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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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der finanzielle, noch der politische Zweck erreicht. Es ist auch für die Völker
des Kaiserstaates ein Vortheil, daß das Gleichgewicht im Haushalte und die
Staatseinheit nicht so leicht und rasch durchzuführen sind. Gar bald würde
sonst die Tribüne verstummen und die Presse ihre Kritik einstellen müssen. Die
neuen Einrichtungen brauchen Zeit, um sich einzuleben und zu befestigen, damit
sie nicht wieder, wie früher geschehen, sammt dem Ministerium Schmerling in die
Rumpelkammer wandern. Auch in andern deutschen Ländern hat der erwachte
öffentliche Geist kleine und vereinzelte Triumphe des Rechts über schreiendes
Unrecht gefeiert; aber viel, sehr viel bleibt noch zu thun, bevor in allen Ein¬
zelstaaten Recht und Freiheit gegen bureaukratisches und polizeiliches Belieben
sicher gestellt und ein einträchtiges Zusammenwirken der verschiedenen Staats¬
gewalten für die großen nationalen Ziele möglich wird.

Mehr als die nationalen und liberalen Bestrebungen haben in der gegen¬
wärtigen Vertragsperiode des Zollvereins richtige volkswirthschaftliche Princi¬
pien und Forderungen Eingang im Volke und in die Gesetzgebung erkämpft.
Der allgemeinen deutschen Wechselordnung ist ein deutsches Handelsgesetz gefolgt,
in den meisten Staaten in Kraft oder in der Einführung begriffen. Der Bun¬
destag beschäftigt sich mit einem Patentgesetz. Mit Maß und Gewicht, und mit
anderen nützlichen Einrichtungen, welche aus der schädlichen Verschiedenartigkeit
zu allgemein deutschen emporgehoben werden sollen. Er veranlaßt die Regie¬
rungen, Conferenzen zu beschicken, um deutsche Gesetze auszuarbeiten, deren Ein¬
führung er alsdann den einzelnen Regierungen empfiehlt. Ein Münzvertrag
vom 24. Januar 1857 brachte einen wesentlichen Fortschritt zu einer spätern
Münzeinheit. Oestreich ist Theilnehmer an diesem Vertrage; aber eine wichtige
Bestimmung desselben, wonach in keinem der vertragschließenden Staaten Papier¬
geld mit Zwangscurs (nicht einlösbar gegen Silber) umlaufen darf, konnte Oest¬
reich bis heute nicht erfüllen, und wird dazu voraussichtlich noch lange nicht im
Stande sein. Der Sundzoll und der Staderzoll sind abgelöst, die Durchgangs¬
abgaben, welche große Waarenmengen von deutschen Bahnen ab auf fremde
Wege lenkten, sind aus dem Vereinstarise verschwunden, die Schifffahrtsabgaben
auf dem Rhein sind ermäßigt, die Entrichtung wird erleichtert. Mit der Ge-
werbefreiheit ist Oestreich vorangegangen. Sachsen und andere Staaten sind
nachgefolgt, und sie wird ohne Zweifel bald ihre Runde durch Deutschland ge¬
macht haben.

Mitten in dieser gewaltigen wirthschaftlichen Bewegung, auf Entfesselung
d" Arbeit und des Unternehmungsgeistes gerichtet, kann der Zollverein meh
stille stehen. Er kann es um so weniger, als durch die großen Industrie- un
Handelsstaaten Europa's, von England angeregt und mit eigenem Be^sPie e ve-
,g.ouum. von Frankreich aufgenommen und weiter getragen, an me <Seene
Abwehr des internationalen Austausches der Erzeugnisse durch verböte uno


Grenzboten III. 1S62.

der finanzielle, noch der politische Zweck erreicht. Es ist auch für die Völker
des Kaiserstaates ein Vortheil, daß das Gleichgewicht im Haushalte und die
Staatseinheit nicht so leicht und rasch durchzuführen sind. Gar bald würde
sonst die Tribüne verstummen und die Presse ihre Kritik einstellen müssen. Die
neuen Einrichtungen brauchen Zeit, um sich einzuleben und zu befestigen, damit
sie nicht wieder, wie früher geschehen, sammt dem Ministerium Schmerling in die
Rumpelkammer wandern. Auch in andern deutschen Ländern hat der erwachte
öffentliche Geist kleine und vereinzelte Triumphe des Rechts über schreiendes
Unrecht gefeiert; aber viel, sehr viel bleibt noch zu thun, bevor in allen Ein¬
zelstaaten Recht und Freiheit gegen bureaukratisches und polizeiliches Belieben
sicher gestellt und ein einträchtiges Zusammenwirken der verschiedenen Staats¬
gewalten für die großen nationalen Ziele möglich wird.

