mehrzahl zu Gunsten des Vertrags. Ja es ereignete sich der merkwürdige Fall, daß eine Versammlung, usch Frankfurt berufen von den Gegnern des Vertrags, sich in ihrer Mehrheit für denselben erklärte. Es wollte nicht gelingen, aus weiteren Kreisen eine Anzahl deutscher Fabrikanten zu dem Ausspruche zu be¬ stimmen, daß die Grundlage ihrer Existenz der Zollschutz, daß die fremde Mit¬ bewerbung, bei ermäßigten Sätzen, ihr Untergang sei. Das Verhalten gegen- , über dem Vertrage gereicht der deutschen Industrie im Großen und Ganzen zu hoher Ehre. Sie zeichnet sich dadurch vortheilhaft aus vor der französischen Industrie, deren Vertreter fast ausnahmslos mit Jammergeschrei und Wuth¬ geheul gegen den Vertrag zu Felde zogen, zuletzt noch in dem gesetzgebenden Körper zu Paris verzweifelte Anstrengungen machten, um die Prohibition und die Verbotszölle am Leben zu erhalten, und die Verträge mit den Nachbar¬ staaten zu Falle-zu bringen. Man hat der französischen Regierung nachgerühmt, daß sie sorgfältige Untersuchungen über die Lage aller Industriezweige ange¬ stellt.und über alle einschlagenden Fragen die Betheiligten gehört habe, wäh¬ rend Preußen und andere deutsche Regierungen weniger rücksichtsvoll zu Werke gegangen seien. Wir wollen der französischen Negierung dieses Lob nicht be- streiten. aber ein größeres Verdienst hat sie sich jedenfalls dadurch erworben, daß sie gegen die einseitigen und beschränkten Ansichten, gegen die Ausbrüche der Leidenschaft der aus ihrer Trägheit aufgeschreckten Unternehmer, die Ver¬ träge mit England, Belgien und dem Zollvereine abgeschlossen und dadurch die Entwickelung ihrer übel berathenen Industrie, die Interessen ihrer Nation und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/220>, abgerufen am 26.08.2024.