Mehr als die nationalen und liberalen Bestrebungen haben in der gegen¬
wärtigen Vertragsperiode des Zollvereins richtige volkswirthschaftliche Princi¬
pien und Forderungen Eingang im Volke und in die Gesetzgebung erkämpft.
Der allgemeinen deutschen Wechselordnung ist ein deutsches Handelsgesetz gefolgt,
in den meisten Staaten in Kraft oder in der Einführung begriffen. Der Bun¬
destag beschäftigt sich mit einem Patentgesetz. Mit Maß und Gewicht, und mit
anderen nützlichen Einrichtungen, welche aus der schädlichen Verschiedenartigkeit
zu allgemein deutschen emporgehoben werden sollen. Er veranlaßt die Regie¬
rungen, Conferenzen zu beschicken, um deutsche Gesetze auszuarbeiten, deren Ein¬
führung er alsdann den einzelnen Regierungen empfiehlt. Ein Münzvertrag
vom 24. Januar 1857 brachte einen wesentlichen Fortschritt zu einer spätern
Münzeinheit. Oestreich ist Theilnehmer an diesem Vertrage; aber eine wichtige
Bestimmung desselben, wonach in keinem der vertragschließenden Staaten Papier¬
geld mit Zwangscurs (nicht einlösbar gegen Silber) umlaufen darf, konnte Oest¬
reich bis heute nicht erfüllen, und wird dazu voraussichtlich noch lange nicht im
Stande sein. Der Sundzoll und der Staderzoll sind abgelöst, die Durchgangs¬
abgaben, welche große Waarenmengen von deutschen Bahnen ab auf fremde
Wege lenkten, sind aus dem Vereinstarise verschwunden, die Schifffahrtsabgaben
auf dem Rhein sind ermäßigt, die Entrichtung wird erleichtert. Mit der Ge-
werbefreiheit ist Oestreich vorangegangen. Sachsen und andere Staaten sind
nachgefolgt, und sie wird ohne Zweifel bald ihre Runde durch Deutschland ge¬
macht haben.

Mitten in dieser gewaltigen wirthschaftlichen Bewegung, auf Entfesselung
d« Arbeit und des Unternehmungsgeistes gerichtet, kann der Zollverein meh
stille stehen. Er kann es um so weniger, als durch die großen Industrie- un
Handelsstaaten Europa's, von England angeregt und mit eigenem Be^sPie e ve-
,g.ouum. von Frankreich aufgenommen und weiter getragen, an me <Seene
Abwehr des internationalen Austausches der Erzeugnisse durch verböte uno


Grenzboten III. 1S62.
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[0217] der finanzielle, noch der politische Zweck erreicht. Es ist auch für die Völker des Kaiserstaates ein Vortheil, daß das Gleichgewicht im Haushalte und die Staatseinheit nicht so leicht und rasch durchzuführen sind. Gar bald würde sonst die Tribüne verstummen und die Presse ihre Kritik einstellen müssen. Die neuen Einrichtungen brauchen Zeit, um sich einzuleben und zu befestigen, damit sie nicht wieder, wie früher geschehen, sammt dem Ministerium Schmerling in die Rumpelkammer wandern. Auch in andern deutschen Ländern hat der erwachte öffentliche Geist kleine und vereinzelte Triumphe des Rechts über schreiendes Unrecht gefeiert; aber viel, sehr viel bleibt noch zu thun, bevor in allen Ein¬ zelstaaten Recht und Freiheit gegen bureaukratisches und polizeiliches Belieben sicher gestellt und ein einträchtiges Zusammenwirken der verschiedenen Staats¬ gewalten für die großen nationalen Ziele möglich wird. Mehr als die nationalen und liberalen Bestrebungen haben in der gegen¬ wärtigen Vertragsperiode des Zollvereins richtige volkswirthschaftliche Princi¬ pien und Forderungen Eingang im Volke und in die Gesetzgebung erkämpft. Der allgemeinen deutschen Wechselordnung ist ein deutsches Handelsgesetz gefolgt, in den meisten Staaten in Kraft oder in der Einführung begriffen. Der Bun¬ destag beschäftigt sich mit einem Patentgesetz. Mit Maß und Gewicht, und mit anderen nützlichen Einrichtungen, welche aus der schädlichen Verschiedenartigkeit zu allgemein deutschen emporgehoben werden sollen. Er veranlaßt die Regie¬ rungen, Conferenzen zu beschicken, um deutsche Gesetze auszuarbeiten, deren Ein¬ führung er alsdann den einzelnen Regierungen empfiehlt. Ein Münzvertrag vom 24. Januar 1857 brachte einen wesentlichen Fortschritt zu einer spätern Münzeinheit. Oestreich ist Theilnehmer an diesem Vertrage; aber eine wichtige Bestimmung desselben, wonach in keinem der vertragschließenden Staaten Papier¬ geld mit Zwangscurs (nicht einlösbar gegen Silber) umlaufen darf, konnte Oest¬ reich bis heute nicht erfüllen, und wird dazu voraussichtlich noch lange nicht im Stande sein. Der Sundzoll und der Staderzoll sind abgelöst, die Durchgangs¬ abgaben, welche große Waarenmengen von deutschen Bahnen ab auf fremde Wege lenkten, sind aus dem Vereinstarise verschwunden, die Schifffahrtsabgaben auf dem Rhein sind ermäßigt, die Entrichtung wird erleichtert. Mit der Ge- werbefreiheit ist Oestreich vorangegangen. Sachsen und andere Staaten sind nachgefolgt, und sie wird ohne Zweifel bald ihre Runde durch Deutschland ge¬ macht haben. Mitten in dieser gewaltigen wirthschaftlichen Bewegung, auf Entfesselung d« Arbeit und des Unternehmungsgeistes gerichtet, kann der Zollverein meh stille stehen. Er kann es um so weniger, als durch die großen Industrie- un Handelsstaaten Europa's, von England angeregt und mit eigenem Be^sPie e ve- ,g.ouum. von Frankreich aufgenommen und weiter getragen, an me <Seene Abwehr des internationalen Austausches der Erzeugnisse durch verböte uno Grenzboten III. 1S62.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/217>, abgerufen am 25.08.2024.